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: Ist das unpolitisch oder kann das weg?

Meta kündigt an, die Verbreitung politischer Inhalte auf seinen Plattformen einzuschränken. Dabei sollte es nicht in der Hand eines Konzerns liegen, was als politisch definiert wird. Außerdem wird weiterhin politisch kommuniziert, nur eben viel subtiler als bisher

Mann, Frau und zwei Kinder am Strand: Sieht aus wie ein einfaches Urlaubsbild, ist aber politisch Fotos: Robert Daly/OJO Images/getty images

Von Carolina Schwarz

Erinnern Sie sich noch an das gute alte Instagram? Das gab es so vor zehn Jahren, Stories und Reels gab es damals noch nicht. Stattdessen sammelten sich in meinem Feed quadratische Fotos von Sonnenuntergängen in Lissabon, hippen Cafés irgendwo in Berlin-Mitte, Spiegelselfies von einem mehr oder weniger aufregenden Outfit und zwischendurch wurde auch mal ein selbstgebratenes Spiegelei in Szene gesetzt. Die App war gefüllt mit den schönen Dinge des Lebens, meist mit einem Filter in Retro-Gelbtöne getunkt.

Von diesem Instagram ist heute kaum mehr etwas übrig. Jahr für Jahr wurde die einstige Fototagebuchplattform immer kommerzialisierter und politischer. Und mit dem Tod von Twitter ist auch die letzte Aktivist_in zu Instagram rübergeschwappt. Seitdem swipe ich täglich durch meine Insta-Stories und bekomme abwechselnd Werbung für Perioden-Unterwäsche, ein Rant zum Genozid-Begriff, die neue Champagnerauswahl in der sechsten Etage vom KaDeWe und Screenshots von Autorin A, die beweisen sollen, warum Autor B eigentlich ein rassistisches oder antisemitisches Sackgesicht ist, reingespült. Nach zehn Minuten swipen bin ich entweder wütend, desillusioniert oder komplett verschallert und wünsche mir mein gutes, altes Instagram zurück.

Diese Woche hatte ich dann kurz das Gefühl, Meta hätte meine Wünsche erhört. Die Plattform soll zwar nicht mit weniger Werbung auskommen, doch der Meta-Konzern möchte, dass Facebook, Instagram und Threads – die bisher eher belanglose Twitter-Alternative – weniger politisch werden. Doch wenn man sich die konkreten Pläne des Konzerns anschaut, ahnt man schnell: Es wird nur schlimmer werden.

Künftig sollen nicht mehr proaktiv Konten mit politischen Inhalten vom Algorithmus gepusht werden. Wer politische Inhalte sehen will, muss politischen Konten folgen. Ob ein Konto von Instagram als politisch klassifiziert wird, soll über die Einstellungen überprüfbar sein. Doch wie die Klassifizierung vonstatten geht, gibt Meta nicht preis. Es wird also grundsätzlich weniger politische Inhalte bei Instagram und Co. geben.

Aber was für Meta politisch ist, bleibt im Blogpost des Konzerns vage. Dort steht lediglich, dass Inhalte betroffen sind, die „Gesetze, Wahlen oder soziale Themen“ behandeln. Das heißt, wer ein Selfie von einer Klima-Demo postet, kann genauso betroffen sein wie jemand, der einen Faktencheck zu AfD-Aussagen oder irre Thesen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine veröffentlicht.

Hintergrund für die Änderungen sind vermutlich die anstehenden US-Wahlen. Schon jetzt ist Meta mit der andauernden Desinformation, Propaganda und Hetze auf seinen Plattformen überfordert – in den kommenden Monaten werden sie nur zunehmen. Doch politische Inhalte generell zu drosseln, kann nicht die Lösung sein.

Für Aktivist_innen, Medien und NGOS, die bei der Verbreitung ihrer Inhalte mittlerweile auf die großen Plattformen angewiesen sind, ist die Ankündigung eine schlechte Nachricht. Aber auch abgesehen davon ist es mehr als bedenklich, dass eine Firma aus dem Silicon Valley entscheidet, was eigentlich als politisch gilt. Überhaupt sollte es nicht in der Hand eines einzelnen Unternehmens liegen, welche Inhalte in einem Wahlkampf, aber auch generell in unserer hochpolitisierten Welt sichtbar sind oder nicht.

Die Änderungen sollen laut Meta „mit der Zeit“ in Kraft treten. Doch schon jetzt berichten Accounts von BPoC, linken oder queeren Menschen immer wieder, dass ihre Reichweite deutlich eingeschränkt wird, wenn sie Politisches teilen. Von „Tradwives“, also Influencerinnen, die sich als Hausfrau der 50er Jahre inszenieren und gleichzeitig ultrakonservative und rechte Inhalte verbreiten, sind solche Beschwerden bislang nicht durchgedrungen. Vielleicht ist das Propagieren von veralteten Geschlechtervorstellungen für Instagram einfach nicht politisch?

Die angekündigte Entpolitisierung der Plattform wird also eher nicht zur Rückkehr des guten alten Instagram führen. Denn sicherlich werden die Accounts nicht auf einmal wieder nur noch Urlaubsschnappschüsse teilen. Vielmehr wird es in den kommenden Monaten darum gehen, wer seine politischen Inhalte besonders subtil an die Leute bringen kann.