Identitäre versuchen’s noch mal

Vor drei Jahren scheiterten die rechtsextremen Identitären mit einem Hausprojekt in Halle. Nun unternehmen sie einen neuen Versuch in Chemnitz – und ernten auch hier Gegenwind

Von Konrad Litschko

Mit Wunderkerzen posieren die Identitären vor ihrem neuen Haus in Chemnitz, zeigen sich so auf einem Foto. Seit Monaten wollen die Rechtsextremen daran gearbeitet und das Gebäude auch schon für interne Veranstaltungen genutzt haben. Am Wochenende nun machte die Gruppe es öffentlich. Mit dem „Identitären Hausprojekt“ schaffe man ein „Zentrum für Gegenkultur“, tönte die Gruppe.

Damit schaffen es die kriselnden Identitären, seit Längerem mal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Vor Jahren machte die rechtsextreme Bewegung noch mit Besetzungsaktionen Schlagzeilen, eröffnete auch in Halle ein Hausprojekt. Dann aber verliefen sich die Aktionen, auch das Zentrum in Halle schloss nach Protesten Ende 2019.

Teile der Identitären waren aber weiter aktiv, reihten sich in Corona- oder Anti-Asyl-Proteste ein, fabulierten weiter von einem „großen Austausch“ der deutschen Bevölkerung durch Zugewanderte. In Sachsen erfolgte das in Camouflage: Schon im August benannten sich die Identitären dort in „Sachsengarde“ um, versicherten aber, die Aktionen der Identitären „nahtlos“ fortzusetzen. Es folgten asylfeindliche Banneraktionen und eine kurzzeitige Besetzung einer geplanten Geflüchtetenunterkunft in Dresden.

Nun folgt das Hausprojekt in Chemnitz, versteckt am Westrand der Stadt, in der Edison­straße. Schon im Oktober 2022 hatten der Identitären-Bundes­chef Philipp Thaler und der Chemnitzer Ortsgruppenleiter Vincenzo Richter die „T&R Chemnitz Immobilien UG“ gegründet. Diese kaufte nach taz-Informationen im Sommer das Eckhaus.

Laut Sachsens Innenministerium erfolgte die Eröffnung bereits am 3. November – publik machten sie die Identitären aber erst jetzt. Zu der Feier reisten Gleichgesinnte aus dem Bundesgebiet an, auch Vertreter der AfD-Jugend und die AfD-Bundestagsabgeordneten Roger Beckamp und Sebastian Münzenmeier – obwohl die Identitären bei der AfD auf der Unvereinbarkeitsliste stehen. Veranstalten wollen man künftig Vorträge, Buchvorstellungen oder „Barabende“, kündigt das Projekt an. Der erste öffentliche Termin soll am 8. Dezember stattfinden, mit einem Vertreter des ebenfalls rechtsextremen Compact-Magazins.

Ein Sprecher der Stadt Chemnitz sagte der taz, das Identitären-Hausprojekt sei bekannt. „Als Stadtverwaltung sehen wir es kritisch, dass in Chemnitz ein weiteres Objekt eröffnet wird, welches genutzt wird, um verfassungsfeindliche Propaganda zu verbreiten.“ Die Stadt habe aber „keine Handlungsoptionen, um die Nutzung zu unterbinden“. Die Aufklärung über die extremistische Gefahr sei nun Aufgabe des Verfassungsschutzes, für Straftaten sei die Polizei zuständig.

Auch das Innenministerium von Armin Schuster (CDU) bestätigte, dass die Identitären-Immobilienfirma von Richter und Thaler das Haus in Chemnitz kauften. Jenseits der Eröffnung seien bisher aber keine weiteren Veranstaltungen bekannt. Die Sicherheitsbehörden hätten aber ein „legitimes Interesse, dem Auf- und Ausbau rechtsextremistischer Strukturen frühzeitig entgegenzuwirken“.

Die Stadt sieht das Hausprojekt „kritisch“, erklärt aber, sie habe keine Handhabe

Laut Ministerium wurde bereits das Expertennetzwerk Rechtsextremismus bei der Landesdirektion Sachsen über das Identitären-Hausprojekt informiert. Das Gremium soll Kommunen unbürokratisch im Umgang mit Szeneobjekten beraten. Zudem habe man Chemnitz eine Handreichung übersandt, wie mit Veranstaltungen in solchen Objekten „optimal“ umgegangen werden könne – etwa über den Brandschutz, Gesundheitsvorschriften oder das Bau-, Gewerbe- und Straßenrecht.

Druck kommt auch von der mitregierenden SPD und den Grünen. Der SPD-Innenexperte Albrecht Pallas nannte das Identitären-Hausprojekt „eine weitere demokratiebedrohende Raumnahme von Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen in sächsischen Kommunen“. Nun brauche es „eine starke Zivilgesellschaft, eine demokratieliebende Nachbarschaft und schnell handelnde Behörden, die sich den Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen entgegenstellen“. Auch müssten die Finanzmittel der Szene „trockengelegt werden“.

Auch der Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann sagte der taz, die Identitären-Immobilie sei „ein weiterer Beleg dafür, dass Rechtsexremisten in Sachsen immer mehr Rückzugsraum suchen und finden“. Die Maßnahmen gegen solche Szeneimmobilien müssten weiter intensiviert und in Chemnitz „sämtliche rechtliche Möglichkeiten geprüft und ausgeschöpft werden, um eine tatsächliche Nutzung der Immobilie auszuschließen“.