Der Druck auf die AfD steigt

Der Verfassungsschutz soll in den Startlöchern stehen, um die AfD als „gesichert rechtsextrem“ hochzustufen. Schon in ein paar Tagen fällt ein wichtiges Urteil

Thomas Haldenwang (Mitte), Nancy Faeser und BKA-Chef Holger Münch stellen Mitte Februar Maßnahmen gegen Rechts­exremismus vor Foto: Foto:Kay Nietfeld/dpa

Von Gareth Joswig
und Konrad Litschko

Erst kürzlich saß Thomas Haldenwang neben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf einer Pressekonferenz in Berlin und warnte dort vor den „Rechtsextremen im Bundestag“. Auch zuvor wurde der Präsident des Bundesamt fürs Verfassungsschutz deutlich und erklärte, dass sich die AfD nur in eine Richtung bewege – ins Rechtsextreme. Innerhalb der Partei gebe es „starke verfassungsfeindliche Strömungen, deren Einfluss weiter zunimmt“. Vertreter äußerten „rechtsextremistische Verschwörungstheorien“, so Haldenwang.

Tatsächlich führt der Verfassungsschutz die AfD bereits seit drei Jahren als rechtsextremen „Verdachtsfall“. Seitdem sammelt das Amt weiter Belege, beobachtet die Partei in Bund und Ländern, setzt dafür auch V-Leute ein. Bis heute aber wehrt sich die AfD juristisch gegen die Einstufung. Ab dem 12. März wird es nun ernst.

Dann nämlich entscheidet das Oberverwaltungsgericht Münster in zweiter Instanz über die Berufung der AfD gegen die Einstufung als rechtsextremen Verdachtsfall. Zwei Verhandlungstage sind eingeplant. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Köln 2022 dem Geheimdienst weitgehend recht gegeben. Und angesichts der jüngsten Äußerungen Haldenwangs ist es gut möglich, dass der Verfassungsschutz bei einem Erfolg in Münster zeitnah den nächsten Schritt geht und die AfD als „gesichert rechtsextrem“ hochstuft.

Laut einer Gerichtsentscheidung Anfang Februar darf der Verfassungsschutz bereits die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative als erwiesen rechtsextrem einstufen. Gleiches gilt auch für die Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, weil die dort völkisch-nationalistische Strömung um Björn Höcke schon länger dominiert.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass dafür bereits ein Gutachten in Arbeit ist, zitiert interne Vermerke und E-Mails. Seit April 2023 liege dafür eine Gliederung vor, anhand derer Rassismus, Autoritarismus, aber auch das Verhältnis zu Russland herausgearbeitet werde. Abgewartet werde nur noch der Ausgang des Prozesses in Münster, um gegebenenfalls auf Einwände des Gerichts eingehen zu können.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich dazu auf taz-Anfrage nicht äußern – dies tue man bei „behördeninternen Arbeitsabläufen“ grundsätzlich nicht. Auch der AfD-Bundesvorstand lehnte eine Stellungnahme zunächst ab. Parteivize Stephan Brandner stichelte aber auf X, vormals Twitter: „An die Schlapphüte: Ihr könnt soviel hetzen, provozieren, zersetzen, erfinden und lügen: Es wird nichts nützen.“

Dass beim Verfassungsschutz beständig Informationen zur AfD zusammengetragen werden, ist kein Geheimnis. Schon das Gutachten von 2021 zur AfD-Einstufung als Verdachtsfall umfasste gut 1.000 Seiten, es wurde seitdem fortlaufend aktualisiert. Ausgewertet wurden dort Reden und Social-Media-Postings, in denen AfD-Politiker*innen gegen Muslime oder Geflüchtete hetzten. Aufgelistet wurden Vernetzungen der Partei zu rechtsextremen Gruppierungen wie den Identitären. Die Partei mache die Demokratie generell verächtlich, sie pflege ein völkisches Menschenbild und schließe damit Gruppen von Migranten vom Staatsvolk aus, konstatierte der Verfassungsschutz. Immer wieder wurde dabei auf den Thüringer AfD-Chef Höcke und sein früheres „Flügel“-Netzwerk verwiesen, das beständig an Einfluss in der Partei gewinne.

„Der Sound der Demokratie­verächter“

Thüringer Verfassungsschützer Stephan Kramer über die AfD

Dass sich die AfD stetig weiter radikalisiert, davor warnt aktuell auch Stephan Kramer, Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes. In Thüringen habe es seit der Einstufung als Verdachtsfall von 2021 „keine politische Mäßigung der Vertreter der Partei gegeben“, sagte Kramer am Montag der taz. Im Gegenteil trete Höcke „mit dem Gestus eines Mannes im Widerstand auf“, die Partei spreche von einem „Altparteienkartell“ oder der „Systempresse“. „Das ist der Sound der Demokratieverächter der Weimarer Republik.“ Und mehrere Auftritte von ­Höcke mit AfD-Chefin Alice Weidel oder die Übernahme seines Vokabulars zeigten auch die „großen Schnittmengen“ zum Bundesvorstand.

Auch in der Ampel wird diese Analyse geteilt. Bisher habe der Verfassungsschutz „immer sorgfältig gearbeitet und seine Einschätzungen haben vor den Gerichten immer Bestand gehabt“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge der taz. „Sollte der Verfassungsschutz zu der Erkenntnis gelangen, dass die AfD als gesichert rechtsextrem einzustufen ist, dann gehe ich davon aus, dass auch diese Einstufung nach den erforderlichen Kriterien und Maßstäben gerichtsfest ist.“ Bundesinnenministerin Faeser betonte erneut, dass eine Einstufung keine politische Entscheidung sei. Vielmehr sei es die gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschutzes, Bedrohungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beobachten – und der komme das Amt nach.

Vor Gericht in Münster wird es zentral um die Frage gehen, inwieweit einzelne, vor allem völkische Äußerungen von ­Höcke und anderen der Gesamtpartei anzurechnen sind. Und ob und wie weit das frühere „Flügel“-Netzwerk weiter die Partei dominiert. Nach der Entscheidung in Münster dürfte der Verfassungsschutz zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten – was einige Wochen dauern wird.