piwik no script img

Islam in Deutschland100 deutsche Imame pro Jahr

Die Entsendung von Imamen aus der Türkei soll schrittweise enden. Aber wie genau? Das Innenministerium verkündet die Details.

Recep Tayyip Erdogan bei der Eröffnung Ditib-Grossmoschee in Köln-Ehrenfeld im Jahr 2018 Foto: Guido Schiefer/epd/imago

Berlin taz | Der größte Islam-Verband in Deutschland, DITIB, bildet seine Prediger künftig in Deutschland aus. Diese Imame sollen „schrittweise“ jene Vorbeter ablösen, die bisher aus der Türkei nach Deutschland entsandt werden. Das gab das Bundesinnenministerium am Donnerstag bekannt. „Das ist ein wichtiger Meilenstein für die Integration und die Teilhabe muslimischer Gemeinden in Deutschland“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Jahrelang hat Deutschland mit der Türkei über dieses komplizierte Thema verhandelt. Den Durchbruch verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im November bei seinem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Berlin. Man habe sich geeinigt, die Entsendung von Imamen aus der Türkei zu beenden, hieß es. Nun sind die Details geklärt. „Wir mussten warten, bis die Papiere fertig waren“, sagte Jörn Thießen, der zuständige Leiter der Abteilung Heimat im Innenministerium, am Donnerstag der taz. „Es fehlten nur noch die Unterschriften.“ Jetzt ist die Tinte trocken, die Arbeit kann beginnen.

Der Plan ist, dass die DITIB jedes Jahr 100 Imame in Deutschland ausbildet, die künftig in den Moscheen des Verbands predigen sollen. Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“, wie der volle Name der DITIB auf Deutsch lautet, ist die deutsche Zweigstelle der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara, und mit bundesweit rund 900 Moscheegemeinden zugleich der größte Islamverband in Deutschland.

Die Imame, die in den DITIB-Moscheen predigen, werden bisher von der türkischen Religionsbehörde Diyanet in Ankara bezahlt und in der Regel für vier Jahre nach Deutschland entsandt. Sie reisen mit Arbeitsvisa ein, die Religionsattachés in den türkischen Konsulaten sind für sie zuständig. Auch Moscheen, die der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (ATIB) oder Milli Görüs angehören, greifen auf das Angebot aus Ankara zurück.

Langer Anlauf für den Kurswechsel

Weil diese Imame als türkische Staatsbeamte den Weisungen aus Ankara unterliegen und zum Teil nur wenig über das Leben in der deutschen Gesellschaft wissen, bevor sie nach Deutschland kommen, steht dieses Modell schon seit langem in der Kritik. Nun soll sich das System ändern. Dafür brauchte es ein Abkommen mit der Türkei.

Der Kurswechsel wurde lange vorbereitet. Vor drei Jahren hat die DITIB im Eifel-Ort Dahlem eine eigene Akademie eingerichtet, um Imame in Deutschland auszubilden. Die ersten 25 Teilnehmer schlossen im vergangenen Jahr ihre zweijährige Ausbildung ab. Aktuell nehmen laut Akademieleitung 35 islamische Theologen am zweiten Lehrgang teil – elf Männer und 24 Frauen.

Um das Tempo zu beschleunigen, will die Bundesregierung die Ausbildung der Imame im Inland finanziell fördern – mit insgesamt 500.000 Euro im Jahr. Ihre Ausbildung soll Deutsch-Unterricht, islamische Religionslehre sowie deutsche Geschichte, gesellschaftspolitische Fragen und Werte umfassen und auch Absolventen der Studiengänge für Islamische Theologie an deutschen Universitäten offen stehen.

Wechsel in der Personalaufsicht

Dafür soll die DITIB-Akademie künftig mit dem Islamkolleg Deutschland (IKD) zusammenarbeiten, das eng mit der Universität Osnabrück verbunden ist. Das Islamkolleg wurde 2019 gegründet, um islamische Geistliche und Seelsorger auszubilden, und wird vom Bundesinnenministerium gefördert. Im September 2022 verließen die ersten 26 Absolventen das Islamkolleg mit einem Zertifikat.

