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Österreich nach der EuropawahlÖsis, wacht auf!

Kommentar von Florian Bayer

Die rechtspopulistische FPÖ räumte bei den EU-Wahlen in Österreich ab. Damit ist der Weg zu einer autokratischen Regierung im Stile Orbáns geebnet.

Gefährlicher Jubel des FPÖ-Ösis Harald Vilimsky Foto: Helmut Fohringer/apa/dpa

A m Ende kam es nicht ganz so krass wie in der ersten „Trendprognose“, die sechs Stunden lang in ORF und Co durchdekliniert wurde. Aber auch das finale EU-Wahlergebnis ist deutlich: Die rechtsradikale FPÖ landete mit 25,5 Prozent auf Platz eins. Zum ersten Mal überhaupt in einer bundesweiten Wahl. Österreich muss sich für die Nationalratswahl im Herbst warm anziehen.

Eine Niederlage ist das Ergebnis für die SPÖ (23,3 Prozent), die unter Andreas Babler eigentlich neu durchstarten wollte. Noch bitterer aber für die ÖVP (24,7 Prozent), die fast zehn Prozentpunkte verloren hat. Bei ihr zeigt sich: Der Versuch, die FPÖ rechts außen zu überholen, geht schief. Egal ob es um eine Halbierung der Asylbewerber-Taschengelder oder um geforderte Abschiebungen nach Afghanistan geht.

Die Stärke der FPÖ ist auch ein Medienversagen. Statt Antworten auf drängende Fragen einzufordern – etwa zur überfälligen Rentenreform, Schule oder Gesundheitssystem –, lässt man viel zu oft die Rechtsaußenpartei die Themen vorgeben. Oder diskutiert deren jüngste Pöbeleien statt Inhalte.

Die Stärke der FPÖ ist aber auch eine Schwäche der anderen Parteien. Wofür die SPÖ steht, etwa bei Klimaschutz und Zuwanderung, weiß heute keiner so genau. Die ÖVP hat verabsäumt, einen klaren Strich unter die Kurz-Jahre zu ziehen und verrennt sich in Antimigrationsrhetorik.

Die Grünen haben in der „Affäre Schilling“ – der Spitzenkandidatin Lena Schilling wurden Lügen vorgeworfen – bewiesen, dass auch sie längst Altpartei sind. Statt die Vorwürfe aufzuklären, mauerten sie. Auch die Bilanz der schwarz-grünen Bundesregierung ist durchwachsen. Bis heute fließt russisches Gas nach Österreich. Bis heute gibt es keine Debatte über die heilige Kuh Neutralität. Und bis heute fehlen Antworten auf wichtige Fragen.

Zudem übersieht und ignoriert die Regierung, dass sich viele das immer teurere Leben nicht mehr leisten können. Dank erst fehlender, dann falscher Maßnahmen war die Inflation nirgends in Westeuropa so hoch wie in Österreich. Auch das treibt die Wähler zur FPÖ. Am Ende fehlt es den früheren Großparteien vor allem an einer Zukunftsvision. Außer den Freiheitlichen, die sehr klar machen, wohin die Reise mit ihnen geht: Richtung Ungarn und der dortigen autokratischen Orbán-Regierung.

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Korrespondent Wien
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8 Kommentare

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  • Die Art und Weise, wie die Grünen ihre Kandidatin gegenüber rechtem Schmutz in Österreich verteidigt haben, sollte den deutschen Grünen eine Lehre sein, denn: stolz 3% verlieren ist immer noch besser als stumm 8% einbüßen. Warum tun die Grünen hierzulande nichts dagegen, wenn andere sie zum Sündenbock für alles machen?

  • So lange der "Volkskanzler" in seinem Land bleibt und nicht wieder über Bayern bei uns in den Reichstrag einzieht mache ich mir keine Sorgen.

  • Österreich hat sowieso noch fast 100% russisches Gas, das passt schon gut in den Autokratenzirkel.

  • "Die rechtspopulistische FPÖ räumte bei den EU-Wahlen in Österreich ab. Damit ist der Weg zu einer autokratischen Regierung im Stile Orbáns geebnet."

    Ernsthaft? Weil die FPÖ bei der unwichtigsten nationalen Wahl knapp !25! % gemacht hat ist die Demokratie in Gefahr? Gehts nicht auch ein wenig kleiner? Alarmismus hilft gar keinen.

    • @Generator:

      Ich unterstelle jetzt mal (und entschuldige mich, falls es nicht so sein sollte), daß sie aus den nördlichen Regionen Deutschlands stammen und vielleicht noch relativ jung sind. Wen sie hautnah die Entwicklung der FPÖ seit Jörg Haider verfolgt hätten wären Sie ansonsten vielleicht auch beunruhigt, daß eine offensichtlich rechtsradikale Partei die Führung in einem mitteleuropäische Land übernimmt, egal mit welchem Prozentsatz und egal bei welcher Wahl.

      • @Josef 123:

        Ich bin aus Salzburg und 48 Jahre alt. Und wir hatten die FPÖ schon mehrmals in der Regierung. Und 1999 hatten sie auch schon mehr Stimmen als heute.

        Und von damals wissen wir, dass man mit 25 % die Republik nicht umbauen kann.

    • @Generator:

      Schon mal vom Projekt 2025 gehört? Das wird bei einem Erfolg von Trump die Blaupause für seine europäischen Anhänger sein. Orban, Putin, PIS und Trump sind für die AFD und Co. Vorbilder im scheibchenweise Unterwandern von demokratischen Institutionen. In den USA ist der Supreme Court dank Trump beispielsweise schon korrumpiert. Und wie es in Ungarn und Russland aussieht kriegen wir ja jeden Tag zu sehen.

    • @Generator:

      Die Prognosen für die NR-Wahl sind leider auch nicht besser, voraussichtlich kann die FPÖ dort auch noch mehr Wähler mobilisieren…mir schwant Grauenhaftes für Felix Austria, so schade