Alltag in Gaza: Einen Luftballon steigen lassen
Najala Abu Nahla erzählt vom Leben in Rafah im Süden des Gazastreifens. Dort hilft sie Kindern, trotz des Krieges Freude zu empfinden.
N ajala Abu Nahla, 31, ist Projektmanagerin für das Kulturzentrum und Museum Mayasem in der Nähe von Chan Junis im Süden von Gaza. Im November floh sie noch weiter in den Süden, nach Rafah, entwickelte mit Mayasem einen Notfallplan und richtete eine Suppenküche für Binnenflüchtlinge ein. Außerdem leistet sie psychologische Unterstützung und organisiert Aktivitäten für Kinder.
Ein Mädchen, um das ich mich in Rafah kümmere, bewegt mich ganz besonders. Ihren Namen möchte ich lieber nicht nennen. Sie ist dreieinhalb Jahre alt. Ihre gesamte Familie wurde in Chan Junis in einem Bombardement getötet. Eine andere Familie zog das kleine Mädchen lebend unter den Trümmern hervor und nahm es auf. Kurz darauf flohen sie gemeinsam mit dem Mädchen nach Rafah. Seitdem leben sie hier in einem Zelt.
Ich gehe alle paar Tage zu ihr, um ihr ein Spielzeug zu bringen oder irgendetwas, das ihr hilft, sich sicher zu fühlen. Dann spiele ich ein bisschen mit ihr. Manchmal fragt sie nach ihrer Mutter und ihren Schwestern, mit denen sie sonst gespielt hat, und weint. Ich frage sie, wie ihre Schwestern früher mit ihr gespielt haben, damit ich es möglichst nachahmen kann.
Ich möchte den Kindern mit den Aktivitäten und Spielen eine Möglichkeit geben, Freude zu empfinden. Doch manchmal wird das Spiel eben auch zu einer Möglichkeit, einer psychisch verletzten Person dabei zu helfen, aus ihrer Verzweiflung herauszukommen. Eigentlich bin ich Künstlerin, keine Psychologin, aber ich habe viel Erfahrung in Kunsttherapie, unter anderem in der Waldorfpädagogik. Gelernt habe ich unter anderem von deutschen Pädagogen, die uns im Gazastreifen eine Fortbildung gegeben haben.
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Kürzlich brachte ich dem Mädchen einen Luftballon mit. Ich sagte ihr, dass sie dem Ballon ein Geheimnis verraten kann, dass sie ihm sagen kann, was sie am meisten nervt oder wovor sie am meisten Angst hat. Wir haben ihn dann aufgeblasen und sie durfte ihn platzen lassen.
Ich habe sie nicht gefragt, was sie dem Ballon gesagt hat, es war ja ihr Geheimnis. Aber ich habe gehört, dass sie dem Ballon zugeflüstert hat, dass sie Angst vor den Bomben hat. Ich schlafe auch jeden Abend mit der Angst ein, dass in dieser Nacht etwas passieren könnte – und ich bete zu Gott, dass es nicht so sein möge.
Ich diene den geflüchteten Menschen. Ich höre ihnen zu, ich versuche zu helfen und Linderung zu verschaffen. Für mich ist dies meine Pflicht als Palästinenserin und ich mache es auch, um die palästinensische Identität und Kultur zu stärken. Das ist das, was mir selbst Kraft gibt – und ich hoffe, dass ich bald über das Ende des Krieges berichten kann.
Protokoll: Judith Poppe
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