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Nach Protesten gegen Robert HabeckBauer spielt Sau

Im Kieler Landtag versuchen sich die Abgeordneten an einer ersten Aufarbeitung der Bauernproteste am Fähranleger in Schlüttsiel.

Wütende Bauern auf dem Weg zum Fähranleger, wo Robert Habeck ankommt Foto: WestküstenNews/dpa

Kiel taz | Hunderte Demonstrierende blockierten am Hafen Schlüttsiel eine Fähre, auf der sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit seiner Familie befand – der Vorfall in der vergangenen Woche sorgte bundesweit für Entsetzen. Der Innen- und Rechtsausschuss des Kieler Landtags versuchte am Mittwoch eine erste Aufarbeitung. Dabei wünschten sich Abgeordnete der FDP und Grünen klare Worte zur Einordnung. Die Staatsanwaltschaft sieht bisher einen Anfangsverdacht, die Ermittlungen laufen.

Bislang steht für die Staatsanwaltschaft als Ablauf fest, dass sich nach der Nachricht in sozialen Medien, Habeck lade zu einem „Bürgerdialog“ ein, Traktoren in Bewegung setzen. Der Bürgermeister einer Gemeinde vor Ort alarmierte die Polizei, die sofort reagierte und sieben Streifenwagen – mehr waren im dünn besiedelten Nordfriesland nicht in der Nähe – losschickte.

Insgesamt erreichten 20 Be­am­t:in­nen den Hafen, bevor die Demonstrierenden eintrafen und mit rund 70 Traktoren und Lastwagen die Straßen versperrten. Der „überwiegende Teil“ der Demonstrierenden verhielt sich friedlich, rund zehn Prozent seien „emotional und verbal aggressiv“ gewesen, sagte die Leitende Staatsanwältin Stephanie Gropp. Habeck sei aufgefordert worden, an Land zu kommen oder an der Reling zu sprechen, dies lehnte der Sicherheitsdienst des Ministers aber ab. Es gab „Geschrei und Sirenengeheul“ und die Drohung, man „komme an Bord, wenn der Habeck nicht käme“.

Nachdem einige weitere Fahrgäste, die mit auf der Fähre waren, von Bord gehen durften, legte das Boot mit der Ministerfamilie wieder ab, während die Menge in Richtung Anleger drängte. Auf dem Deich wurde Pyrotechnik abgebrannt, allerdings nicht auf die Fähre geschossen. „Der Vorfall ist unter keinen Umständen zu akzeptieren“, betonte Gropp.

Staatsanwältin bleibt beim „Anfangsverdacht“

Dennoch müsse geschaut werden, welche einzelnen strafbaren Handlungen es gegeben habe. Da die rund 20 Polizist:innen, die zwischen der Menge und der Fähre standen, keine Personalien aufnehmen konnten – wegen ihrer Unterzahl und weil sie eine Eskalation der Lage befürchteten –, müssen die Beteiligten nun durch Videos und Aussagen von Zeu­g:in­nen festgestellt werden. Das sei nicht einfach, denn „alle trugen Schals, Mantel und Mützen“.

Bernd Buchholz (FDP) reichte diese Formulierung nicht aus, er wollte die „klare Aussage, dass es Straftaten sind: Wenn auf der Straße eine Leiche liegt, braucht es auch keine langen Ermittlungen, um die Straftat zu erkennen.“ Es gehe nicht an, dass Menschen – der Minister, aber auch Unbeteiligte – gehindert würden, eine Fähre zu verlassen: „Hier muss der Rechtsstaat durchgesetzt werden.“ Der Oppositionspolitiker erhielt Unterstützung von Jan Kürschner, dem Ausschussvorsitzenden und Abgeordneten der Grünen, die als Juniorpartner mit der CDU regieren: „Man sieht deutlich Straftaten.“

Doch die Staatsanwältin blieb bei der juristischen Wortwahl: Mehr als den „Anfangsverdacht“ wollte sie nicht bestätigen. Es sei abzuwägen, was durch das Recht auf Demonstration und Meinungsfreiheit abgedeckt sei. „Wir müssen das sauber zu Ende ermitteln, lapidare Beschuldigungen helfen nicht weiter“, so Gropp.

Abgeordnete der CDU verwiesen darauf, dass einige Personen, die dem Aufruf an den Hafen gefolgt waren, möglicherweise davon ausgegangen seien, es gebe wirklich einen Bürgerdialog. Bina Braun (Grüne) wies das zurück: „Ich denke, da brauchen wir uns keine Illusionen machen“, sagte sie. Niemand könne nach dem Ton der Social-Media-Nachrichten geglaubt haben, es handele sich um eine Einladung des Ministers. Auch warum die Menge in Richtung Anleger gedrängt habe, sei klar: „Das „Gebrüll,Wir wollen auf die Fähre' ist ziemlich eindeutig“, so Braun.

Es gab Geschrei und Sirenengeheul und die Drohung, man „komme an Bord, wenn der Habeck nicht käme“

Dennoch machte sich Heiner Rickers (CDU) Gedanken um Land­wir­t:in­nen, die vielleicht in gutem Glauben an Protestveranstaltungen teilnahmen. „Wie sollen sie erkennen, ob es eine angemeldete Veranstaltung ist oder wer da mitmarschiert?“, fragte er im Ausschuss.

