Urteil zur NPD-Parteienfinanzierung: Generalprobe mit der NPD
Die verfassungsfeindliche NPD (Die Heimat) darf nicht mehr staatlich finanziert werden. Das Urteil ist auch für ein mögliches AfD-Verbot relevant.
Schon seit zwei Jahrzehnten versucht die Bundespolitik, gegen die rechtsextremistische NPD vorzugehen. Ein erstes Verbotsverfahren scheiterte 2003, weil in den NPD-Vorständen zu viele staatliche Spitzel saßen und das Verfahren daher nicht fair war. Ein zweiter Verbotsanlauf endete 2017 zwar mit der Karlsruher Feststellung, dass die NPD verfassungsfeindlich ist. Sie konnte dennoch nicht verboten werden, weil sie zu schwach ist und ihr somit das Potenzial fehlt, ihre politischen Ziele zu erreichen.
Auf Anregung des Bundesverfassungsgerichts änderten daraufhin Bundestag und Bundesrat binnen sechs Monaten das Grundgesetz. Nun kann eine verfassungsfeindliche Partei auch von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden. Auf die Potenzialität, also die Stärke der Partei, kommt es hier nicht mehr an. An diesem Dienstag wandte das Bundesverfassungsgericht die neue Verfassungsnorm erstmals an.
Ausgelöst wurde das Urteil durch einen gemeinsamen Antrag von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, der 2019 beim Bundesverfassungsgericht einging. Eine mündliche Verhandlung fand im Juli 2023 statt. Die NPD sagte kurzfristig ihre Teilnahme ab. Sie werde nicht an einer „Justizsimulation“ teilnehmen. Auch bei der jetzigen Urteilsverkündung blieben die Plätze der NPD leer.
Die NPD hat heute noch rund 3.000 Mitglieder (in den 1960er Jahren waren es bis zu 50.000). An 10 der letzten 16 Landtagswahlen hat sie gar nicht mehr teilgenommen. Im Übrigen waren die Wahlergebnisse so schlecht, dass die Partei schon deshalb ihren Anspruch auf staatliche Zuschüsse verloren hat. Das jetzige Urteil ist aber nicht rein symbolisch. Denn es nimmt der NPD auch weitere Vorteile. So sind Spenden an die NPD nicht mehr steuerbegünstigt. Außerdem ist die NPD nicht mehr von der Erbschafts-, Schenkungs- und Körperschaftssteuer befreit.
Die NPD hatte in ihren Schriftsätzen schon die Verfassungsänderung von 2017 nicht akzeptiert. Es handele sich hier um „verfassungswidriges Verfassungsrecht“. Die Möglichkeit, verfassungsfeindlichen Parteien die Finanzierung abzuschneiden, verstoße gegen das unveränderliche Demokratieprinzip. Diese Argumentation wies das Bundesverfassungsgericht nun aber zurück.
Verfassungsfeindlichkeit schon 2017 bestätigt
Die Chancengleichheit der Parteien sei nur bei solchen Parteien vom Demokratieprinzip umfasst, die „die grundlegenden demokratischen Prinzipien anerkennen und achten“. Das Konzept der „wehrhaften Demokratie“, das ja sogar ein Verbot verfassungsfeindlicher Parteien ermöglicht, erlaube auch eine Benachteiligung von verfassungsfeindlichen Parteien im politischen Wettbewerb, wenn dies im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist.
Die bereits 2017 festgestellte Verfassungsfeindlichkeit der NPD sah das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Dass die NPD die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit ihren drei zentralen Elementen „Menschenwürde“, „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ bekämpft, machte das Gericht vor allem am ethnischen Volksbegriff der NPD fest. Sie gehe von einer „Volksgemeinschaft“ aus, die auf dem Abstammungsprinzip beruht. Dies führe zu einer rassistischen, insbesondere antimuslimischen, antisemitischen und antiziganistischen Grundhaltung und verletzte damit die Menschenwürde derjenigen, die nicht der ethnisch reinen Volksgemeinschaft angehören können.
Auch das Demokratieprinzip werde durch das völkische Denken der NPD verletzt. Das NPD-Postulat, „Volksherrschaft setzt Volksgemeinschaft voraus“, schließe „denknotwendig“ alle aus dem demokratischen Prozess aus, die der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ nicht angehören. Sowohl das Konzept der „Volksgemeinschaft“ als auch die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen laut Bundesverfassungsgericht eine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus erkennen.
Vier Erkenntnisse für die AfD
Mit Blick auf die AfD bringt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vier Erkenntnisse: Erstens ist das Instrument des Ausschlusses einer verfassungsfeindlichen Partei von der staatlichen Finanzierung jetzt voll einsetzbar. Letzte Zweifel an der Zulässigkeit hat das Bundesverfassungsgericht beseitigt. Zweitens hat das Gericht klargestellt, dass die Voraussetzungen für ein Parteiverbot und einen Finanzierungsausschluss fast identisch sind. Einziger Unterschied: Beim Parteiverbot ist eine gewisse Stärke/Potenzialität erforderlich.
Drittens kommt es für die Verfassungsfeindlichkeit nicht nur auf die Partei- und Wahlprogramme einer Partei an, sondern auf die „wirklichen Ziele“ der Partei. Hier muss die Partei sich auch Äußerungen der Parteiführung zurechnen lassen. Auch das Verhalten führender Funktionäre von Teilorganisationen wie Landesverbänden sind der Partei zuzurechnen.
Damit sind die Veröffentlichungen von Björn Höcke, des Thüringer Landesvorsitzenden, nicht nur seine Privatäußerungen, sondern wären auch für ein Verfahren gegen die AfD relevant. Bei verfassungsfeindlichen Aussagen einfacher Mitglieder kommt es darauf an, ob sie von der Partei geduldet werden oder ob sie mit Disziplinarmaßnahmen, etwa einem Antrag auf Parteiausschluss, dagegen vorgeht.
Viertens betonen die Richter:innen aber immer wieder, dass die Bestimmungen der „wehrhaften Demokratie“ Ausnahmecharakter haben und deshalb „restriktiv“, also vorsichtig auszulegen, sind. Das heißt wohl: Im Zweifelsfall wird das Bundesverfassungsgericht ein Parteiverbot und einen Antrag auf Finanzierungsausschluss ablehnen.
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