Hör mal, wer da spart

Ganz plötzlich wurde die wichtige Hörspielförderung der Film- und Medien­stiftung NRW abgeschafft. Dabei ist die Kunstform immer noch beliebt

Der neue Geschäfts­führer Walid Nakschbandi ist ein berüchtigter Fernseh­produzent Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa/picture alliance

Von Lars Fleischmann

Die aktuelle Hörspiel-Collection der ARD versammelt unter dem Titel „100 aus 100“ Rang und Namen: Orson Welles und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek sowie neue Hörspiele von Theatergruppen wie She She Pop oder dem Autor Tomer Gardi. Mit dieser Collection, die man digital einsehen und vor allen Dingen anhören kann, feiert die ARD den 100. Geburtstag der Kunstform Hörspiel.

Mittlerweile nimmt das Hörspiel in der linearen Programmplanung von Radiosendern nur noch eine randständige Rolle ein – doch das tut der Bedeutung keinen Abbruch. Die Nutzerstatistik der digitalen ARD-Audiothek belegt exemplarisch: Formate wie WDR 3 Hörspiel erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie gehören bisweilen zu den meistgenutzten Audio-Serien-Formaten der einzelnen Sender.

Eine der größten Förderinnen der Kunstform Hörspiel war bisher die Film- und Medienstiftung NRW in Düsseldorf. Die 1991 gegründete GmbH gilt mit ihrem Volumen von 35 Millionen Euro zu den bedeutendsten Förderhäusern in Europa. Ein Großteil davon fließt in Film- und Fernsehproduktionen, doch 100.000 Euro nutzte man, um kleinere und große Hörspielprojekte zu unterstützen. So geringfügig dieser Bruchteil auch scheint, ist er von herausragender Bedeutung für die deutschlandweite Hörspiel-Szene. Allein im Jahr 2022 wurden 15 Hörspiele direkt gefördert, ebenso wie Veranstaltungen, Festivals und der Hörspielpreis der Kriegsblinden.

Viele Au­to­r*in­nen könnten ihre Arbeit für das Hörspiel nur dank der Förderungen der Film- und Medienstiftung aufrechterhalten, sagt Martin Stengel der taz. Stengel ist selbst Autor und Journalist, darüber hinaus Veranstalter des jährlichen Festivals „Hörspielwiese“ in Köln.

Seit dem 28. Juni dieses Jahres ist Stengel außerdem Verfasser eines Offenen Briefs, der in der Medienszene in Deutschland zu Aufsehen und Besorgnis geführt hat. Darin bittet Stengel – und mit ihm bereits fast 1.000 Unterzeichnende – die „Hörspielförderung, die auch für die Förderung von Features zuständig ist, zu retten“. Der neue Geschäftsführer der Stiftung, Walid Nakschbandi, habe diese faktisch mit sofortiger Wirkung abgeschafft, heißt es dort. Nakschbandi, seit dem 1. Januar 2024 Geschäftsführer, hat vorher jahrelang in verschiedenen Positionen bei der Verlagsgruppe Holtzbrinck gearbeitet und ist ein berüchtigter Fernsehproduzent.

Der Offene Brief führt weiter aus: „Nicht nur wurde die zuständige Mitarbeiterin von ihren Förderaufgaben entbunden, wodurch es kei­ne:n An­sprech­part­ne­r:in mehr für (laufende) Förderprojekte gibt, auch wurde das Hörspielforum NRW […] abgesagt.“ Auf der Homepage der Stiftung findet man den Namen der Referentin, Anke Morawe, obwohl sie dem Vernehmen nach seit Ende Februar nicht mehr zuständig ist. Versucht die Film- und Medienstiftung, diese Causa zu verschweigen? Und wenn ja, warum? Wie kommt es zu diesem Vorgehen, wo doch ein ausdrücklich formulierter Auftrag zur Hörspielförderung durch die vier Gesellschafter, das Land NRW und der WDR (je 40 Prozent) sowie ZDF und RTL (je 10 Prozent), besteht? Alle vier Gesellschafter halten sich bedeckt, keiner hat sich bei Martin Stengel gemeldet.

Viele Au­to­r*in­nen könnten ihre Arbeit für das Hörspiel nur dank Förderungen aufrechterhalten

Doch Stengel scheint mit seinem öffentlichen Brief, der unter pro-hoerspiel.de aufzurufen ist, einen Nerv getroffen zu haben: Etliche namhafte Autor*innen, Medien- und Kulturschaffende und Größen des Hörfunks haben unterschrieben; darüber hinaus habe er schon „E-Mails im vierstelligen Bereich“ beantworten müssen. Die Szene zeigt sich in großer Sorge.

Walid Nakschbandi hat sich wenige Tage nach der Veröffentlichung des Briefs bei Stengel telefonisch gemeldet. Dies hat die Stiftung am folgenden Tag gegenüber dem Evangelischen Pressedienst verlautbaren lassen, außerdem möchte Nakschbandi die „Missverständnisse aus dem Weg geräumt“ haben. Dass wirklich etwas geklärt worden wäre, dementiert Stengel nicht nur, sondern betont, dass er an seiner Kritik festhalte: „Herr Nakschbandi hat mir gegenüber keine konkreten Maßnahmen formuliert.“ Auch eine Anfrage der taz blieb von der Film- und Medienstiftung unbeantwortet. Warum man so ausgerechnet im Festjahr des Hörspiels verfährt, scheint niemand beantworten zu können – oder zu wollen.