Kriegsziele in Gaza: Keine Waffenruhe in Sicht

Während die Bevölkerung Gazas von einer Hungersnot bedroht ist, erreicht Israel seine Kriegsziele nicht.

Ein Krnakenpfleger steht in einem verwüsteten Raum

Zerstörung nach einem israelischen Luftangriff im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis im Gazastreifen Foto: afp

Für kurze Zeit liefen die Verhandlungen über einen Geiselaustausch wieder, doch am Donnerstag sind sie krachend gescheitert. Hamas lehnte einen Vorschlag Israels über eine Feuerpause und einen Austausch von Geiseln und palästinensischen Gefangenen ab. Es werde keine weiteren Verhandlungen vor einem vollständigen Waffenstillstand und einem Rückzug des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen geben.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte auf diese Forderungen eindeutig: „Wir kämpfen bis zum Sieg. Wir werden den Krieg nicht beenden, bevor wir nicht alle Ziele erreicht haben – die vollständige Zerstörung der Hamas und die Freilassung aller unserer Geiseln.“

Israels Vorschlag hatte eine einwöchige Feuerpause vorgesehen, wenn Hamas einige Dutzend Geiseln freilassen würde. Im Gegenzug hätte Israel palästinensische Gefangene freigelassen, unter ihnen auch solche, die wegen schwerwiegender Angriffe auf Israelis verurteilt wurden.

Für die Familienangehörigen der Geiseln ist das Scheitern der Verhandlungen ein schwerer Schlag. Israel scheint nun vor der Wahl zu stehen, entweder einem Waffenstillstand zuzustimmen, ohne die Kriegsziele erreicht zu haben, oder den Krieg weiterzuführen und die Befreiung der Geiseln als zweitrangig zu behandeln.

2 Liter Wasser pro Tag und Kind

Derweil sehen immer mehr Israelis, dass Hamas zwar bedeutend geschwächt werden kann, jedoch wohl nicht militärisch komplett zerstört. International steigt der Druck auf Israel, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Die USA legen nahe, dass der Krieg im Januar in eine weniger intensive Phase übergehen könnte, in der das Militär seine Angriffe lokal und auf bestimmte Hamas-Kämpfer und -Führer begrenzt.

Der Sicherheitsrat hatte um den Text einer Resolution gerungen, der auch die USA zustimmen könnten. Doch die Abstimmung wurde am Freitag nochmals vertagt. Allerdings wurde der Text der Resolution bereits dahingehend abgeschwächt, dass kein Waffenstillstand gefordert wird, sondern lediglich auf ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe im Gazastreifen gedrängt wird.

Und die ist bitter nötig. Die Vereinten Nationen warnten, dass die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens unmittelbar von einer Hungersnot bedroht sei. Laut UN-Kinderhilfswerk stünden Kindern im südlichen Gazastreifen derzeit im Schnitt ein bis zwei Liter Wasser zur Verfügung – zum Trinken, Kochen und Waschen.

Israel ist derweil von der Erreichung des Kriegsziels – die Hamas zu zerschlagen – weit entfernt. Jeden Tag sterben nicht nur viele Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen in Gaza, sondern werden auch israelische Sol­da­t*in­nen getötet. Als Erfolg für das israelische Militär gilt jedoch die Entdeckung eines großen Tunnelnetzes unterhalb von Gaza-Stadt. Das Militär geht davon aus, dass sich die ranghöchsten Hamas-Funktionäre in diesem Tunnelnetz versteckten, als die Gruppe am 7. Oktober ihren Angriff auf den Süden Israels startete. Am Donnerstag ließ das Militär einen Teil des Netzwerks sprengen.

Angriffe auch im Norden und am Roten Meer

Das unterirdische Netzwerk war mit den Wohnungen und Büros von Hamas-Führern verbunden, darunter Mohammed Deif, dem Anführer des militärischen Flügels der Terrorgruppe, und Yahya Sinwar, dem obersten Hamas-Funktionär in Gaza. Zuvor hatte die Armee einen vier Kilometer langen Tunnel entdeckt, der bis zum israelischen Grenzübergang Erez reichte und breit genug ist, dass ein Auto darin fahren kann. Ein von der Armee gefundenes Video zeigt den Bruder Yahya Sinwars bei der Fahrt durch den Tunnel.

Währenddessen heizt sich die Lage an den anderen Fronten weiter auf. Auch am Freitag feuerte die vom Iran unterstützte libanesische Miliz Hisbollah Raketen auf den Norden Israels. Israelische Kampfjets griffen daraufhin eine Reihe von Zielen der Hisbollah an. Zuvor waren zwei israelische Zi­vi­lis­t*in­nen bei einem Panzerabwehrraketenangriff aus dem Libanon verwundet worden. Israel hatte immer wieder erklärt, dass es eigene Maßnahmen ergreifen werde, wenn es der internationalen Gemeinschaft nicht gelänge, die Hisbollah mit diplomatischen Mitteln von der Grenze fernzuhalten.

Auch im Roten Meer gehen die Angriffe der Huthi-Rebellen weiter, die ebenfalls vom Iran unterstützt werden. Die EU bereitet eine Beteiligung an der US-Initiative zur militärischen Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer vor.

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