Urlaub am Wochenende: Kurz mal Norddeutsch-Kalifornien

Von Hamburg aus kann man mit dem Zug ans Meer fahren – zum Beispiel nach Travemünde. Andere Strände sind da schon schwerer zu erreichen.

Der Strand von Travemünde an der Ostsee

Kann bei schönen Wetter schon mal voll werden: der Strand von Travemünde Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Wenn man nur die weiße Schrift auf der blauen Anzeigetafel sieht, stiehlt sich gleich ein klitzekleiner Hauch von guter Laune in das Gemüt der Bahnreisenden am Hamburger Hauptbahnhof: Bis Travemünde Strand, tatsächlich, fährt im Sommer stündlich ein Zug. Meist von Gleis 6, neun Haltestellen, dann rollt schon der Zug zum „Strandbahnhof Travemünde“. Von dort sind es nur ein paar Meter bis zur Strandpromenade, ein paar Treppenstufen bis zum Sand. Man möchte sich kneifen, aber nein, es stimmt. Wir stehen echt am Meer.

Die „Gehst-du-mit-mir-schwim­men?“-Frage wurde schon auf der 80-minütigen Fahrt zur Ostsee im Zug durch die grünen Wiesen Schleswig-Holsteins durchgekaut. Am besten immer sofort rein ins Meer und nicht lange zögern. Vorn in Ufernähe liegen spitze Steinchen am Grund. Da bietet sich der Einstieg über den Badesteg an. Und uah! 18 Grad sind nicht warm. Aber so kalt auch wieder nicht. Und nach dem Abtrocken kribbelt die Haut so angenehm.

Ein Tagesausflug ans Meer

Es ist nur ein Tagesausflug, und es ist „nur“ Travemünde. Schon beim ersten Blick auf Wasser – es sind wirklich nur 300 Meter vom Bahnhof – lassen die armeeförmig in Reih und Glied angeordneten Strandkörbe mit ihren einheitlich nach Osten ausgerichteten rot-weißen Markisen ein Gefühl von Kleinheit aufkommen. Monströs überragt der Hochhausturm des Hotels Maritim die historische Strandanlage. Aus östlicher Richtung kommt ein „Umta, umta“, Jahrmarktmusik und weiße Zeltbuden bremsen den Erkundungsdrang.

Also spazieren wir Richtung Westen das Strandufer entlang. Die pilzförmigen DLRG-Rettungshäuschen wirken wie kompetente Beschützer, erinnern in ihrer Form aber auch an alte Grenztürme. Früher begann am Ostufer der Travemündung die DDR.

Nach ein paar hundert Metern endet die Strandkorbzone. Es beginnt ein Abschnitt, den die Menschen frei nutzen können. Dann verjüngt sich die Sandfläche, und ein Yachtclub versperrt den Zugang, allerdings führt eine schmale Promenade am Wasser daran vorbei. Und dahinter, am „Hundestrand“, wird es richtig idyllisch. Hier führt auch ein Wanderweg ein Steilufer hinauf. Unten können die Urlauber sich mit dem Rücken an den gemauerten Sockel lehnen und im Schatten der Uferbäume aufs Meer schauen, der Fähre nach Finnland hinterher. Sofern der Duft von Selbstgegrilltem nicht stört.

Abseits des Massentourismus

Wem allerdings bereits der Anblick so eines Strandkorbeinerleis aufs Gemüt schlägt und wer den Massentourismus nicht so mag, der findet schon auch ein idyllischeres Ziel am Meer. Von dem aber kündet keine Leuchtanzeige am Hamburger Hauptbahnhof. Es ist ein bisschen tricky, dorthin zu kommen ohne Auto.