Bis die rund 1.000 von der türkischen Religionsbehörde Diyanet entsandten und bezahlten Imame vollständig durch in Deutschland ausgebildete Prediger ersetzt worden sind, wird es viele Jahre dauern. Unklar ist etwa noch, wer die Vorbeter künftig bezahlt. Bereits im nächsten Jahr soll die DITIB aber die Fachaufsicht über ihre Imame übernehmen. Die Zentrale in Köln wird dann die Verantwortung für ihr religiöses Personal übernehmen.

Lamya Kaddor, die innenpolitische Sprecherin der Grünen, begrüßt diese Weichenstellung. Zwar bliebe die enge Verbindung der DITIB mit der Regierung Erdogan weiter bestehen. Dennoch sei es „ein wichtiges Signal“, dass die direkte Einflussnahme des türkischen Staats zurückgedrängt werde. Kaddor fordert, „dass zusätzlich liberale, progressive Kräfte des Islams in Deutschland ebenfalls als Part­ne­r*in­nen anerkannt und gefördert werden“.

Positiv äußerte sich auch die religionspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Sandra Bubendorfer-Licht: „Hier wird deutlich, dass wir auch im Gespräch mit schwierigen Partnern zu wichtigen und guten Ergebnissen kommen, die unionsgeführte Regierungen in 16 Jahren nicht erzielen konnten“, sagte sie. Nur die DITIB selbst äußerte sich nicht zu dem Plänen. Weder gab sie eine eigene Presseerklärung heraus, noch war sie am Donnerstag für Fragen zu erreichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Nancy Faeser bezeichnet es als „Meilenstein“. Diese Meldung ist das Papier nicht wert auf dem sie steht, bzw. den Speicherplatz den es dafür bedarf.

    100 Imame sollen pro Jahr in Deutschland ausgebildet werden. Ansonsten ändert nicht viel. Sie sind zwar keine „Beamte“ des türkischen Staates mehr und werden zukünftig von der DTIP bezahlt. Allerdings wird die DTIP weiter aus Ankara finanziert und bleibt weiter unter Kontrolle Erdogans mit seinem willfährigen Werkzeug Ali Erbas.

    An der inhaltlichen „Kontrolle“ wird sich nichts ändern. Erdogan verbreitet weiterhin sein "Weltbild". Ali Erbas, der Antisemit und oberster Religionswächter Erdogans, wird weiterhin sein Auge auf der DTIP behalten und dafür Sorgen das die „Religiösen Inhalte“ mit der Politik Erdogans konformgehen. Das bleibt unangetastet.

    Religiöse Fanatiker sind neben Nationalisten die größte Gefahr für komplexe und vielschichtige Gesellschaften. Diese Vereinbarung als „Meilenstein“ verkaufen zu wollen ist verantwortungsloser Unsinn. Religiöse „Führer“ verbreiten so ungehindert ihr Gift in unserer Gesellschaft. Gleichzeitig hilft es Erdogan sich im eigenen Land an der Macht zu halten und die Menschen bei uns zu beeinflussen und eine „Integration“ zu untergraben.

    Der Vorsitzende der Alhambra Gesellschaft, Eren Güvercin, bezeichnet das als „Winzigen Schritt“ und relativiert so den „Meilenstein“ der Innenministerien deutlich.

  • "Die Entsendung von Imamen aus der Türkei soll schrittweise enden"

    Was denn? Nach all den Jahren haben die plötzlich ne gute Idee? Kann ja nichts werden. Schicken wir Erdo seine DITIB Leute dann zurück oder dürfen die weitermachen?

    • @Paul Anther:

      Die sind doch ohnehin immer nur für 4 Jahre hier. Sonst könnten sie sich ja an das Leben hier gewöhnen...