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Streit um MieterhöhungKein Bock auf Mietspiegel

Berlins landeseigene Wohnungsfirmen begründen Mieterhöhungen in Einzelfällen auch mit Vergleichswohnungen. Aktuell ist das bei der WBM passiert.

Der Mietspiegel soll die Basis für die Miete einer Wohnung sein. Das ist aber nicht immer so Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Ende Mai hat der Berliner Senat den qualifizierten Mietspiegel veröffentlicht. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) mit ihren rund 34.000 Wohnungen hat das Zeitfenster, bis der neue Mietspiegel vorlag, noch schnell genutzt. Mitte Mai erhöhte das landeseigene Unternehmen die Miete einer Wohnung in Spandau ohne Rückgriff auf den Mietspiegel – obwohl gerade die Landesunternehmen dazu angehalten sind, den vom Land Berlin veröffentlichten Mietspiegel zu verwenden.

Die Mieterhöhung in der Spandauer Goltzstraße liegt der taz vor. Rund sieben Prozent muss eine Mieterin dort nun mehr für ihre Wohnung bezahlen. Die WBM begründet die Mieterhöhung mit den Mieten von fünf Vergleichswohnungen – Wohnungen, die in Größe, Zimmerzahl, Ausstattung und Lage ähnlich sind.

Das ist zwar zulässig. Auch handelt es sich dabei um einen 2018 fertiggestellten Neubau, für den im vorigen einfachen Mietspiegel noch keine Daten vorlagen. Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) kritisiert aber: „Die WBM hätte einfach zwei Wochen warten können, bis der neue Mietspiegel veröffentlicht wird. Sie wusste, dass dieser kommt, und wusste auch bereits, wie dieser ausfällt.“

Warum die WBM das nicht getan hat, beantwortet ihr Sprecher Matthias Borowski nicht. Er sagt aber: „Ein Blick in den neuen Mietspiegel zeigt, dass die von uns herangezogenen Vergleichsmieten nicht über den dort angegebenen ortsüblichen Vergleichsmieten liegen.“

Sechs landeseigene Wohnungsgesellschaften

Auch Marcel Eupen bestätigt, dass je nach Wert, den man anlegt, die Erhöhung auch mit dem neuen Mietspiegel gerechtfertigt gewesen wäre. Für ihn macht die Erhöhung auf Basis der Vergleichswohnungen aber ein grundsätzliches Problem deutlich. Sowohl in der Kooperationsvereinbarung mit den landeseigenen Unternehmen – neben der WBM noch fünf andere mit insgesamt rund 360.000 Wohnungen – als auch im Mietenbündnis habe man sich auf den Mietspiegel als Instrument für Mieterhöhungen geeinigt. „Gerade die landeseigenen Unternehmen täten gut daran, dann auch den Mietspiegel des Landes zu verwenden“, sagt er.

Denn der Mietspiegel macht es letztlich auch für die Mieter relativ einfach überprüfbar, ob eine Erhöhung gerechtfertigt ist. Wenn aber Vergleichswohnungen herangezogen werden, laufe das auf ein „Friss oder stirb“ hinaus, meint Eupen. „Ein Mieter kann ja nicht einfach dort klingeln und fragen: Zeigen Sie mir mal Ihre Wohnungen.“

Einen generellen Trend, immer öfter bei Mieterhöhungen auf Vergleichswohnungen zu verwiesen, sieht Eupen allerdings nicht. Auch von der WBM heißt es, dass im Mai kurz vor der Veröffentlichung des neuen Mietspiegels keine weiteren Mieterhöhungen auf Basis von Vergleichswohnungen verschickt worden seien.

Dennoch hat es in den vergangenen Jahren auch in Spandau immer mal wieder solche Mieterhöhungen gegeben. 2022 hatte die gleichfalls landeseigene Gewobag im Projekt Waterkant unter Berufung auf Vergleichswohnungen die Miete in einem Neubauprojekt erhöht. Das private französische Unternehmen Covivio nutzte vergangenes Jahr sogar Vergleichswohnungen in Kreuzberg und Mitte, um die Miete einer Wohnung am Brunsbütteler Damm in Spandau zu erhöhen.

