Weltmenstruationstag am 28. Mai: Ich blute, also bin ich
Etwa zwei Milliarden Menschen menstruieren. „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“ zeichnet die Diskurse der letzten Jahrzehnte nach.
Doch Wittenzellner erzählt, dass es sich um einen sogenannten Bindenverbrennungsautomaten handelt. Oben kamen die gebrauchten Binden hinein, sie wurden im Gerät verbrannt, am Ende blieb Asche übrig. Klingt wie aus fernen Zeiten. „Aber“, so sagt Jana Wittenzellner, „der Automat hing tatsächlich bis 2014 in einem süddeutschen Gymnasium. Wie das Ganze roch, wissen wir nicht. Aber das Gerät war wohl laut.“ Jemand hat mit einem Edding „Achtung, ekelhaft!“ auf das Gerät geschrieben.
Den Fokus auf die Müllberge zu lenken, die weltweit verwendete Menstruationsprodukte hinterlassen, ist anfangs etwas irritierend. Doch Jana Wittenzellner und Christine Dupont vom Haus der Europäischen Geschichte in Brüssel führen durch die Ausstellung und betonen, dass die Periode „bis vor 140 Jahren eine rein private Frage“ war. Denn erst seit 1880 gibt es erste Menstruationsprodukte zu kaufen. So kam 1893 ein Bindengürtel auf den Markt.
Was im Umkehrschluss bedeutet: „Früher haben Frauen ihre oft selbst gemachten Hilfsmittel immer wieder gewaschen und immer wieder verwendet.“ Müll kam erst mit der Erfindung von massenhaft und industriell hergestellten Menstruationsprodukten auf – beides ist demnach eng miteinander verknüpft.
Am Dienstag findet wie jedes Jahr am 28. Mai der Internationale Tag der Menstruationshygiene (Menstrual Hygiene Day) statt, der auch Weltmenstruationstag genannt wird. 2014 durch die in Kreuzberg ansässige Wash United gGmbH ins Leben gerufen, soll der Aktionstag durch die öffentliche Wahrnehmung von Menstruation mitsamt den global unterschiedlichen Bedingungen aufklären und zur Entstigmatisierung beitragen. (heg)
Algen zu Tampons
Die Ausstellung und mit ihr die Führung gleicht einer Zeitreise von frühen Kleidungsstücken, die umgebunden, festgezogen oder sonst wie oft in mehreren Lagen übereinander angezogen wurden – das lässt sich vor Ort ausprobieren. Die verschiedensten Materialien kamen und kommen zum Einsatz, immer wieder könnte man sagen. Mal wurde mit Moos oder Holzwolle, mal mit Baumwolle oder Watte (wie in der DDR) oder mit Schwämmen und ganz aktuell mit Algen (für Tampons) gearbeitet.
Und eben immer wieder Menstruationstassen: Eine erste wiederverwendbare Variante wurde 1937 patentiert, kam auf den Markt, setzte sich aber nicht durch. 1980 kam die Idee wieder auf, doch diesmal als Wegwerfprodukt. „Acht Stück waren in jeder Packung“, erklärt Jana Wittenzellner. Das hat sich aber auch nicht durchgesetzt. Seit dem Jahr 2000 haben die Menstruationstassen aber an Popularität gewonnen.
Die Ausstellung ist voller solch spannender Geschichten. Sie sind gesellschaftlich relevant und aktueller denn je, und haben eine politische Komponente. Darauf weist Sofia Botvinnik, ebenfalls Kuratorin der Ausstellung, im Gespräch mit der taz hin. Warum braucht es eine solche Ausstellung?
„Warum nicht, lautet da meine Gegenfrage“, erwidert Botvinnik. „Wir sind ein Museum der Alltagskultur und Menstruation ist ein alltägliches Phänomen für die Hälfte der Menschheit. Und der heutige Thementag steht unter dem Motto: Period of Change: Es muss sich was ändern!“
Menstruationsprodukte ganz umsonst
Sofia Botvinnik sieht großen Änderungsbedarf: Rund um die Menstruation gäbe „es viele Diskurse“, die würden in der Ausstellung thematisiert. „So viele Räume bleiben Menstruierenden verschlossen, so viele Entscheidungen muss man treffen, viel Leid kann dadurch entstehen, es gibt Schmerz und Scham, aber auch Innovation und Einfallsreichtum durch viele Erfinderinnen, die Menstruationsprodukte kreieren,“, erklärt Botvinnik.
Ein Beispiel für Letzteres ist die Senkung der Mehrwertsteuer von früher 19 und nun nur noch 7 Prozent für Menstruationsprodukte. Andere Länder wie Schottland sind längst viel weiter, wie Sofia Botvinnik sagt. „Dort gibt es Menstruationsprodukte ganz umsonst in öffentlichen Toiletten wie es ja auch Toilettenpapier umsonst gibt. Genau das wäre auch hierzulande wünschenswert.“
Erstrebenswert wäre auch etwas anderes und das ist an den Berliner Senat adressiert: „In den Schultoiletten, egal ob bei den Jungs oder den Mädchen, in allen, sollte es verschiedene Menstruationsprodukte kostenlos geben.“ Dies erleichtert vielen jungen Frauen den Alltag, wenn sie einmal keinen Tampon zur Hand haben.
Die Ausstellung ist bis 6. Oktober 2024 im Museum Europäischer Kulturen, Arnimallee 24, Berlin-Dahlem zu sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen