Kampf um die Kriminalitätszahlen

Innenministerin Faeser präsentiert die neue Kriminalstatistik: Die Zahl der Gewalttaten steigt, ebenso die junger und „nichtdeutscher“ Tatverdächtiger. Die Gründe sind vielfältig

5,5 Prozent mehr Straftaten zählte die Polizei 2023 im Vergleich zum Vorjahr Foto: Fo­to:­ funke/imago

Aus Berlin Sabine am Orde
und Konrad Litschko

Es ist ein Balanceakt für Nancy Faeser. Sie wolle Probleme „deutlich benennen“, erklärt die Bundesinnenministerin am Dienstag in Berlin. Für Gewalt gebe es „null Toleranz“ und „ohne Scheu“ müsse man auch über Ausländerkriminalität sprechen. Zugleich dürfe dies aber nicht mit Ressentiments geschehen. Das aber ist längst im Gange.

Die Zahlen, die Faeser mit der alljährlichen Kriminalstatistik präsentiert, sind wenig erfreulich. 5.940.667 Straftaten zählte die Polizei im Bund und den Ländern für das Jahr 2023 – ein Anstieg um 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Wert seit 2017. Erfasst wurden 2.246.767 Tatverdächtige, auch das ein Plus von 7,3 Prozent. 41 Prozent von ihnen waren „Nichtdeutsche“. Innerhalb dieser Gruppe stieg die Tatverdächtigenzahl um 17,8 Prozent. Auch die Zahl tatverdächtiger Kinder wuchs um 12 Prozent, die der Jugendlichen um 9,5 Prozent.

Vor allem die Gewaltkriminalität nahm zu: um 8,6 Prozent auf 214.099 Fälle – dem höchsten Stand seit 15 Jahren. Raubdelikte stiegen um 17,4 Prozent, Diebstähle um 10,7 Prozent, Messerangriffe um 9,7 Prozent, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung um 7 Prozent. Die Zahl schwerer Gewaltdelikte wie Mord, Totschlag oder Vergewaltigung wuchs dagegen nur minimal. Immerhin: Auch die Aufklärungsquote stieg um einen Prozentpunkt auf 58,4 Prozent.

Wichtig aber: Die Zahlen bilden die Ermittlungen der Polizei ab. Ob sie am Ende auch zu Verurteilungen führten, bleibt offen. Genauso, wie viele Taten begangen wurden, die nicht angezeigt oder erfasst wurden.

BKA-Präsident Holger Münch führt als eine Erklärung für den Anstieg das Ende der Corona-Einschränkungen an. Die Menschen waren 2023 wieder mobiler, es ergaben sich mehr Tatgelegenheiten. Gerade Jugendliche hätten „nachholend“ über die Stränge geschlagen. Einige hätten auch mit psychischen Belastungen aus der Corona­zeit zu kämpfen, was zu Straftaten führen könne.

Allerdings liegen die aktuellen Zahlen auch um 9,3 Prozent höher als 2019, dem letzten Jahr vor der Coronapandemie. Das BKA vermutet daher, dass nun auch die Inflation als Problem wahrgenommen werde, was Straftaten motiviere: In ökonomisch schwächeren Regionen fielen die Deliktzahlen höher aus.

Bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen ist zu beachten, dass in die Statistik auch ausländerrechtliche Verstöße fallen, die nur diese Gruppe begehen kann: etwa 93.158 Fälle von „unerlaubter Einreise“ oder 187.059 von „unerlaubtem Aufenthalt“. Aber auch ohne diese Delikte stieg der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen um 13,5 Prozent. Münch verweist darauf, dass 2023 wesentlich mehr Menschen ohne deutschen Pass in Deutschland lebten, was insbesondere am Krieg in der Ukraine liegt. Wo mehr „nichtdeutsche“ Personen sind, da gibt es auch mehr Straftaten aus dieser Gruppe. Zudem vereinten Geflüchtete Risikofaktoren auf sich: Sie bringen häufig Gewalt­er­fahrungen aus dem Herkunftsland oder von der Flucht mit, leben eingeengt in Sammelunterkünften und sind ökonomisch schlechter gestellt.

Viele dieser Straftaten richteten sich zudem ebenfalls gegen „Nichtdeutsche“. Setzt man diese Tatverdächtigen ins Verhältnis zur gestiegenen nichtdeutschen Bevölkerung, fällt der Anstieg dieser Tatverdächtigen sogar niedriger aus als bei deutschen Tatverdächtigen.

Faeser betont aber, dass es für Gewalt keine Rechtfertigung gebe. Es brauche „spürbare Strafen“ und schnellere Abschiebungen, hier würden die verschärften Abschiebe­regeln helfen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärt die „illegale Migration“ bereits zum „Sicherheitsrisiko“. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) fordert eine Begrenzung der Zuwanderung, man sei „am Integrationslimit“. Und die AfD ätzt von „importierter Kriminalität“.