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Grünes Gold aus Malawi

Nutzhanf und medizinisches Cannabis sind schon legal – ein Ende des Verbots von Marihuana aber könnte Malawi Hunderte Millionen Dollar bringen

Aus MalawiFlorence Mwale

Im Jahr 1980 hinterließ der legendäre Reggae-Musiker Bob Marley einen nachhaltigen Eindruck in der gerade unabhängig gewordenen Nation Simbabwe, dem früheren Rhodesien. Mit seiner Band, den Wailers, trat er bei der offiziellen Zeremonie zur Feier der Unabhängigkeit des Landes von der britischen Herrschaft auf. Marley ahnte nicht, dass sein Besuch in Afrika nicht nur wegen seiner ikonischen Musik in die Geschichte eingehen würde, sondern auch wegen einer unerwarteten Entdeckung, die er machte: Malawi Gold, eine lokale auch als „Chamba“ bekannte Cannabissorte, die fortan Kultstatus erlangen sollte.

Als Marley in die pulsierende Atmosphäre Simbabwes eintauchte und Malawi Gold probierte, lobte er das „Kraut“ dafür, dass es ihn „unbesiegbar“ machte. Das legte den Grundstein für eine faszinierende Symbiose von Kultur, Wirtschaft und Landwirtschaft in Malawi.

Obwohl es nicht legal ist, gehört Malawis Marihuana zu den besten Sorten der Welt. Die Weltbank stuft es als eine der am stärksten psychoaktiven der rein afrikanischen Sativa-Sorten ein und stellte 2011 fest, dass der Handel mit Marihuana etwa 0,2 Prozent des jährlichen BIP von Malawi ausmacht. Heute soll die Pflanze eines der wichtigsten Exportgüter des Landes sein, obwohl jährlich fast zehn Tonnen im Inland beschlagnahmt werden. Für jene, die nicht erwischt werden, ist das Marihuana aus Malawi eine perfekte Cash-Cow, mit der sich gut Devisen erwirtschaften lassen.

2022 rechnete der Wissenschaftler Brian Phiri Kampanje aus, dass Malawi durch die Cannabis-Industrie jährlich eine halbe Milliarde US-Dollar einnehmen könnte, wenn die Behörden den Anbau zulassen und regulieren würden. Denn trotz des Verbots in Malawi wächst der Schwarzmarkt – zum Nachteil für den Staat, der von den Erlösen profitieren könnte.

Doch obwohl die UN Marihuana für medizinische Zwecke von der Liste der harten Drogen gestrichen haben, und manche Touristen das Land nur wegen des betörenden „Chamba“ besuchen, steht die malawische Regierung einer Legalisierung skeptisch gegenüber. Und auch NGOs und religiöse Vereinigungen lehnen eine Freigabe der beliebten Pflanze ab. Die Gruppe Drug Fight Malawi etwa verweist auf Psychosen, die durch missbräuchlichen Konsum ausgelöst werden können. Die Organisation ist der Ansicht, dass eine Legalisierung mehr Schaden anrichten und auch bei den Einheimischen auf Widerstand stoßen würde.

Der Wissenschaftler Kampanje hingegen ist überzeugt, dass die Vorteile der Hanfnutzung überwiegen. Alle wüssten, dass viele Touristen kommen, um Cannabis im Land zu konsumieren, die Tourismusindustrie profitiere vom informellen Handel. „Millionen von Menschen auf der ganzen Welt sind daran interessiert, das Malawi Gold zu probieren“, sagt Kampanje. Die Regierung sollte mit Staaten wie die USA und Kanada, die den Konsum legalisiert haben, über einen Modus für den Export verhandeln.

Lange hatte Malawi auf den Tabakexport gesetzt, kämpft aber seit einiger Zeit mit einem Rückgang der Nachfrage. Ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und Berichte über Kinderarbeit auf Tabakplantagen hatten den Absatz einbrechen lassen.

2020 verabschiedete das Parlament dann ein Gesetz zur Regulierung von Cannabis und entkriminalisierte damit dessen Nutzung für den industriellen und den medizinischen Gebrauch. Mit diesem Schritt zog Malawi mit Nachbarländern wie Simbabwe, Sambia, Lesotho und Südafrika gleich. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen Nutzhanf, medizinischem Cannabis und Marihuana für den Freizeitkonsum, das immer noch verboten ist. Als Grenze zwischen Nutzhanf und Marihuana wurde ein Mindestanteil von 0,3 Prozent der psychoaktiven Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) festgelegt.

Bei der Haushaltsdebatte 2023 sagte Finanzminister Simplex Chithyola im Parlament, dass Malawi jährlich allein etwa 700 Millionen US-Dollar aus der Biomasse von Cannabis erwirtschaften könne. Die Regierung will das Cannabisgesetz entsprechend überarbeiten.

Der Landwirtschaftsexperte Tamani Nkhono Mvula bezweifelt indes, dass Malawi eine Cannabis-Wirtschaft aufbauen könne, die auf dem internationalen Markt so wettbewerbsfähig sei wie der früher im Land angebaute Tabak. Viele hätten geglaubt, dass Hanf Tabak als Haupteinkommensquelle für Malawi ersetzen könne. „Aber im Laufe der Jahre hat sich der Hype gelegt“, sagt Mvula. Die meisten Landwirte, die in den Cannabisanbau einsteigen wollten, sind zum Tabak oder zu anderen Nutzpflanzen zurückgekehrt, weil sich das Versprechen nicht erfüllt habe. Malawi fehle es an personellen Ressourcen und Infrastruktur, um Cannabis in großem Stil anzubauen, glaubt Mvula.

Betchani Tchereni, der Präsident des Wirtschaftsverbandes, plädiert derweil für eine Sekung der hohen Lizenzgebühren durch die 2020 gegründete Cannabis-Regulierungsbehörde CRA. Das würde mehr Landwirte dazu motivieren, in den Anbau einzusteigen. Die Gebühren seien ein „großes Hindernis“ für den Einstieg, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Tchereni. Derzeit werden für die Erlaubnis, Nutzhanf zu produzieren, immerhin 2.000 US-Dollar und für medizinisches Cannabis gar 10.000 US-Dollar fällig. Die CRA hat zumindest beim Industriehanf eine Senkung in Aussicht gestellt.

Es wird geschätzt, dass das Geschäft mit legalem Cannabis in Malawi 2023 ein Volumen von rund 57 Millionen US-Dollar erreicht hat, Tendenz steigend. Mit den USA und einigen EU-Staaten gibt es zudem schon heute große potentielle Absatzmärkte für Marihuana, auch in Deutschland oder Spanien wird über eine Legalisierung diskutiert.

Der Einstieg Malawis in den Cannabismarkt könnte dem Land wirtschaftlich helfen. Gleichzeitig er Chancen, die keiner so gut wie Bob Marley beschrieben hat: „Emanzipiert euch von der geistigen Sklaverei. Niemand außer uns selbst kann unseren Geist befreien.“ Diese Zeile aus Marleys berühmten Song „Redemption“ erinnert daran, dass echte Freiheit aus einer Haltung erwächst, die die Stärkung der Menschen als Ganzes in den Vordergrund stellt. Malawis Einstieg in den Cannabissektor ist eine Chance, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern und – ganz im Sinne Marleys – den Geist der Menschen zu befreien.

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