Für Jan Kürschner war das ziemlich deutlich: „Wenn da Galgen oder die Fahne des antisemitischen Landvolks gezeigt wird, geht man nicht mit“, sagte der Ausschussvorsitzende. Er wandte sich auch an die Bauernverbände: „Die Signalwirkung ist wichtig. Die Verbände haben sich später distanziert, das ist zu begrüßen.“ Dennoch sei klar: „Wer zu „Protesten aufruft, wie sie das Land nie gesehen hat, muss sich nicht wundern, wenn jemand wilde Sau spielt.“

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9 Kommentare

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  • Nach all der Berichterstattung über die Bauernaufstände scheinen mir hier Zustände wie vor 500 Jahren zu herrschen und "daß dies ein wildes ungezogenes Bauernvolk sei und die Obrigkeit recht tue. Außerdem ist der Zehnte rechtens, die Leibeigenschaft und Zinsen seien nicht frevelhaft. Die Obrigkeit kann die Strafe setzen nach der Not im Lande und die Bauern haben nicht das Recht der Herrschaft ein Gesetz zu diktieren. Für solch ein ungezogenes, mutwilliges und blutgieriges Volk nennt Gott das Schwert.“

    Da muss dringend der Georg von Waldburg-Zeil, der Bauernjörg her, um hier wieder Ordnung zu schaffen.

    Wo kommen wir denn da sonst hin, wenn der wilde Haufen von Schlüttsiel einfach machen kann was er will?

  • Was ist mit Katja Golombek und Silke Jungen?

    Die stehen hinter denjenigen Telegram-Kanälen, über die diese "Demo" organisiert wurde.

    Und siehe auch twitter.com/Gegen_...743066977118134686 und twitter.com/LarsWi...743034679907717295

    Und was ist mit Tom Naumann, Ilona Dittmer, Reinhard Spicker, Daniel Bruhns und Thomas Gardlo (siehe de.indymedia.org/node/330858)? Haben die schon Vorladungen bekommen?

    All die genannten Personen waren in die Vorbereitung des Überfalls auf Habeck und dessen Tarnung als "Spontandemo" involviert, oder hatten im Voraus Kenntnis von den Plänen.

    • @Ajuga:

      technischer Hinweis: Der link auf Indymedia funktioniert nur, wenn man manuell die beiden letzten Zeichen löscht (die eigentlich nicht zum Link gehöen).

  • Wer Bücher verbrennt, macht das auch später mit Menschen. Heinrich Heine.

    Die Kinder von Herrn Harbeck waren dabei...Ich bin absolut fassungslos

    Einen Tag vorher bekam ich von einem "Freund" per Whatsapp ein Bild von einem Fußabtreter mit den Fotos der Grünen Spitzenpolitiker. Ein Freund weniger. Mehr sag ich nicht, außer daß ich mich an Heine anlehne:

    Wer Bilder von Politikern mit Füßen tritt, wer die Gesichter tritt, wo soll das enden?

    ..hier vermisse ich deutlichere Signale aus dem gesamten Gesellschaftsspektrum. Insbesondere hier in Bayern, wo ungeniert und laut über Lynchjustiz gegen Grüne und alles was nicht so ist wie die CSU oder die Kirche sich das ausdenkt! (z.B. in kleinen Kneipen auf dem Land)

    • @Klaus Witzmann:

      "Wer Bilder von Politikern mit Füßen tritt, wer die Gesichter tritt, wo soll das enden?"



      Würden Sie auch so reagieren wenn es sich um Bilder von Erdogan, Trump oder Höcke handeln würde?



      Nur weil es Politiker sind sollte man sie respektieren müssen?



      Wir sind in Deutschland mittlerweile viel zu lasch was die Meinungsäußerung angeht, natürlich kümmert es die "Volksvertreter" nicht mehr was wir sagen.

      • @Abraham Abrahamovic:

        Ich mache da ganz unverhohlen einen Unterschied zwischen extremistischen und demokratischen Politikern.

        Wer ein Bild von Höcke tritt, tritt damit symbolisch eben auch den Faschismus, für den er steht.

        Und das ist moralisch gut, weil Faschismus eben zutiefst moralisch verwerflich ist und kein Demokrat anderer Meinung sein kann.

        Dasselbe gilt nun mal nicht bei einem Bild von Lindner, Habeck oder Faeser.

        • @Suryo:

          Zustimmung,

          Lindner, Habeck und Faeser mögen Fehler machen oder sogar korrupt sein.

          Sie sind von uns gewählt und wenn wir diese Leute auf Fußabtreter drucken, treten wir auch unsere gemeinsame Wahlentscheidung mit Füßen.

          Ich denke, genau die Gesamtdeligitimierung und gar nicht die Politiker selbst ist auch das insgeheime Ziel solcher Aktionen. Die Politiker stellen nur ihre Gesichter zur Verfügung.

          • @Sonntagssegler:

            Eben. Ich bin politisch auch ein „Feind“ der FDP. Aber mir würde nicht in den Sinn kommen, sie verbieten lassen zu wollen. So unerfreuliche Wirkungen eine FDP-Regierung auch hätte, unser aller Grundrechte und das Fundament unseres demokratischen Staates blieben erhalten.

            Bei der AfD ist das anders. Sie ist nun mal keine normale Partei. Rechtsextremismus unterscheidet sich ganz prinzipiell von legitimen politischen Ideologien im Rahmen der demokratischen Grundordnung.

  • Immerhin gibt es den zeitnahen Versuch einer Aufarbeitung. In anderen Bundesländern - looking at you, Saxony - gäbe es das gar nicht.