Hochwasser in Niedersachen: Keine Entwarnung – aber Hoffnung

Auch wenn sich die Lage in einzelnen Gebieten weiter zuspitzt, gibt das Wetter in Niedersachsen Grund zum Aufatmen. Doch die Lehren stehen noch aus.

Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) sind im Einsatz, um ein Wohnhaus am Osternburger Kanal vor dem drohenden Hochwasser mit Sandsäcken zu sichern

Huckepack statt Büroalltag: In Oldenburg sollen ehrenamtliche Rettungskräfte weiter von ihren Jobs freigestellt werden Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

HANNOVER taz | Möglicherweise werden es am Ende zwei Faktoren sein, die dafür sorgen, das Niedersachsen beim Hochwasser glimpflicher davon kommt als befürchtet. Der erste: Die Flut kam mit Ansage, das verschaffte den Einsatzkräften Zeit, mobile Schutzsysteme zu installieren. Der zweite Faktor: Das Wasser fand genug plattes Land, auf dem es sich ausbreiten konnte.

Bei aller Erleichterung darüber, dass der Regen endlich nachlässt – für eine Entwarnung ist es am Mittwoch noch zu früh. Mit einiger Verzögerung erst lassen sich die Höchststände der Wassermassen an den Pegeln von Aller, Leine und Oker nachlesen. Auch Weser und Ems führten zuletzt wieder mehr Wasser. In einzelnen Regionen spitzt sich die Lage deshalb weiter zu.

Für die Landkreise Celle, Verden, Oldenburg, Osterholz, das Emsland und den Heidekreis gilt immer noch der Status „außergewöhnliches Ereignis“ – das ist eine Stufe vor der Ausrufung des Katastrophenfalls. Besonders betroffen ist auch die Stadt Oldenburg, wo sich mehrere hundert Menschen auf eine mögliche Evakuierung vorbereiten.

Auch deshalb hat die Staatskanzlei zusammen mit den Kammern und Verbänden gerade noch einen Appell an die Arbeitgeber gerichtet. Sie müssen die rund 140.000 ehrenamtlichen Fluthelfer von Feuerwehr und THW weiter freistellen.

Die Talsperren und das Hochwasser

Trotzdem, erklärt Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), es sei doch auch beeindruckend, dass man bisher weniger als 2.000 Menschen aus ihren Häusern habe holen müssen – obwohl weite Teile des Landes unter Wasser stünden. Das zeige eben auch, dass man nach dem Hochwasser 2017 gelernt habe.

Auf X (früher Twitter) tummeln sich derweil schon die ersten Verschwörungserzähler, die vom Staat als Verantwortlichen des Hochwassers raunen. Der Hintergrund: Die komplexe Steuerung der Talsperren im Harz. Die Resevoirs waren an den Weihnachtsfeiertagen vollgelaufen und mussten in der Folge Wasser ablassen, was zum großen Bangen an den Unterläufen führte.

Doch die befürchteten Hochwasserwellen blieben weitgehend aus. Pünktlich zum Eintreffen des Dauerregens konnten die Talsperren neues Wasser fassen. „Entgegen aller anders lautender Gerüchte haben wir es insgesamt geschafft, zur Dämpfung der Hochwasserwellen beizutragen“, sagte Anne Rickmeyer, die Direktorin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).

Doch möglicherweise muss man bei den Talsperren, die vor allem Trinkwasserreservoir und Energielieferant sind, langfristig nachjustieren. Denn auch dieses System muss auf den Klimawandel reagieren, wie ein Forschungsprojekt der TU Clausthal im vergangenen Jahr zeigte.

Einerseits fallen die Pegel nach langen Dürremonaten auf ungeahnte Tiefen. So wurden im Dezember 2022 in der Okertalsperre die Überreste des 1954 gefluteten Dorfes Unterschulenberg wieder sichtbar. An­dererseits müssen im Januar und Februar plötzlich große Niederschlagsmengen aufgefangen und gehalten werden. Darauf sind die Systeme bisher nicht ausgelegt gewesen.

Weil zur verpflichtenden Elementarschadenversicherung
Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident

„Solche Wetterereignisse werden nicht weniger“

In der Fläche und an den Flüssen spielen andere Maßnahmen eine Rolle: Renaturierungen, Auewälder, Überlaufflächen – doch anders als prestigeträchtige Großprojekte verliert sich hier vieles im kommunalen Klein-Klein. Wer hier seine Hausaufgaben gemacht hat, wird sich wohl erst feststellen lassen, wenn das Wasser endlich abgeflossen ist.

Das gilt auch für die Schadenssumme, wie Ministerpräsident Weil betonte. Debatten über eine Aussetzung der Schuldenbremse hielt er deshalb für verfrüht. Die Landesregierung diskutiere aber über die Aufsetzung eines Fonds wie nach dem Hochwasser 2017. Über Umfang und Konditionen werde noch beraten.

Weil plädierte auch dafür, über eine Pflicht zu Elementarschadenversicherungen nachzudenken. Dies werde von allen Bundesländern gefordert. „Solche Extremwetterereignisse werden nicht weniger, sondern eher mehr.“

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