Bündnis Sahra Wagenknecht: Vorwärts immer
Alexander King organisiert den Aufbau der Wagenknecht-Partei in Berlin. Auf Bezirksebene könnte das Bündnis demnächst erstmals eine Fraktion bilden.
Der Ex-Bezirkschef der Linken Tempelhof-Schöneberg sitzt als einziger BSWler im Abgeordnetenhaus. Aus der Linken nebst Fraktion war King im Oktober vergangenen Jahres ausgetreten. Seither organisiert er den Aufbau der Wagenknecht-Truppe in Berlin und ist damit schon qua Amt für das Verbreiten von Optimismus zuständig.
Das Beschwören des eigenen guten Wegs dürfte – neben dem Beklagen der darüber hinausgehenden politischen Großwetterlage – an diesem Samstag auch der Sound sein auf dem BSW-Gründungsparteitag im früheren DDR-Kino „Kosmos“ an der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain. King selbst will auf dem ersten Großevent der Partei keine Rede halten. Er organisiert.
Nach dem Parteitag sollen weitere Mitglieder aufgenommen werden. „Aber das wird ein langsamer Prozess sein“, sagt King. „Wir wollen die künftigen Mitglieder persönlich kennenlernen.“ Es gehe darum, dass das Wagenknecht-Bündnis geschützt wird vor Leuten, „die nicht so politisch motiviert oder vielleicht falsch motiviert sind“, wiederholt er die offizielle Parteilinie.
Ex-Linke beklagen Abgrenzungsaktionen
Auf der Suche nach den richtig Motivierten ist das BSW in Berlin auf Bezirksebene vereinzelt immerhin schon fündig geworden. So zählen die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg je einen Überläufer von der Linken zum Wagenknecht-Bündnis. In Tempelhof-Schöneberg verließen zwei Verordnete die Linksfraktion und bilden nun eine BSW-Gruppe in der BVV. Für mehr reicht es hier derzeit nicht. Um auf Bezirksebene eine Fraktion bilden zu können, müssen sich mindestens drei Verordnete zusammenschließen.
Demnächst freilich dürfte es auch das erstmals geben. Denn wie erst jetzt bekannt wurde, hatten in der BVV Lichtenberg schon vor Wochen Co-Fraktionschef Norman Wolf und zwei weitere Verordnete der Linken erklärt, die Partei zu verlassen.
In einem der taz vorliegenden Schreiben an die Lichtenberger Linksfraktion beklagen sich Wolf und die beiden anderen Ex-Linken darüber, dass sich Mitglieder des Bezirksverbands „an den Abgrenzungsaktionen unter dem politischen Kampfbegriff ‚Linkskonservatismus‘ intensiv beteiligt“ hätten. Man selbst habe „in Partei und Fraktion über Jahre immer wieder Wege gesucht, die unterschiedlichen Positionen in Partei und Fraktion zu versöhnen und zu einen“.
Das sei dann doch eine recht eigenwillige Lesart der Ereignisse, heißt es hierzu auf Nachfrage aus der Linken Lichtenberg. Vielmehr sei es genau umgekehrt. Gesprächsangebote an die drei Wagenknecht-Anhänger seien von diesen nicht angenommen worden. Was stimmt, lässt sich nicht nachprüfen.
Beinharte Machtkämpfe in Lichtenberg
Klar ist: Die Gräben zwischen den Wagenknecht-Anhänger:innen und -Gegner:innen sind in der Lichtenberger Linken seit Langem tief. Wobei beinharte Machtkämpfe und persönliche Animositäten in der einstigen Hochburg der Linken fast schon zum Markenkern des Bezirksverbands gehören. Doch Hochburg war einmal, auch wenn die Linke mit ihren 14 Verordneten in der BVV bislang noch gut dastand.
In der Linksfraktion sorgt aber letztlich weniger der als unvermeidlich beschriebene Abgang der drei Wagenknecht-Fans für Unmut, sondern ein durchaus skurriler anderer Punkt. Denn die BSWler wollen vorerst gar keine eigene Fraktion bilden, sondern in der Linksfraktion bleiben, wenigstens bis zur Teilwiederholung der Bundestagswahl am 11. Februar – „um alle Konzentration auf den Wahlkampf richten zu können und Unruhe vom Bezirk fernzuhalten“, wie sie schreiben.
„Das ist äußerst verwunderlich“, versucht es die Lichtenberger Linken-Verordnete Claudia Engelmann freundlich zu formulieren. Schließlich hätten sich die drei sehr bewusst für den Austritt aus der Partei entschieden. „Und sie sagen ja selbst, dass sie unsere Positionen nicht mehr vertreten können. Ich habe da kein Vertrauen mehr für eine weitere Zusammenarbeit“, sagt Engelmann zur taz.
BSW-Organisator Alexander King gibt auch in dieser Frage den Parteioptimisten. Im Moment sei das Verhältnis zur Linken sicher schwierig – „wie es nach einer Trennung nun mal ist“, sagt er. Aber: „Natürlich wird es Politikfelder geben wie die Wohnungspolitik, wo wir auf einer Linie sind.“ Da wäre eine Zusammenarbeit ja wohl naheliegend.
Berliner Linke verzeichnet insgesamt starken Zulauf
Auf Seiten der Linken zuckt man bei solchen Worten auch auf Landesebene eher gleichgültig mit den Schultern. „Die sind für uns erst einmal weg“, sagt Landesgeschäftsführer Sebastian Koch zur taz. Zur Wahrheit gehört: Im wagenknechtkritischen Landesvorstand der Berliner Linken hält sich das Bedauern über den Bruch nach den jahrelangen innerparteilichen Auseinandersetzungen ohnehin schwer in Grenzen.
Der Trennungsschmerz wiegt umso schwächer, als der Hauptstadt-Linken die Abspaltung offenkundig nicht geschadet hat, „rein von den Zahlen her“, wie Koch sagt. So hat die Linke in Berlin nach eigenen Angaben – Stand Donnerstag – 7.299 Mitglieder, fast 130 mehr als noch zu Anfang des Monats. Seit der Ankündigung der BSW-Gründung Mitte Oktober zählt die Berliner Linke sogar über 900 Neuzugänge. „Die Leute rennen uns die Bude ein“, sagt der Landesgeschäftsführer.
Das beansprucht letztlich auch Alexander King für seine Wagenknecht-Truppe. „Die strategische Ausrichtung der Linken, die wir falsch finden, geht in einer Stadt wie Berlin mit ihrem aktivistischen Milieu natürlich besser auf als anderswo“, sagt King. Trotzdem mangele es auch in der Hauptstadt nicht an Leuten, die sich „von unserem Angebot“ angesprochen fühlten. „Anders gesagt: Berlin ist nicht Zwickau, aber Berlin ist auch nicht nur Kreuzberg.“
Im Stadtparlament des sächsischen Zwickau war vor kurzem über die Hälfte der Linksfraktion von der Fahne gegangen und zum BSW gewechselt. Von solchen Absetzbewegungen kann in Berlin nicht einmal ansatzweise die Rede sein.
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