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Die morgendliche Tasse Kaffee ist in Gefahr

Die Kaffeepflanze Coffea arabica ist sehr wählerisch, wenn es um ihre Lebensbedingungen geht. Der Klimawandel bedroht die globale Produktion und Forscher suchen nach Lösungen

Koffein ist eines der beliebtesten Rauschmittel der Welt und Kaffee eine der beliebtesten Konsum­formen. Kaffee wird in mehr als 70 Ländern angebaut, und jeden Tag werden mehr als 2 Milliarden Tassen Kaffee getrunken. Er trägt dazu bei, den Lebensunterhalt von schätzungsweise 125 Millionen Menschen zu sichern. Indirekt unterstützt er viele weitere Menschen, indem er ihnen jeden Morgen Starthilfe leistet.

Doch der Klimawandel bedroht die weltweite Kaffeeproduktion. In Südamerika, Zentralafrika und Südostasien, wo der größte Teil des Kaffees angebaut wird, steigen die Temperaturen und verändern sich die Niederschlagsmuster. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten zwischen 35 und 75 Prozent der Kaffeeanbauflächen in Brasilien, dem größten Kaffeeproduzenten der Welt, unbrauchbar werden, schreibt Cássia Gabriele Dias, Agraringenieurin an der Universität Itajubá in Brasilien, in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment.

Ein Teil dieses Verlusts würde zwar durch die Erwärmung anderer Gebiete, die derzeit für den Kaffeeanbau zu kalt sind, ausgeglichen (siehe Infografik). Neue Plantagen könnten zum Beispiel in Südchina oder an der Nordküste des Golfs von Mexiko entstehen. Aber insgesamt blieb das Defizit hoch.

Das Problem ist: Kaffee ist eine wählerische Pflanze, und das gilt für Coffea arabica, deren Bohnen 70 Prozent der Weltproduktion ausmachen, ganz besonders. Die besten Erträge werden erzielt, wenn die Temperaturen das ganze Jahr zwischen 18 und 23 Grad Celsius betragen. Viele der Anbau­re­gio­nen liegen bereits im oberen Bereich dieser Spanne. Die Pflanze ist anfällig für Krankheiten wie Kaffeerost, eine Pilzinfektion, und den Kaffee­kirschenkäfer, der seine Eier in die heranwachsenden Bohnen legt. Es wird erwartet, dass sich beide Krankheiten in einer wärmeren Welt schneller ausbreiten werden.

Eine Frage des Geschmacks

Landwirt:innen, die Coffea canephora anbauen, besser bekannt als Robusta – der bittere Cousin der Arabica-Bohne – müssen sich nicht ganz so sehr fürchten, denn Robusta bevorzugt wärmere Temperaturen. Allerdings mögen Kaffeesnobs den Geschmack nicht und so erzielen Robusta-Bohnen einen niedrigeren Preis als Arabica-Bohnen und werden meist für Instantkaffee verwendet. Für Kaffeeliebhaber bestünde die Lösung also nicht darin, auf Robusta umzusteigen, sondern Arabica zu retten.

Eine Möglichkeit wäre, den Kaffee in höheren Lagen anzupflanzen. Unter den gleichen Umweltbedingungen sinken die Temperaturen pro 100 Höhenmeter um etwa 0,7 Grad Celsius. In Tansania zum Beispiel gibt es große Flächen 150 bis 200 Meter über den derzeitigen Arabica-Anbauflächen, die sich bei steigenden Temperaturen gut für den Kaffeeanbau eignen dürften. In Äthiopien haben einige Bauern ihre Plantagen bereits bis zu 600 Meter höher gelegt.

Höhere Lagen bedeuten jedoch in der Regel steilere Hänge und dünnere Böden, wodurch die Nährstoffe schneller durch den Regen ausgewaschen werden. Sie durch Kunstdünger zu ersetzen, ist teuer. Höhere Hänge sind außerdem oft mit dichten, artenreichen Wäldern bedeckt. Sie abzuholzen, um Platz für Kaffeepflanzen zu schaffen, ist möglicherweise nicht mit den Klimazielen eines Landes vereinbar. Und die Umstellung kann nicht von heute auf morgen erfolgen. Neue Plantagen brauchen fünf Jahre oder mehr, um eine gute Ernte zu erzielen. Für viele Kleinbauern sind solche Zeiträume keine Option.

Eine andere Möglichkeit wäre, die Bewirtschaftung der bestehenden Plantagen zu verändern. Kaffeepflanzen sind relativ klein und haben sich für ein Leben im Schatten unter dem Blätterdach eines Waldes entwickelt. So wurden sie ursprünglich auch angebaut. Doch als die Nachfrage im 20. Jahrhundert stieg, entfernten die Bauern die höheren Bäume, um mehr Kaffeepflanzen auf ihrem Land anzubauen. Heute gibt es einige, die die alte Anbauweise wieder neu entdecken.

Letztes Jahr veröffentlichte Nicholas Girkin, Umweltwissenschaftler an der Universität von Nottingham, einen Artikel, in dem er diese historischen Agroforsttechniken untersuchte. Girkin und seine Kollegen stellten fest, dass der Schatten, den höhere Bäume spenden, dazu beiträgt, dass die Kaffeepflanzen bei heißem Wetter nicht verbrennen. Und Reinhold Muschler, Ökologe am Centre for Investigation of Tropical Agronomy in Costa Rica, hat Beweise dafür gesammelt, dass Schatten den Reifeprozess im positiven Sinn verlangsamt und so die Größe und den Geschmack der Kaffeebohnen verbessert.

