Najem Walis Roman „Stadt der Klingen“: Wahrheit ohne Chance auf Erfolg

In seinem Roman erzählt Najem Wali von Flucht, Liebe und alteingesessenen Solinger Familien. „Stadt der Klingen“ bleibt im Gedächtnis.

Fünf Messer liegen auf einem Tablett

Solinger Messerkunst: Die Stadt steht im Zentrum von Najem Walis „Stadt der Klingen“ Foto: Felix Jason/imago

Ende der 1980er Jahre desertiert Nuri Mohsen aus der irakischen Armee und flieht nach Deutschland. In dem sinnlosen Krieg Saddam Husseins gegen den Iran will er nicht als Kanonenfutter dienen. Zunächst lebt er in Hamburg und lernt dort seine Freundin Kathi kennen. Kathi, die aus Solingen kommt, der Stadt, die für ihre Klingenherstellung berühmt ist. „Stadt der Klingen“ heißt Najem Walis neuer Roman und Nuri Mohsen ist sein Erzähler.

Es ist eine rätselhafte Geschichte, die Nuri erzählt. Kathi wollte schon immer, dass er mit ihr nach Solingen zieht. Aber ihm gefiel Hamburg und er wollte nicht weg. Dann aber verliert er seinen Job als Dolmetscher für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Er hatte die Aussage einer Frau aus dem Irak nicht korrekt wiedergegeben. Sie hatte die Wahrheit über ihre Flucht erzählt. Aber wer die Wahrheit sagt, „hat kaum Chance auf Erfolg. Egal, wie tragisch seine Geschichte ist, man glaubt ihm nicht. Denn wahre Geschichten klingen im Gegensatz zu perfekten Lügen ungereimt oder unglaubwürdig.“

Ohne Arbeit, finanziell von Kathi abhängig, gibt er nach und zieht mit ihr in eine billige Wohnung in ihre Heimatstadt. Dann verlässt Kathi Nuri plötzlich, ohne sich zu erklären. Nuri übernimmt die gemeinsame Wohnung, die in der Nähe eines Flohmarktes liegt. Um sein Einkommen aufzubessern, lässt er gegen ein kleines Entgelt ein paar Händler Ware von fragwürdiger Herkunft bei sich unterstellen.

Najem Wali: „Stadt der Klingen“. Secession, Berlin 2024. 280 Seiten, 25 Euro

„Keine Drogen, keine Waffen“

Eines Tages bringt ihm Armin, einer dieser Händler, einen braunen Lederkoffer. Als Nuri skeptisch guckt, sagt er: „Keine Sorge, keine Drogen, keine Waffen“. Außerdem bittet Armin ihn, sich bei gerade angekommenen Flüchtlingen umzuhören. Es sei jemand darunter, der einen wertvollen, im 18. Jahrhundert in Solingen hergestellten Dolch bei sich haben soll.

Vielleicht hat der Koffer ja doch den wertvollen Dolch aus dem 18. Jahrhundert enthalten

„Es könnte sich dabei“, sagt er, „um einen Dolch handeln, der meiner Familie gehört.“ Wenig später wird Nuri auf offener Straße zusammengeschlagen. Eine zufällig vorbeikommende Frau hilft ihm nach Hause, wo er sich ins Bett legt und einschläft. Als er wieder aufwacht, ist der Koffer weg.

„Stadt der Klingen“ ist kein episch breit erzählter Roman wie „Engel des Südens“, der Wali in Deutschland bekannt gemacht hat. Aber Najem Wali, der wie sein Alter Ego vor dem ersten Golfkrieg nach Deutschland geflüchtet ist, behält in seinem ersten auf Deutsch verfassten Buch viele Elemente der Schreibweise des Vorgängerromans bei.

Das Zitieren von Sprichwörtern vermittelt neben sprachlichen Wendungen, die an einen mündlichen Erzähler denken lassen, den Eindruck von Unmittelbarkeit. Das Setting, die Klingenstadt Solingen und ein Flüchtling aus dem Irak, der zwischen die Widersprüche deutscher Asylpolitik gerät, macht den Roman zum Gegenwartsbuch. Der – wenn man so will – „exotische“ Ton ergibt sich dabei nicht nur aus der Erzählweise und der Herkunft des Erzählers, sondern ebenso durch die archaische Mentalität alteingesessener Solinger Familien.

Solingen und der Irak

Die Situation wird immer unübersichtlicher. Wie ein Detektiv arbeitet sich Nuri langsam an die Wahrheit heran, die mit den Messerschmieden in Solingen, dem Zweiten Weltkrieg und dem Irak zu tun hat. Vielleicht hat der braune Koffer ja doch den Dolch enthalten. Aber warum sollte Armin ihn dann auf die Suche nach ihm schicken?

Dann findet Nuri heraus, dass der Dolch seit den 1960er Jahren verschwunden ist. Verdächtigt wurde damals ein irakischer Geschäftspartner der Messerfirma Horn, den die Tochter des Firmenpatriarchen heiraten wollte. Der aber wollte einen Schwiegersohn aus einer anderen Solinger Messerschmiede. Der Mann verschwand überraschend wieder in den Irak und soll mit dem Dolch aus der Sammlung des Firmeninhabers den vorgesehen Schwiegersohn seiner Tochter nicht nur schwer verletzt, sondern den Dolch auch aus der Sammlung gestohlen haben.

„Stadt der Klingen“ ist ein Krimi aus der deutschen Provinz, ohne provinziell zu sein. Wali nutzt das Genre, um eine Geschichte über Flucht, Liebe und einen unscheinbaren Ort zu erzählen. Das ist spannend.

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