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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Russische Truppen rücken vor

Russland fliegt schwere Luftangriffe auf Charkiw. Selenskyj lobt die ukrainische Flugabwehr. Doch die Probleme der Ukraine an der Front halten an.

In der Ukraine wird heute Ostern gefeiert, doch der Krieg geht weiter – Gottesdienst am Sonntag in Kostiantynivka Foto: reuters

Medien: Russisches Militär erobert weitere Ortschaft in Donezk

Russische Truppen rückten laut Medienberichten im Osten der Ukraine weiter vor. Das russische Militär habe die Siedlung Archanhelske besetzt, berichtete die ukrainische Nachrichtenagentur Unian am Samstag unter Berufung auf den bekannten Militär-Telegramkanal „DeepState“. Russische Militärblogs hatten die Eroberung bereits einige Stunden zuvor gemeldet. Offiziell gab es zunächst aus Kiew keine Reaktion zu den Berichten über den Verlust einer weiteren Ortschaft.

Archanhelske liegt etwa 15 Kilometer nördlich von Awdijiwka. Seit dem Verlust der Stadt gelang es Kiew nicht, die Front in dem Abschnitt zu stabilisieren. Grund sind anhaltende Probleme bei der Waffen- und Munitionsversorgung durch das lange Ausbleiben der westlichen Hilfslieferungen. Der zunächst als neue Verteidigungslinie geplante Raum zwischen Sjewerne, Orliwka und Berdytschi ist inzwischen unter russischer Kontrolle.

Auch der Versuch, die Russen vor Otscheretyne zu stoppen, scheiterte. Nach Ansicht von Experten der US-Denkfabrik ISW können die russischen Angreifer nun wählen, ob sie weiter nach Westen auf die Kreisstadt Pokrowsk vorrücken oder gen Norden ziehen, um den Druck auf das strategisch wichtige Tschassiw Jar bei Bachmut zu verstärken. (dpa)

Selenskyj lobt nach russischen Luftangriffen eigene Flugabwehr

Auch aus der Luft sieht sich die Ukraine weiter schweren Angriffen ausgesetzt. Die Millionenstadt Charkiw im Osten des Landes wurde innerhalb eines Tages gleich dreimal von schweren Angriffswellen erschüttert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lobte trotz einer Reihe von Einschlägen die eigene Flugabwehr. „Heute hatten unsere Verteidiger des Himmels den ganzen Tag über viel Arbeit“, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Beschuss habe es in Charkiw, Odessa und im Gebiet Donezk gegeben.

„Besonders hervorheben möchte ich die 110. mechanisierte Brigade für den Abschuss einer weiteren russischen Su-25 über dem Gebiet Donezk heute“, sagte Selenskyj. Eine unabhängige Bestätigung für den Abschuss des Kampfflugzeugs gab es zunächst nicht. Selbst der ukrainische Generalstab hatte in seinem Lagebericht zuvor nur das Abfangen einer russischen Lenkwaffe vom Typ Ch-59 als Erfolg für die Flugabwehr vermeldet.

Selenskyj selbst wies im Laufe des Ukraine-Kriegs wieder auf die Probleme der Flugabwehr aufgrund des Mangels an Munition und modernen Systemen hin. Trotz der weiter schwierigen Lage an der Front sowie den Schäden und Verletzten in den Städten nach den russischen Luftangriffen demonstrierte Selenskyj diesmal allerdings Zuversicht. Russland könne zum Frieden nur gezwungen werden. Dies werde aber gelingen dank der Stärke des ukrainischen Volkes und dem internationalen Zusammenhalt, sagte er Bezug nehmend auf die Unterstützung des Landes durch westliche Partner. (dpa)

Russland schreibt Selenskyj zur Fahndung aus

Derweil schrieb Russland Selenskyj russischen Nachrichtenagenturen zufolge zur Fahndung aus. Strafrechtlich gesucht werde Selenskyj, geboren 1978 in Krywyj Rih, Gebiet Dnipropetrowsk, Ukraine, heißt es dort. Den Grund für die Verfolgung nannte das Innenministerium im Fahndungsaufruf nicht. Später wurde bekannt, dass auch Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko und der Chef der ukrainischen Heerestruppen, Olexander Pawljuk, zur Fahndung ausgeschrieben sind. (dpa)

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4 Kommentare

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  • Ich fürchte, es wird sich das Bestätigen, was ich als militärischer Laie schon vor längerer Zeit vorhergesehen habe.

