piwik no script img

ÖPNV in BerlinBVG will massiv Schulden machen

Ex­per­t:in­nen warnen vor den Risiken, sollte Berlin ab 2026 einen harten Sparkurs einschlagen. Schon jetzt steckt die BVG in einer schweren Krise.

Künftig voll auf E – auch bei den Bussen: Das zumindest sehen die ambitionierten BVG-Pläne vor Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Mehr Investitionen und deutlich mehr Schulden: Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gehen von einem massiven Anstieg ihrer Kreditverbindlichkeiten in den kommenden Jahren aus. So soll der Schuldenstand des landeseigenen Unternehmens von geplanten rund 1,4 Milliarden Euro im laufenden Jahr bis 2028 auf mehr als 3,7 Milliarden Euro anwachsen.

Das geht aus einem BVG-Papier hervor, das am Freitag im Unterausschuss für Beteiligungsmanagement und -controlling des Abgeordnetenhauses vorgestellt wurde. Die Ausschusssitzung war ebenso nicht-öffentlich wie die Präsentation der BVG, die der taz vorliegt.

Demnach sollen allein für die Beschaffung von neuen Schienenfahrzeugen bis 2028 Kredite in Höhe von fast 1,5 Milliarden Euro aufgenommen werden. Zum Vergleich: 2022 betrugen die Verbindlichkeiten hierfür nur rund 210 Millionen Euro.

Deutlich wird dabei, dass die BVG in den kommenden Jahren sehr viel mehr investieren will als in der Vergangenheit. Die aktuelle Investitionsplanung weist in dieser Hinsicht ab 2026 einen Betrag von über 1,2 Milliarden Euro pro Jahr aus, 2022 waren es gerade mal 370 Millionen Euro. Auch hier stellt die Fahrzeugflotte den größten Batzen dar, Investitionen in die E-Mobilität inklusive.

Worst case: BVG wird mit Schulden allein gelassen

Diese Investitionen, sagen Ex­per­t:in­nen zur taz, seien auch dringend nötig. Zugleich verweisen sie aber darauf, dass die Konstruktion an sich – also die Verschuldung im Auftrag des Landes Berlin – für das Unternehmen mit enormen Risiken verbunden ist.

Denn sollte Berlin aufgrund der sich verschlechternden Haushaltslage ab 2026 einen harten Sparkurs einschlagen, was viele befürchten, könnte die BVG mit ihren Schulden allein gelassen werden. Das wäre nicht das erste Mal. Im Konzern mit seinen mehr als 15.000 Beschäftigten dürfte dann erneut die Axt angelegt werden, die Folgen wären verheerend.

Schon jetzt hat die BVG mit riesigen Problemen zu kämpfen: fehlende Busfahrer:innen, hohe Krankenstände, zum Teil schwer ausgedünnte Fahrpläne, digitale Anzeigetafeln mit Phantasiewartezeiten.

Er habe ja Verständnis dafür, „dass manchmal Dinge nicht optimal laufen“, sagte der neue BVG-Vorstandsvorsitzende Henrik Falk nun der Berliner Morgenpost. Dabei würde er aber „zumindest erwarten, dass mir verlässlich angezeigt wird, wann die nächste U-Bahn kommt“, so der Ex-Chef der Hamburger Hochbahn, der Anfang des Jahres das Zepter bei der BVG übernommen hat.

Neuer BVG-Chef will „Stabilisierung des Systems“

Seither hat Falk mehrfach betont, dass er nicht nur dafür sorgen will, dass Busse, Trams und U-Bahnen in Berlin sauberer werden. Auch will er noch 2024 eine „Stabilisierung des Systems“ hinbekommen. Das sei das Hauptthema. Darüber hinaus wirbt er dafür, dass die BVG „fokussierter“ agiert.

Beispiel U-Bahn-Ausbau: „Berlin ist an vielen Dingen dran, prüft ganz viel und macht eine Studie nach der anderen“, sagte Falk mit Blick auf eine der „Herzensangelegenheiten“ von Wirtschaftssenatorin und BVG-Aufsichtsratschefin Franziska Giffey (SPD). Aber es werde eben nur fleißig debattiert, wo welche U-Bahn verlängert wird: „Ich würde aber gern etwas bauen und auch fertigstellen.“

Tatsächlich nennt der Wirtschaftsplan der BVG, der auf eine Aufsichtsratssitzung im Dezember und damit vor Falks Amtsantritt zurückgeht, jenseits aller wilden Ausbauträume der schwarz-roten Koalition konkret nur ein einziges U-Bahn-Projekt: die Verlängerung der U3 vom U-Bahnhof Krumme Lanke zum Mexikoplatz.

Und auch an dieser 800-Meter-Strecke wird schon ewig herumgedoktert. In diesem Jahr, hieß es zuletzt, könnte das Planfeststellungsverfahren beginnen. Gebaut werden soll ab 2026, im Jahr 2030 könnte die Strecke in Betrieb gehen. Wohlgemerkt: könnte.

Hohe Verluste für 2024 und 2025 eingeplant

Klar ist: Henrik Falk hat ein Unternehmen in der Krise übernommen. Das zeigt auch die Gewinnerwartung der BVG für das laufende und das kommende Jahr. So plant das Unternehmen für 2024 mit Verlusten in Höhe von rund 58 Millionen Euro, für 2025 sogar in Höhe von fast 164 Millionen Euro. Begründet wird das mit gestiegenen Personal- und Sachaufwendungen.

Erst ab 2026 geht die BVG davon aus, wieder leichte Gewinne einzufahren, zwischen 4 und 5 Millionen Euro im Jahr. In diesem Jahr starten schließlich die Verhandlungen zur Revision des aktuellen Verkehrsvertrags mit dem Land Berlin, die ab 2026 wirksam werden soll. Man habe hier dementsprechend höhere Ausgleichszahlungen des Landes eingepreist, heißt es. Motto: Wird schon irgendwie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • So ist das halt, wenn für alles und jeden Geld da. Dann fehlt es halt an wichtigen Infrastruktur-Projekten. Aber die Berliner wollen ja ein Hartz-Berlin...

    • @eicke81:

      Wir hätten doch einen Bürgermeister der es treffend formuliert hat. "Berlin ist arm aber sexy." Er kommt aus dem selben Lager wie die Giffey und ist ähnlich angenehm. Zudem hat er auch die Glanzleistung verursacht am Flughafen BER.

      Die BVG ist schon immer ein Unternehmen welches beinahe alles falsch macht. Nur Ausfälle wegen Streiks habe ich nicht erlebt. Damit sind wir Aber schon aber Ende der positiven Eigenschaften.

      Damit es Der BVG besser geht braucht diese eine schmalere Verwaltung: 11 Vorstandsmitglieder ist einfach zu viel. Dann sollte man gerade den U-Bahnverkehr automatisieren. Die freiwerdenden U-Bahnfahrer können denn Bus und Tram fahren.

      Dann klappt es auch mit der Zukunft.