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„Ich gebe auf, zu viele halten den Mund“

Dirk Neubauer, sächsischer Landrat, tritt wegen Bedrohungen zurück. Die extrem rechte Partei Freie Sachsen mobilisierte mehrfach vor seinem Wohnsitz

Aus Leipzig David Muschenich

Es passt zu Dirk Neubauer, dass er seinen Rücktritt als Landrat in Mittelsachsen per Video auf Social Media ankündigt. Er ist digitalaffin und sucht einen möglichst direkten Draht zu Wäh­le­r:in­nen. Doch nun wolle er sein Amt niederlegen. In seiner Region fehle der Gestaltungswillen, und er werde seit Monaten von Rechten bedroht, begründete Neubauer am Dienstag seine Entscheidung. Er hoffe, dass Mittelsachsen noch in diesem Jahr einen neuen Landrat wählen könne.

Neubauer wurde im Juni 2022 als Landrat gewählt, und seine Amtszeit wäre noch bis 2029 gelaufen. Er war der Einzige der neun sächsischen Landräte, der ohne Unterstützung der CDU ins Amt kam. Zuvor war er neun Jahre lang Bürgermeister der Kleinstadt Augustusburg im Erzgebirge gewesen.

Mit offenem Hemdkragen und dem Wappen Mittelsachsens am Revers erklärte Dirk Neubauer in seiner Botschaft: „Ich gebe auf, weil da draußen zu viele den Mund halten.“

Die extrem rechte Partei Freie Sachsen mobilisierte in den vergangenen Monaten mehrfach mit Autokorsos vor Neubauers Wohnsitz. Er ist deshalb mittlerweile umgezogen. Nachdem Neubauer seinen Rücktritt verkündet hatte, feierten sich die Freien Sachsen in ihrem Telegramkanal – ihr Protest zeige nun Wirkung.

Bei der Bedrohung gehe es nicht nur um ihn. Laut Neubauer leiden auch andere Man­dats­trä­ge­r:in­nen unter Anfeindungen, äußerten dies aber nicht öffentlich. „Die Gesellschaft muss begreifen, dass sie mit Menschen, die sich hauptsächlich im Ehrenamt in der Kommunalpolitik einsetzen, nicht so umgehen kann.“

In einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung von 2022 hatten rund 60 Prozent der 2.000 befragten Lo­kal­po­li­ti­ke­r:in­nen persönlich „Beleidigungen, Bedrohungen oder tätliche Übergriffe“ erfahren. Allerdings kamen in der Studie nur Po­li­ti­ke­r:in­nen aus 77 Großstädten zu Wort. Auf dem Land könnte es anders aussehen.

Es gehe aber nicht nur um die Bedrohungslage und den fehlenden gesellschaftlichen Rückhalt, erklärte Neubauer in seinem Video. In Mittelsachsen gebe es derzeit eine konservative Mehrheit gegen „all die Themen, die jetzt wichtig sind“. Die Energiewende, sei so ein Beispiel. Oder ein Mobilitätskonzept, durch welches das Deutschlandticket auch im ländlichen Raum richtig wirke. Außerdem nennt Neubauer: Fachkräftemangel, Migration, Wirtschaftsförderung und offene Diskussionsforen.

Die Freien Sachsen feierten in ihrem Telegramkanal – ihr Protest zeige Wirkung

Bei der Kreistagswahl in Mittelsachsen am 9. Juni holte die AfD den höchsten Stimmanteil: 30,3 Prozent. Ihr folgten die CDU (26,7 Prozent) und die Freien Wähler (17,1 Prozent). Die Linke, SPD und Grüne – die Neubauer bei seiner Wahl 2022 unterstützt hatten – erreichten zusammen 15 Prozent.

Während Po­li­ti­ke­r:in­nen von Grünen, SPD und Linken mit Bestürzung auf die Ankündigung reagierten, blieb es aus der sächsischen CDU auffällig ruhig. Der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion Jörg Woidniok kritisierte gegenüber dem MDR, er sei entsetzt, „wie jemand so gewissenlos mit diesem Amt umgehen kann“. Aus Sicht von Woid­niok sei Neubauer mit dem Amt überfordert gewesen. Auf die Bedrohungen ging Woidniok nicht ein. Dabei ist Dirk Neubauer nicht der Einzige, der in den vergangenen Tagen seinen Rückzug angekündigt hat. Die Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas aus dem Vogtland erklärte bereits vergangene Woche, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Ihre Begründung klang ähnlich: „Ich habe viel an Beleidigungen, Bedrohungen, aber leider auch viel Gleichgültigkeit erlebt. Das raubt Kraft.“

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