Historisches Votum für Frankreichs Frauen

In Paris stimmt auch der Senat dafür, das Recht auf Abtreibung in der Verfassung zu verankern. Macron verbucht den Erfolg der feministischen Bewegung für sich

Ihr Druck hat Erfolg: Ab­trei­bungs­be­für­wor­te­r*in­nen demonstrieren am Mittwoch vor der Pariser Universität La Sorbonne Foto: Michel Euler/AP/dpa

Aus Paris Rudolf Balmer

Mit 267 gegen 50 Stimmen hat sich am Mittwochabend der französische Senat dafür ausgesprochen, dass der Schwangerschaftsabbruch als „garantierte Freiheit“ in der Verfassung verankert wird. Da dies im selben Wortlaut verabschiedet worden ist wie zuvor bereits von den Abgeordneten der Nationalversammlung, kann Staatspräsident Emmanuel Macron nun wie gewünscht die beiden Parlamentskammern am Montag im Schloss von Versailles vereint als Kongress einberufen, um diese Verfassungsänderung definitiv zu beschließen.

Es braucht dafür eine qualifizierte Mehrheit von drei Fünfteln. Nach dem klaren Votum des Senats bestehen kaum Zweifel daran, dass es zu der breiten Mehrheit dafür kommt.

Frankreich wird damit das erste Land der Welt, in dem die Verfassung Frauen das Recht auf die Abtreibung garantiert. „Das Gesetz bestimmt die Bedingungen, unter denen die den Frauen garantierte Freiheit auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch ausgeübt wird“, soll es dort in Zukunft heißen.

Über die Formulierung dieses Artikels 34 war lange und heftig diskutiert worden. Bis zuletzt war nicht sicher, dass die mehrheitlich konservativen und männlichen Senatoren ihren anfänglichen Widerstand aufgeben würden.

Mehrere Medien und Ratskolleginnen glauben zu wissen, dass in den vergangenen Tagen bei manchen Mitgliedern des Senats zu Hause gestritten wurde. Sollte es so gewesen sein, so hat sich der Einfluss von Gattinnen, Töchtern oder Freundinnen nun tatsächlich ausgezahlt. Da sich am Ende „nur“ noch 50 Senatoren der Verfassungsänderung widersetzt haben, wollen eine ganze Reihe von Senatoren nicht als frauenfeindliche und rückständige Hinterwäldler und grundsätzliche Abtreibungsgegner dastehen.

Einige zögerten oder versuchten – wie namentlich Senatspräsident Gérard Larcher – ihre Ablehnung mit dem wenig überzeugenden Argument zu verteidigen, dass der Schwangerschaftsabbruch als Recht in Frankreich ja, anders als in den USA, nicht gefährdet sei und darum nicht geschützt werden müsse.

Dass nun die Feministinnen einen stärkeren Einfluss auf das Parlament hatten als die meist religiösen Abtreibungsgegner, macht diese Abstimmung zu einem historischen Votum für die Bewegung für die Frauenrechte.

Auch in Frankreich war es für Frauen, die eine unerwünschte Schwangerschaft abbrechen wollen, nicht immer möglich, sich in ihrer Wohnregion und innerhalb der gesetzlichen Frist von 14 Wochen beraten und die Abtreibung vornehmen zu lassen. Die lokalen Zentren des Planning familial, die als Beratungsstellen in unersetzbarer Weise das Recht auf Verhütung, sexuelle Aufklärung und den legalen Schwangerschaftsabbruch verteidigen, kämpfen oft mit finanziellen Schwierigkeiten.

Laut der Organisation Planning familial wurden in den letzten 15 Jahren insgesamt 130 Zentren, in denen Abtreibungen vorgenommen wurden, geschlossen. Andere stehen weiterhin vor dem Aus.

„Ohne unseren Druck hätte Macron keinen Finger gerührt“

Senatorin Mélanie Vogel

Die Verfassungsgarantie für das Recht auf Abtreibung bedeutet jedoch, dass der Staat dafür sorgen muss, dass es sich dabei nicht um eine theoretische Freiheit handelt, sondern dass die entsprechenden Einrichtungen bestehen.

So verlangt es die feministische Bewegung von Macron, der etwas vorschnell ihren Mobilisierungserfolg als seinen politischen Sieg verkauft. „Ohne unseren Druck hätte Macron keinen Finger gerührt“, meint jedoch die grüne Senatorin Mélanie Vogel.

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