Lithium als Zeitbombe für Gewässer

Schon geringe Konzentrationen des begehrten Metalls vergiften die Umwelt in den Abbauregionen

Von Jürgen Vogt, BUENOS AIRES

Kaulquappen, die erhöhten Konzentrationen von Lithium ausgesetzt sind, weisen starke Vergiftungen auf. Das zeigen argentinische Wis­sen­schaft­le­r*in­nen in einer Studie.

Die For­sche­r*in­nen setzten die Tiere Lithiumbelastungen aus, wie sie bei der Ausbeutung des Alkalimetalls in den Gewässern des sogenannten Lithiumdreiecks von Argentinien, Chile und Bolivien entstehen. „Die Veränderungen liefern den ersten Beweis für die Ökotoxizität von Lithium bei in Argentinien einheimischen Arten“, so ihre Schlussfolgerung. Amphibien gelten als Indikatoren für die Wirkung von giftigen Stoffen in Gewässern.

Der expandierende Abbau von Lithium stellt nach Ansicht der Au­to­r*in­nen eine „Zeitbombe“ für die lokalen Wassersysteme dar. Der Stoff ist ein wichtiger Bestandteil in Batterien, die für Elektroautos und Photovoltaik, aber auch für Mobilgeräte gebraucht werden, ist also für die Dekarbonisierung der Wirtschaft wie auch für die Digitalisierung essenziell.

Im Lithiumdreieck wird es aus unterirdischen Salzseen gewonnen. Bei der Direktextraktion werden riesige Mengen Süßwasser verbraucht – was bislang auch der hauptsächliche Kritikpunkt war. Mit der Untersuchung der Kaulquappen wollten die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen nun herausfinden, ob der Abbau auch andere Folgen für die Umwelt hat. Bisher habe es nur Studien gegeben, wie sich die erhöhte Lithiumkonzentration auf Flamingopopulationen auswirkt, sagte Rafael Lajmanovich von der Universität Litoral der Zeitung La Capital. Anders als etwa Glyphosat, dessen Wirkung weltweit erforscht wird, handle es sich bei der Lithiumbelastung um ein lokales Phänomen, da der Stoff nur an wenigen Stellen vorkomme.

Die For­sche­r*in­nen wollten nun eine „Bewertung der akuten Letalität und der chronischen subletalen Wirkungen von Lithium“ an Kaulquappen der in ganz Südamerika verbreiteten argentinischen Kröte als Modellorganismen vornehmen. Die Tiere wurden unterschiedlichen Lithiumkonzentrationen ausgesetzt. Bei der höchsten Belastung, die der üblicherweise an den Bergbaustandorten gemessenen Konzentration entspricht, zeigten die Kaulquappen laut der Studie nach einer Woche Exposition „eine signifikante Mortalität“. Aber auch schon geringere Konzentrationen, die als „umweltverträglich“ gelten, hätten schwerwiegende Reaktionen hervorgerufen. Das weise darauf hin, dass Lithiumverseuchungen unmittelbare Auswirkungen haben, so Lajmanovich. Auch DNA werde verändert. Neben der Verwüstung des Landes seien damit beim Lithiumabbau auch schwerwiegende Schäden für Fauna, Flora und die Bevölkerung zu erwarten.