    "Der Westen" kann noch so viele Waffen in die Ukraine schicken - es bleibt eine Illusion, anzunehmen, dass die Russische Regierung sich den (sicher berechtigten) Forderungen der Ukrainer beugen wird und sang und klanglos seine Truppen aus den besetzten Gebieten abzieht.

    Da hilft dann auch der Ruf nach Gerechtigkeit nichts, es sei denn, man wäre bereit immwahrsten Sinne des Wortes den eigenen Kopf dafür hinzuhalten, weil einfach keine Ukrainer*innen mehr da sind, die die Waffen bedienen können.

    Die Theorie der deutschen Talkshow-Strategen, dass der Krieg zumindest so lange fortgesetzt werden muss, bis die Ukraine gegenüber dem Russischen Aggressor in eine stärkere Verhandlungsposition kommt, geht möglicherweise nach hinten los.

    Die Grundannahme bei all den Überlegungen war, dass die Ukrainische Armee die Russische dank der westlichen Unterstützung schon irgendwie zurückdrängen wird.

    Übersehen wurde dabei, dass die die große Zahl getöteter Ukrainischer Soldaten nicht so ohne weiteres zu ersetzen ist.

    Zu befürchten ist, dass es unausgesprochen für viele der Entscheidungsträger nur noch darum geht nicht das Gesicht zu verlieren, koste es was es wolle - so lange es nicht das eigene Leben ist.

    Bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens hinter den Kulissen nach realistischen Verhandlungslösungen jenseits der (sicher berechtigten) Ukrainischen Maximalforderungen gesucht wird.

    Recht haben und Recht bekommen ist eben oft zweierlei... den blutigen Preis in Kriegen zahlen in der Regel nicht die Entscheidungsträger - dafür muss dann das Fußvolk herhalten.

  • Die eigentlichen Gründe dafür dass die UA ihre Front im Bereich Otscheretyne nicht stabiiisieren kann liegen wohl etwas tiefer als der genannte Munitionsmangel (der mittlerweile wohl auch nicht mehr besteht). In Otscheretyne hat eine ukrainische Einheit ihre Positionen wohl fluchtartig verlassen. Die ukrainische Armee hatte anscheinend auch keine Kräfte mehr um eine zweite Verteidigungslinie errichten zu können so dass nach dem Zusammenbruch der ersten Linie eine Stabilisierung ohne größere Gebietsverluste sehr schwierig wird.



    Es geht im Wesentlichen um mehr Soldaten, und wohl auch um die Motivation der derzeit eingesetzten Einheiten. Insgesamt erodiert die Frontlage und auch die Moral. Was die Fahndung nach Selenski angeht: die Russen glauben anscheinend dass der Sieg / der Zusammenbruch der ukrainischen Front bevorsteht. Ich glaube nicht dass das so kommen wird, aber insgesamt verschiebt sich das Gleichgewicht deutlich zugunsten Russlands, ohne dass die UA irgendetwas tun kann um diese Entwicklung zu bremsen. Ejne Verhandlungslösung wäre sehr angebracht um zu retten was zu retten ist. Die vom Westen noch immer (obwohl in den letzten Wochen immer weniger) geäußerten Kriegsziele (Rückgabe der besetzten Gebiete einschließlich Krim, EU- und NATO Beitritt) sind hierbei hoffnungslos unrealistisch.

    • @Gerald Müller:

      Eine "Verhandlungslösung" sieht zum derzeitigen Zeitpunkt de facto eine bedingungslose Kapitulation der Ukraine vor.

      Russland ist zu Verhandlungen nur zu seinen Konditionen bereit. Wenn Sie mal nach Butscha schauen, wissen Sie, was eine russische Besatzung für die Ukraine und die meisten Menschen, die dort leben, bedeuten dürfte.

    • @Gerald Müller:

      Wie soll es zu einer Verhandlungslösung kommen wenn Russland gewinnen kann? Russland wird erst verhandeln wenn es droht den Krieg zu verlieren. Ökonomische oder menschliche Kosten interessieren Putin nicht, insofern er sie überhaupt erfährt. Warum sollte Putin verhandeln wenn er nochmal 400.000 Mann opfern kann dafür aber die ganze Ukraine erobern kann?