Bezahlkarte für Geflüchtete: Sozialgericht kippt Bargeld-Pauschale

Die 50-Euro-Grenze bei der Bezahlkarte ist in einem Fall für rechtswidrig erklärt worden. Kartengegner jubilieren, doch das könnte voreilig sein.

Zwei Hände, die sich einen 50 Euro Schein überreichen.

50 Euro Bargeld pauschal für Geflüchtete? Hat das Hamburger Sozialgericht in einem Fall nun gekippt Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Hannover taz | Das Hamburger Sozialgericht hat in einem Eilverfahren entschieden, dass es die Bargeldgrenze bei der Bezahlkarte für Flüchtlinge in Höhe von 50 Euro für nicht rechtmäßig hält. Die persönlichen und örtlichen Umstände der Betroffenen müssten berücksichtigt werden, hieß es. Geklagt hatte eine Schwangere.

Mit der Beschränkung auf maximal 50 Euro Bargeld pro Monat und Person sollen Zuwanderer abgeschreckt und Geldtransfers ins Ausland eingedämmt werden, so hatte es die Bundesinnenministerkonferenz im Juni beschlossen. Die Maßnahme ist umstritten. Viele Hilfsorganisationen halten sie für reinen Populismus.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Pro Asyl unterstützen deshalb eine Reihe von Klagen von einzelnen Betroffenen. Die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Juli, die GFF und Pro Asyl am Mittwoch bekannt machten, ist die erste in dieser Reihe.

Geklagt hatte eine dreiköpfige Familie, die in einer Hamburger Erstaufnahmeeinrichtung lebt. Dort werden seit Februar die Leistungen nur noch über die sogenannte Social Card ausgegeben. Mit der Karte kann in vielen Läden und Einrichtungen bezahlt werden, die Auszahlung von Bargeld ist jedoch auf 50 Euro pro Erwachsenem und 10 Euro pro Kind im Monat beschränkt. Der Familie stehen im Monat also 110 Euro in bar zur Verfügung.

Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass ihnen Sonderbedarfe für die schwangere Frau und das Kleinkind zugestanden wurden. Dagegen hatte die Familie geklagt, weil es ihr zum Beispiel nicht möglich ist, Umstands-, Baby- und Kinderkleidung auf den vielerorts üblichen Basaren und Flohmärkten günstig zu erwerben.

Dieser Argumentation folgte das Sozialgericht insoweit, als es befand, das Hamburger Amt für Migration hätte sich nicht einfach so auf die pauschale Bargeldgrenze zurückziehen dürfen, wie sie von der Innenministerkonferenz beschlossen wurde. Zwar liege es grundsätzlich im Ermessen der Behörde, in welcher Form Leistungen gewährt werden, die Gesetzesbegründung sieht aber vor, dass „örtliche Besonderheiten und unterschiedliche Lebenslagen“ zu berücksichtigen sind. Das, so argumentiert das Gericht, macht eben eine Einzelfallbetrachtung notwendig, die es hier erkennbar nicht gegeben hat.

Als „Etappensieg“ bezeichneten das die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), von einer „Klatsche für den Senat“ schreibt die Linkenfraktion in ihrer Pressemitteilung.

Die große Hoffnung der Bezahlkarten-Gegner: Mit einer individuellen Festlegung von Bargeldgrenzen wird das Ganze so kompliziert und arbeitsaufwendig, dass man es vielleicht lieber ganz sein lässt. So macht es beispielsweise Hannover, wo die Bezahlkarte von Anfang an wie eine ganz normale Bankkarte eingesetzt wurde, was im Vergleich zur Ausgabe von Bargeld, Wertgutscheinen oder Sachleistungen immer noch erheblichen Verwaltungsaufwand einspart.

Bezahlkarten-Gegner schöpfen Hoffnung

Ob sich diese Hoffnung erfüllt, ist aber auch noch lange nicht raus. Erst einmal hat das Sozialgericht die Behörde nur angewiesen, der Familie die Sonderbedarfe für die schwangere Frau und das Kleinkind in bar oder als abhebbares Guthaben auf der Social Card zur Verfügung zu stellen. Das gilt erst einmal nur für diesen Einzelfall.

Gegen den Beschluss kann das Amt für Migration noch Beschwerde einlegen, ob man das tut, werde noch geprüft, erklärte die Behörde auf taz-Anfrage. Generell bemüht man sich, die Bedeutung des Beschlusses herunterzuspielen: Die Entscheidung des Sozialgerichts stellt die Rechtmäßigkeit und das System der Hamburger Bezahlkarte (Social Card) nicht infrage. Auch eine feste Bargeldobergrenze hält das Gericht nicht per se für rechtswidrig.

Gerichtsentscheidung ändert erstmal grundsätzlich nichts

Am bisherigen Modell in Hamburg ändert sich mit der Entscheidung daher nach jetzigem Kenntnisstand grundsätzlich nichts“, heißt es in einer dürren gemeinsamen Stellungnahme von Innenbehörde und Sozialbehörde ohne weitere Begründung.

Es ist unwahrscheinlich, dass hier das letzte Wort schon gesprochen ist. Immerhin sollte Hamburg ja als Modell für die anderen Bundesländer dienen. Und nach der langen und heftigen Debatte um die Ausgestaltung der Bezahlkarte und die Höhe der Bargeldbegrenzung werden sich die Innenminister der Länder dieses Instrument wohl nicht einfach so aus der Hand nehmen lassen.

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