„Kalifornien“ muss man in die Suchmaske der DB-App eingeben. Tatsächlich, so heißt der Ort immer Richtung Norden von Hamburg im Ostseebad Schönberg. Benannt nach einer Schiffplanke, so heißt es, die ein Fischer an der Ostsee fand und vor seine Tür nagelte.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Zuerst lotst einen die Fahrplanauskunft in die Regionalbahn 70 nach Kiel und dann dort in die Busline 200. Über Stock und Stein und 35 Haltestellen in Dörfern mit Namen wie Muxall, Passade und Fiefbergen bringt der blaue Linienbus der Plöner Verkehrsbetriebe den sonnenhungrigen Fahrtgast in 55 Minuten nach „Kalifornien Mittelstrand“. Gesamtfahrtzeit ab Hamburg: mindestens zweieinviertel Stunden.

Das wird dann aber auch belohnt. Ein Bäcker, ein Fischstand, ein Fahrradverleih, ein kleiner Kaufmann, ein Hotel und ein Minigolfplatz. Sonst ist hier nicht viel los. Die Treppe rauf auf den grünen Deich, und man sieht das Wesentliche: Strand und Meer, soweit das Auge reicht.

Die Sandbank als Belohnung

Bis in die 1980er gab es hier an der Ostsee einen dünnen Strandstreifen, zu sehen auf alten Postkarten, geschützt von einem kleinen Deich. Doch dann wurde zum Schutz der Küste der Strand mit einem großen Deich überbaut. Und davor wurde neuer Sand aufgespült. Gehalten wird er am Ufer von zahlreichen Buhnen – Wälle aus großen Steinen, die in die Ostsee ragen. So entstanden auf einer Länge von über neun Kilometern 48 kleine Buchten, in die Ende der 1980er über eine halbe Million Kubikmeter feiner Sand gespült wurde.

Zum Baden ist das toll. Wer sich ins Wasser traut und ein paar Züge schwimmt, wird nach wenigen Metern mit einer Sandbank belohnt, wo ferienfreudige Kinder unter Wasser ihren Handstand mit Überschlag machen können.

Das Licht, die Farben, blauer Himmel, grünes Meer, hellgelber Sand, all das hebt die Urlaubslaune. Die mit grünen Dünen zum Ufer hin geschützten Buchten bieten großzügig Platz, ihre Strände sind selten überlaufen. Auch wenn hier und dort mal ein Strandkorb steht, ist das kein Vergleich zu den Korbkolonien in der Travemünder Ecke.

Was daran liegen mag, dass die Gegend mit dem öffentlichen Nahverkehr nur umständlich zu erreichen ist.

In der Mitte dieser langen Buchtenkette liegt Kalifornien. Zu sehen ist es an den großen Nummern im Asphalt, wenn man mit dem Rad die autofreie Küstenpiste hinter den Dünen entlangfährt. Da künstlich entstanden, sehen diese Buhnenfelder alle recht ähnlich aus, da helfen die Nummern zur Orientierung.

Der Nachbarort von Kalifornien ist Schönberger Strand. Dort gibt es nicht nur eine Seebrücke ins Meer, sondern auch wieder nur 300 Meter vom Ufer entfernt einen Strandbahnhof. Seit seiner Schließung 1974 fristet er ein Dasein als Museumsbahnhof.

Mehr Bahnen hin zum Wasser

Das soll sich ändern. Bereits seit 2009 ist die Rede davon, dass die „Heinschönberg“ getaufte Verbindung nach Kiel wiederbelebt wird. Ende 2027, so verspricht das schleswig-holsteinische Verkehrministerium, könnte es so weit sein. Dann fährt eine RB 76 von Kiel über Fiefbergen nach Schönberger Strand in 35 Minuten. Dann dauert die ganze Anreise in einem Rutsch von Hamburg Hauptbahnhof über Kiel bis zum Strand vielleicht deutlich unter zwei Stunden, wäre also schnell genug für einen Tagesausflug aus der Stadt raus ans Meer.

Heute schon bieten sich für die Tagesreise neben Travemünde die Ostseetouristenorte Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Haffkrug und Sierksdorf an, die von Hamburg aus nach Umstieg in Lübeck mit der „Bäderbahn“ auch schnell erreichbar sind. Ginge es nach dem Verband „Pro Bahn“, würde bald halbstündlich ein Zug von Hamburg an die Travemündung durchbrausen. Der zweite Zug ab Lübeck fährt eh.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.