WBM: Verfolgen faire Mietenpolitk

Die WBM hat 2023 laut ihrem jüngsten Geschäftsbericht 462 Wohnungen fertiggestellt. Rund 1.200 weitere seien im Bau. Die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter betrage 6,51 Euro. Als Teil ihres Selbstverständnisses gibt die WBM an: „Wir verfolgen eine faire Mietenpolitik und schaffen sicheren, bezahlbaren Wohnraum in guter Qualität – unter Berücksichtigung von Bedarfen und unternehmerischen Anforderungen gleichermaßen.“

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10 Kommentare

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  • Komisch.

    Hatten wir nicht mal eine Republik ohne Wohnungsnot und ohne Arbeitslosigkeit ?

    • @Bolzkopf:

      Welche war das? Die mit den zugewiesenen Wohnungen für die Nomenklatura?

    • @Bolzkopf:

      Meinen Sie die mit Mauern, Panzern und Todesurteilen gegen Demonstranten?

  • Es ist nun mal ein Mythos, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seien die Guten.

    Die schöpfen auch, wo sie können bzw. dürfen.

    Deshalb ist die Enteignungsgeschichte sinnfrei.

    • @rero:

      Die städtische Hamburger Saga schüttet in den kommenden Jahren 350 Millionen an den Hamburger Haushalt aus.



      Die landeseigene Wohungsbaugesellschaft profitiert massiv an den enorm gestiegenen Mieten. Folge: selbst Saga-Mieten sind viel zu hoch.

      taz.de/Stadtentwic...-Hamburg/!5886239/

      • @Lindenberg:

        Warum sind die zu hoch? Auch fleißige Steuerzahler finden es gut, wenn der Mietadel nicht zu sehr alimentiert wird.

        • @eicke81:

          Wer ist denn "Mietadel" ?

  • Die Möglichkeit, Vergleichswohnungen als Referenz zu Nutzen hat uns Rot-Rot-Grün mit dem Abenteuer "Mietendeckel" eingebrockt. Erst hierdurch wurde es möglich, dass Berlin eine Zeit lang keinen qualifizierten Mietspiegel hatte. Vergleichsmieten haben nicht nur die großen Wohnungsgesellschaften zur Begründung von Mieterhöhung genutzt.

    Glückwunsch zum Neuland.

    • @DiMa:

      Sorry, aber das ist Unsinn! Vergleichsmieten konnten auch früher schon für Mieterhöhungen verwendet werden. Mit der Erstellung des qualifizierten Mietspiegels hatte das nichts zu tun.

      Das Problem in Berlin ist, dass Mietangebote schon seit Jahren, nicht erst seit der Diskussion um den Mietendeckel, oft höher liegen als der qualifizierte Mietspiegel.

      Grundsätzlich war es für Mieterhöhungen nicht einmal essentiell, ob es sich um einen qualifizierten oder einfachen (weil zu lange fortgeschriebenen) Mietspiegel handelte.

      Ich vermiete selbst Immobilien in Berlin, deren Miete allerdings seit Jahren(!) unter dem Mietspiegel liegen. Von mir aus können wir in Berlin aber gerne auf Kappungsgrenze und Mietpreisbremse verzichten. Viele Vermieter würden sich freuen und die Mieten noch kräftiger anheben als bisher.

      • @Aurego:

        Solange es einen "qualifizierten Mietspiegel" gibt muss dieser genutzt werden (Folge aus § 558 d Abs. 3 BGB und der hierzu ergangenen Rechtsprechung).

        Nur wenn es einen einfachen Mietspiegel gibt hat der Vermieter die Wahl, ob er diesen nutzt oder den Nachweis des Vergleiches anderweitig begründet.