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„Das Wissen bleibt bei Biontech“

Die neue Impfstofffabrik in Ruanda hilft global gesehen nur wenig, sagt Gesundheitsexpertin Schwarwey

Interview David Muschenich

taz: Frau Scharwey, wissen Sie, weshalb Biontech in Ruanda baut?

Melissa Scharwey: Bisher gibt es in Ruanda keine wichtigen großen pharmazeutischen Unternehmen oder Infrastruktur. In Südafrika wäre das anders. Dort wird an mRNA-Technologien gearbeitet. Eine Kooperation mit Biontech könnte den Wissenstransfer beschleunigen, aber bisher hat Biontech eine Kooperation abgelehnt. Aber am Ende ist es natürlich trotzdem gut, auch andere Länder zu fördern, die bisher noch nicht die Infrastruktur oder einen Markt haben.

Was bringt das für die Gesundheit vor Ort?

Für die ist es wichtig, dass so viele Impfstoffe wie möglich, die auf dem Kontinent genutzt würden, auch dort produziert werden. Wenn die Produktion, sei es für Malaria, Tuberkulose oder eben Covid-19, so lokal wie möglich ist, gewährleistet das die Unabhängigkeit der Länder. Im Moment ist es aber so, dass nur etwa 1 Prozent der auf dem afrikanischen Kontinent verwendeten Impfdosen auch dort hergestellt wird.

Woran liegt das, gibt es so wenige Fabriken?

Es gibt geringe Produktionskapazitäten. Aber gerade beim Biontech-Impfstoff, der auf der mRNA-Technologie beruht, gibt es mindestens neun Hersteller auf dem afrikanischen Kontinent, die ihn produzieren könnten, wie wir in einer Studie von 2021 gezeigt haben. Das heißt, es gäbe Kapazitäten, aber schon existierende Hersteller müssten mit den Produktionsstätten kooperieren. Biontech zum Beispiel müsste Technologie und Know-how teilen. Aber genau das passiert auch jetzt in Ruanda nicht. Statt zu kooperieren, baut Biontech eine eigene Fabrik. Die Kontrolle und das Wissen bleiben beim Unternehmen und damit in Deutschland, auch wenn in Ruanda produziert wird. Das ist eine abhängige Produktion. Was es braucht, sind aber eigenständige und unabhängige Impfstoffproduktionen.

Sie glauben also, es gibt bessere Möglichkeiten, um Gesundheit in Ruanda zu schützen?

Foto: MSF

Melissa Scharwey ist Politische Referentin bei Ärzte ohne Grenzen für die Themen Zugang zu Medikamenten und Globale Gesundheits­politik.

Auf jeden Fall. Sicherlich ist jeder Schritt Richtung mehr Impfstoffproduktion und Medikamentenproduktion ein guter. Aber die Fabrik ist ja eine private Investition. Das heißt: Auch die Nachhaltigkeit, wie lange dieses Projekt läuft, ist eine private Entscheidung des Unternehmens und keine öffentliche.

Dabei wurde die Forschung zum Biontech-Impfstoff durch den Staat gefördert.

Genau. Die Bundesregierung hat die Forschung mit mehr als 375 Millionen Euro gefördert. Einfach geschenktes öffentliches Geld, um eben diesen Impfstoff zu entwickeln. Das wäre ein wichtiger Moment gewesen, um Rahmenbedingungen an das Geld zu knüpfen. Es ist wichtig, die Impfung zu erforschen und zu entwickeln. Aber wenn sie da ist und wirkt, brauchen wir faire Preise und Bedingungen für den gerechten Zugang. Das würde private Hersteller zu gerechter Verteilung bewegen und das könnte die Regierung sagen. Aber das macht sie aktuell nicht.