Argentiniens Präsident vor dem Kongress: Wuttirade als Debütrede
Javier Milei ist noch nicht über das Scheitern seines Gesetzespakets im Parlament hinweg. Seinem Ärger machte er dort zu Beginn der Legislaturperiode Luft.
Traditionell beginnt die Legislaturperiode am 1. März und wird gemäß der Verfassung vom Präsident eingeläutet. In seiner Rede vor dem gemeinsamen Plenum von Abgeordnetenhaus und Senat gibt der Präsident einen Bericht zur Lage der Nation ab und benennt seine Regierungsvorhaben. Eine Aussprache darüber findet nicht statt.
Mileis erste Rede im Kongress war mit Spannung erwartet worden, hatte er das Repräsentantenhaus doch erst vor wenigen Tagen als „Rattennest“ bezeichnet. Statt wie üblich um 12 Uhr mittags hatte Milei den Zeitpunkt seines Auftritts auf 21 Uhr verlegt. Begründung: Die Öffentlichkeit sollte live dabei sein können.
Linke Parteien und Basisorganisationen hatten sich schon früh mit Fahnen, Trommeln und Protestplakaten auf dem Platz vor dem Kongressgebäude versammelt, das rundherum abgesperrt war. Abgesehen von einigen Handgemengen zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten verliefen die Proteste friedlich.
Die Demonstrierenden sorgten auf dem Platz jedoch für eine völlig andere Stimmung als jene, die bei der Vereidigung von Milei im Kongress am 10. Dezember geherrscht hatte. In Erinnerung geblieben ist, wie er nach seiner Vereidigung im Kongress auf dem Absatz kehrtmachte und seine Rede draußen auf den Stufen des Gebäudes vor einer fahnenschwenkenden und jubelnden Menge hielt.
Scharf kritisierte Milei am Freitagabend die Vorgängerregierungen. „Der Populismus der letzten Jahre hat uns 90 Prozent unseres Einkommens geraubt.“ Dagegen warb der 53-Jährige für seine rigorose Sparpolitik. „Zum ersten Mal in der Geschichte bekämpfen wir die Ursache des Problems – das Haushaltsdefizit – und nicht seine Symptome. Deshalb bitte ich um Geduld und Vertrauen.“
Vor allem der Kaufkraftverlust der Einkommen macht den Menschen zu schaffen. Rund die Hälfte der lohnabhängigen Bevölkerung schafft es nur noch knapp über die Armutsgrenze. Gemäß einer Mitte Februar vom renommierten Sozialobservatorium der Katholischen Universität in Buenos Aires veröffentlichten Studie lagen 57 Prozent der 46 Millionen Argentinier*innen unterhalb der Armutsgrenze.
Im Januar war die jährliche Inflationsrate auf 254,2 Prozent gestiegen. Allein im ersten Monat des Jahres hatten die Preise um 20,6 Prozent zugelegt, wie die nationale Statistikbehörde Indec bekanntgab. Dennoch lag die Teuerungsrate damit noch unter den im Dezember verzeichneten 25,5 Prozent. Es bleibt abzuwarten, ob dies der lang ersehnte Abwärtstrend ist. Für Februar wird auf jeden Fall mit einem Wert von unter 20 Prozent gerechnet.
Wie erwartet sparte der libertäre Präsident nicht mit Kritik an den Parlamentarier*innen, die erst vor wenigen Wochen ein von ihm vorgelegtes Mega-Gesetz scheitern ließen. Mangels parlamentarischem Rückhalt schlug Milei einen neuen Sozialpakt vor, der von der Regierung und den 24 Provinzgouverneuren ausgearbeitet und am argentinischen Nationalfeiertag am 25. Mai unterzeichnet werden soll.
Ob dies gelingt, ist mehr als fraglich, zumal der Präsident bereits zehn nicht verhandelbare Punkte vorgegeben hat, darunter die Unverletzlichkeit des Privateigentums, einen ausgeglichenen Staatshaushalt und drastische Einsparungen der öffentlichen Ausgaben, so soll die Staatsquote soll auf 25 Prozent des BIP reduziert werden.
Wozu letzteres führt, hatte gerade Argentiniens größte Bauarbeitergewerkschaft Uocra kritisiert, die den Präsidenten für den Verlust von 50.000 direkten und mehr als 100.000 indirekten Arbeitsplätzen in den letzten zwei Monaten verantwortlich macht. Als Grund für den Jobabbau nennt die Gewerkschaft die von Milei gestoppten öffentlichen Investitionsmaßnahmen.
Aber auch bei den Unternehmen herrscht Alarmstimmung. Die Kammer der Bauwirtschaft hatte bereits Anfang Januar den landesweiten Notstand ausgerufen und vor den drohenden Folgen für ihre 1.400 Mitgliedsunternehmen gewarnt. „Wenn die derzeitige ernste Situation anhält, wird sie irreversible Auswirkungen auf den Sektor im Besonderen und die Wirtschaft im Allgemeinen haben“, hieß es damals. Rund 200.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr.
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