Protest in „Tümpel Town“: Trümmerfeld statt Baumhaus-Camp
Die Polizei hat den besetzten Wald in Hannover geräumt. Dort soll eine breitere Schnellstraße entstehen.
Hannover taz | „I’m still standing“ von Elton John schallt am Mittwochmorgen über die Leinemasch. Trotz klirrender Kälte harren ein paar letzte Aktivist*innen in der Baumbesetzung „Tümpel Town“ aus. Sie seien noch mit einer zweistelligen Zahl vor Ort, lassen die Aktivist*innen per Messenger wissen.
Seit September 2022 besetzen sie das Waldstück neben dem Südschnellweg in Hannover. Das Ziel: die Verbreiterung der Schnellstraße verhindern, die quer durch das Naturschutz- und Naherholungsgebiet Leinemasch führt. Die Polizei Hannover lässt sich davon nicht aufhalten. Stück für Stück werden weiter Aktivist*innen aus den Bäumen gepflückt. Um halb zwölf wird am Mittwoch die letzte Person in Gewahrsam genommen.
Seit Montag war die Polizei Hannover mit Spezialeinheiten und schwerem Gerät im Großeinsatz. Bis Redaktionsschluss wurde eine Personenzahl im mittleren zweistelligen Bereich aus den Bäumen geräumt und rund um die Waldbesetzung in Gewahrsam genommen, heißt es von der Pressestelle. Ermittelt werde wegen Hausfriedensbruch, tätlichen Angriffs, Sachbeschädigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.
Eigentlich hatten die Aktivist*innen geplant, kollektiv ihre Identität geheim zu halten, um eine Strafverfolgung zu verunmöglichen. Geklappt hat das wohl nur zum Teil. „Barrio Tümpeltown“ schreibt auf Instagram, im Gewahrsam seien Aktivist*innen zunächst nicht mit Essen und Trinken versorgt worden. Auch Kontakt zu einem Anwalt hätten Personen erst nach Angabe ihrer Identität erhalten. Ein*e Aktivist*in sei circa fünf Stunden in Unterwäsche in einer Zelle liegen gelassen worden, bis diese die Identität preisgegeben habe.
Kritik an Polizeieinsatz
Die Polizei Hannover weist die Vorwürfe auf Anfrage der taz zurück. Eine Versorgung sei gegeben gewesen und der Anwalt nach Legitimation durchgelassen worden. Überprüfen lässt sich das nicht.
Hinter den Aktivist*innen steht nach wie vor ein Bündnis. „Leinemasch bleibt“ hatte zwar nicht die Baumbesetzung organisiert, ist aber solidarisch mit „Tümpel Town“. „Es ist unfassbar, dass diese Räumung und diese Rodung nun wirklich passieren“, sagt Tabea Dammann, die Pressesprecherin der Gruppe. Gemäßigte und radikalere Aktivist*innen machen bei „Leinemasch bleibt“ gemeinsame Sache und versuchen, den Ausbau zu verhindern. Die Maßnahmen der Polizei seien in vielen Teilen unverhältnismäßig, prangert Dammann an.
Sie und ihre Mitstreiter*innen wollen weiter protestieren. „Straßen müssen nach Klimazielen und nicht nach Verkehrsprognosen geplant werden“, sagt die Aktivistin der taz.