Europas jüngster Lieblings-Diktator al-Sisi

Neues Abkommen zwischen EU und Ägypten: Kairo bekommt Geld, Europa hofft auf weniger Migranten

Von Mirco Keilberth, Tunis

Ägypten bekommt eine ordentliche Finanzspritze, Europa weniger Migranten – so lässt sich der Deal ganz knapp zusammenfassen, zu dessen Abschluss europäische Staats- und Regierungschefs, sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in die ägyptische Hauptstadt Kairo reisten. Die Größe der Delegation – zu der der österreichische Regierungschef Karl Nehammer, seine italienische Kollegin Giorgia Meloni sowie deren Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis aus Griechenland und Alexander De Croo aus Belgien gehörten – verdeutlicht die besondere Bedeutung, die dem Abkommen beigemessen wird. Am Sonntagnachmittag wurde unterschrieben.

Staatspräsident Abdel Fatah al-Sisi möchte mit dem so vereinbarten Finanzierungspaket in Höhe von 7,4 Milliarden Euro die strauchelnde Wirtschaft seines 106-Millionen-Einwohnerlands retten. Der Krieg in Gaza, schwindende Einnahmen auch aus dem Tourismus und der Absturz des ägyptischen Pfunds haben die sozialen Spannungen im Land ansteigen lassen. Im Gegenzug für das EU-Geld verpflichtet sich al-Sisi, die Migration über das Mittelmeer nach Europa einzudämmen. Konkret geht es um Kredite in Höhe von 5 Mil­liar­den Euro, Investitionen im Umfang von 1,8 Milliarden Euro, 400 Millionen Euro für bilaterale Projekte sowie 200 Millionen Euro für Programme im Bereich Migration.

Kooperationen im Bereich der Terrorismusbekämpfung und des Grenzschutzes könnten – ähnlich wie mit Tunesien vereinbart – außerdem zu gemeinsamem Training mit europäischen Spezialeinheiten führen. Das im letzten Sommer mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied unterzeichnete Migrationsabkommen dient als Blaupause für den Deal mit Ägypten. Die EU hofft auf Ägypten als strategischen Partner, der die Grenze zu Libyen dicht macht. Immer mehr der Millionen Kriegsfliehenden aus dem Sudan durchqueren Ägypten und werden dann von Schmugglern über die libysch-ägyptische Grenze gebracht.

„In Bussen transportieren die Schmuggler die Mi­gran­t:in­nen und Flüchtlinge innerhalb von zwei Tagen vom Grenzübergang Sallum zwischen Libyen und Ägypten nach Westlibyen oder nach Sfax in Tunesien“, sagt der liby­sche Migrationsexperte Muftah Lawhel. Dort legen dann die Boote nach Europa ab. Mit dem nun auf dem Mittelmeer erwarteten Frühlingswetter rechnen Menschenrechtsaktivisten mit neuen Rekordzahlen von nach Italien ablegenden Schmugglerbooten.

Immer mehr Flüchtende aus Sudan durchqueren Ägypten, mit dem Ziel Europa

Die bis 2027 festgelegten Überweisungen aus Brüssel sind daher wohl an die tatsächliche Umsetzung der Versprechen al-Sisis geknüpft. 1 Milliarde Euro Makrofinanzhilfe soll sofort fließen, die restlichen 4 Milliarden Euro müssen noch vom Europäischen Parlament genehmigt werden. Der Großteil der Gelder sei in enger Zusammenarbeit mit dem Inter­na­tio­na­len Währungsfonds ausgearbeitet worden, so ein Beamter der EU-Kommission gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sieht in dem EU-Abkommen mit Kairo die Fortsetzung von Unrecht: „Der Plan ist derselbe wie bei den fehlerhaften EU-Abkommen mit Tunesien und Mauretanien: „Migranten stoppen, Missstände ignorieren.“

Die Lage nahe der tunesischen Küstenstadt Sfax zeigt außerdem, wie schwer es ist, den im Geheimen operierenden Migrationsnetzwerke beizukommen. Bei Sfax hausen derzeit Tausende Migranten und Geflüchtete auf Feldern und warten auf ihre Abfahrt nach Europa. 105 Millionen Euro hatte Brüssel nach Tunis überwiesen, um die Kooperation im Bereich Migration zu verbessern. Die tunesischen Behörden wählten eine einfachere Lösung und vertrieben die aus Subsahara-Afrika stammenden Menschen aus Sfax, und damit aus der Öffentlichkeit, in nahe Dörfer. „Migrant:innen und Flüchtlinge bleiben für Autokraten ein Faustpfand für die Gespräche mit Europa“, sagt der tunesische Migrationsexperte Zied Meluli. „Egal wie viel überwiesen wird.“