Populismus in der Neuköllner SPD: Feindbild sind die Grünen

Der Streit um die Zwischennutzung am Dammweg zeigt, wie sehr die Neuköllner SPD der Zivilgesellschaft misstraut. Was heißt das für Rot-Grün im Bezirk?

Raus aus der Blase? Der Nachbarschaftscampus Dammweg vor der Weißen Siedlung in Neukölln Foto: IMAGO / Achille Abboud

„Berlin ist einzigartig“, sagte vor ziemlich genau drei Jahren der Neuköllner SPD-Politiker Hakan Demir im Interview mit der taz. „Wir haben eine große Vielfalt. Menschen aus 150 Nationen leben bei uns. Das ist genauso vielfältig wie New York.“

Demir hatte sich zu diesem Zeitpunkt in einer Mitgliederbefragung gegen einen etablierten Politiker durchgesetzt und wurde Direktkandidat der Neuköllner SPD für die Bundestagswahl im September 2021. Es war ein Signal des Aufbruchs. Auch die traditionell rechte SPD in Neukölln wurde jünger und vielfältiger. War die Zeit von Heinz Buschkowsky und Franziska Giffey vorbei?

Drei Jahre später stellt sich die Frage, ob der Aufbruch nicht doch nur ein bisschen frischer Wind im Wasserglas war. Mit einer zweifelhaften juristischen Begründung hat Bildungs- und Kulturstadträtin Karin Korte (SPD) die Berlin Mondiale vor die Tür gesetzt. Drei Jahre lang hatte der freie Träger die brachliegende Gartenfläche am Dammweg 216 für Nachbarschaftsarbeit und kulturelle Bildung zwischengenutzt. Ein Angebot, das es im benachteiligten Quartier nahe der Highdeck- und der Weißen Siedlung bis dahin nicht gegeben hatte.

Die SPD in Neukölln handelt nicht anders als die AfD in Brandenburg

Doch der SPD-Stadträtin war der „Campus Dammweg“ offenbar ein Dorn im Auge. Dass die Berlin Mondiale einen Ort geschaffen hat, bei dem es um die kulturelle Teilhabe von Menschen mit Migrations-, Asyl- und Exilgeschichte geht, spielt keine Rolle. Auch nicht, dass die Berlin Mondiale für diesen Ansatz von der Senatskulturverwaltung gefördert wird und ein berlinweites Netzwerk aufgebaut hat.

Auf einer Sitzung des Bildungs- und Kulturausschusses am Dienstag verkündete Korte, das Projekt sei beendet. Das Grundstück werde von einem „Träger für politischen Lobbyismus“ genutzt, heißt es in einem internen Schreiben ihrer Amtsleiterin. Werde das nicht unterbunden, werde der Dammweg eine „Karlsgartenstraße 2.0 – jedoch mit viel mehr Verbindungen zu den Grünen“. In dem Nachbarschaftshaus in der Karlsgartenstraße 6 hatte der Pächter auch Initiativen, die keinen Nutzungsvertrag mit dem Bezirksamt hatten, die Nutzung erlaubt.

Misstrauen gegen Zivilgesellschaft

Das Schriftstück bietet einen erschreckenden Einblick ins Denken der Stadträtin und mit ihr auch in den tradionell rechten Flügel der Bezirks-SPD. Ein tiefes Misstrauen gegenüber allen, die sich selbst organisieren, die Projekte von unten entwickeln und nicht abnicken, was von oben kommt. Offenbar haben die Entscheidungsträger der Neuköllner SPD noch immer ein Problem mit der Zivilgesellschaft.

Und womöglich sogar mit demokratischen Entscheidungsprozessen? Im November noch hatte sich die Neuköllner BVV für eine Fortsetzung der Zwischennutzung durch Berlin Mondiale ausgesprochen. Dafür gestimmt hatten Linke, Grüne und die CDU. Dagegen waren AfD und SPD. Mit ihrer Entscheidung setzt sich Korte also über das Votum der Bezirksverordneten hinweg.

Es ist ein Kulturkampf, der da in Neukölln wieder zu toben scheint. Dass die Sozialdemokraten im Bezirksamt ein missliebiges Projekt mit dem Feinbild „Grün“ labeln, zeigt, dass sie selbst vor rechtem Populismus nicht zurückschrecken. In ihrer Abneigung gegen die Grünen unterscheidet sich die SPD in Neukölln nicht von der AfD in Brandenburg.

Noch regiert im Bezirk eine rot-grüne Zählgemeinschaft. Die aber scheint die SPD nun aufkündigen zu wollen. Ob sie damit Erfolg hat, wird auch davon abhängen, ob die Jungen in der Bezirks-SPD noch einmal aufwachen. „Wir nehmen die Vorwürfe, die im politischen Raum stehen, ernst“, meldete sich inzwischen die bildungspolitische Sprecherin der BVV-Fraktion der SPD, Marina Reichenbach, zu Wort. Sie hat am Freitag Akteneinsicht beantragt.

Auch die Grünen in Neukölln haben Aufklärung gefordert, „um das Vertrauen der Kulturszene in die Neuköllner Kulturverwaltung nicht zu gefährden“.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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