Girkin verweist auch darauf, dass Bäume nützlichen Raubtieren und Bestäubern ein Zuhause bieten. Eine Studie in Kenia kam etwa zu dem Ergebnis, dass von Bäumen beschattete Plantagen mit Bestäubern 10,8 Prozent mehr Kaffeefrüchte pro Zweig produzieren als unbeschattete. Und Tiere wie Fledermäuse, Vögel und Insekten, die sich in den Bäumen niederlassen, ernähren sich gern von Schädlingen wie dem Kaffeekirschenkäfer.

Und dann sind da noch die Opportunitätskosten der Bäume selbst. Mit ihnen bleibt zwar weniger Platz für die Kaffeepflanzen, deshalb fällten die Land­wir­t:in­nen sie ja auch ursprünglich. Andererseits produzieren mehrere Baumarten, die auf Kaffeeplantagen gut gedeihen, eigene Früchte wie Bananen oder Avocados, die die Land­wir­t:in­nen zusammen mit ihren Bohnen verkaufen können. Und mehr Bäume bedeuten mehr organischer Abfall an der Bodenoberfläche, was dazu beitragen kann, die Nährstoffe im Boden zu halten.

Wie auch immer das Gleichgewicht von Kosten und Nutzen ausfällt, die Agroforstwirtschaft kann nur bis zu einem gewissen Punkt eingesetzt werden. Klimamodelle deuten darauf hin, dass die Temperaturen in vielen Teilen der Welt irgendwann einfach zu heiß werden, als dass die empfindliche Arabica-Pflanze dies verkraften könnte. Das bedeutet, dass sich die Bohne selbst verändern müsste,

Arabica und Robusta sind nicht die einzigen Kaffeesorten. Es sind etwa 130 bekannt, aber die meisten wurden ignoriert oder gerieten in Vergessenheit, weil sie nicht schmeckten, wenig Ertrag brachten oder zu kleine Bohnen hatten. Einer, der sie nicht vergessen hat, ist Aaron Davis, Botaniker an den Royal Botanic Gardens in Kew, Großbritannien. Davis ist sich der Gefahr bewusst, der die herkömmlichen Kaffeekulturen ausgesetzt sind, und hat alles, was es über all die verlorenen Arten zu wissen gibt, in Erfahrung gebracht.

Etwa 130 Kaffee­sorten sind bekannt, aber die meisten wurden ignoriert

Verschollene Arten

Historische Quellen zeigen, dass viele von ihnen in einer Umgebung gediehen, die wärmer oder trockener war als die, in der Arabica und Robusta heute wachsen. In einem Bericht aus dem Jahr 1834 von George Don, einem schottischen Botaniker, wird eine Kaffeesorte namens Coffea stenophylla beschrieben, die in Sierra Leone wild wuchs. Eine Tasse, die aus den Beeren dieser Pflanze gebrüht wurde, sei sogar besser als eine aus Arabica, schrieb er.

Fasziniert machte sich Davis auf die Suche. Er und seine Kol­le­g:in­nen fanden die Art, die noch immer in Sierra Leone wächst. Es gelang ihnen auch, eine zweite verschollene Art aufzuspüren. Sie ist unter dem Namen Coffea affinis bekannt. Die Pflanze und ihr angenehmer Geschmack wurden erstmals im Jahr 1925 erwähnt. Beide Arten stammen aus den heißen und saisonal trockenen Tieflandhügeln Sierra Leones, was darauf hinweist, dass sie wahrscheinlich mit wärmeren Klimazonen zurechtkommen als Arabica oder Robusta. Es war ein Glücksfall, dass Davis die Pflanzen gefunden hat. Durch den Verlust ihres Lebensraums sind beide vom Aussterben bedroht.

Im Jahr 2021 veröffentlichte Davis eine Arbeit, in der er feststellte, dass Coffea stenophylla im Vergleich zu brasilianischem Arabica fruchtiger ist, einen besseren Säuregehalt und ein komplexeres Geschmacksprofil aufweist – wenn auch etwas weniger Merkmale als äthiopischer Arabica. Bei einer Blindverkostung glaubten die Testpersonen, die Coffea stenophylla tranken, in 81 Prozent der Fälle, es sei die Sorte Arabica. Davis sagt, dass Coffea affinis ähnliche Geschmacksmerkmale aufweist.

Es wurde zwar bisher keine einzige Art gefunden, die Arabica wirklich ersetzen könnte. Doch hofft man, dass eine Mischung aus Gentechnik und altmodischer Kreuzung es ermöglicht, Eigenschaften dieser wiederentdeckten Arten auf Arabica zu übertragen – oder die Eigenschaften von Arabica in eine neue Art zu verpflanzen. Davis führt zwei Forschungsprojekte durch, die genau dies zum Ziel haben, will aber keine Einzelheiten nennen.

Es wird jedenfalls noch eine Weile dauern, bis die Arbeit Früchte trägt. Die Agraringenieurin Cássia Ga­brie­le Dias von der Universität Itajubá meint, dass zwischen dem Einreichen eines Vorschlags für eine neue Kaffeesorte und ihrer Zulassung zur kommerziellen Nutzung ein Jahrzehnt oder mehr vergehen könnte. Deshalb sollte Brasilien nicht darauf warten, sondern sofortige Maßnahmen ergreifen: Plantagen in höheren Lagen anlegen und auf Agroforstwirtschaft umsteigen, sagt sie. Das könnte den Wis­sen­schaft­le­r:in­nen genügend Zeit verschaffen, eine Kaffeepflanze zu entwickeln, die in einer wärmeren Welt gedeihen kann.

© The Economist

Übersetzung aus dem Englischen von Enno Schöningh

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