piwik no script img

Antisemitismus in DeutschlandUnion und Ampel für hartes Vorgehen

Antisemitische Hetze nimmt durch den Nahost-Krieg enorm zu. Auch SPD, Grüne und FDP fordern unter anderem: Arbeitsverbote und Ausweisungen.

Mitglieder des Bundestages gedenken der Opfer der Pogromnacht in der Berliner Synagoge Beth Zion Foto: John Macdougall/dpa

Berlin taz | Anlässlich des 85. Jahrestages der Reichspogromnacht und des Krieges im Nahen Osten haben die Abgeordneten des Bundestages am Donnerstag über einen besseren Schutz jüdischen Lebens in Deutschland debattiert. Union und Ampelkoalition forderten in getrennten Entschließungsanträgen ein härteres Vorgehen gegen Antisemitismus in Deutschland. „Nie wieder ist jetzt“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

„Genau deshalb dürfen wir nicht wegschauen und schweigen, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen und ermordet werden“. Faeser forderte die deutsche Gesellschaft auf, lauter gegen Judenhass zu werden. „Wer Menschen angreift, muss mit der ganzen Härte des Rechtsstaates rechnen“, sagte die SPD-Politikerin und erinnerte an die von ihr beschlossenen Betätigungsverbote für die Hamas und das palästinensische Netzwerk Samidoun in Deutschland. „Wir arbeiten an weiteren Verboten“, kündigte die Ministerin an.

Für Alexander Dobrindt (CSU) gehen die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung gegen Antisemitismus nicht weit genug. „Wer nicht mit Israel leben will und wer nicht friedlich mit Juden leben will, der kann auch nicht in Deutschland leben“, sagte Dobrindt und forderte ein härteres Vorgehen gegen Antisemiten, und zwar „nicht mit Worten, sondern mit politischen Taten.“ Dobrindt plädierte dafür, Antisemitismus als besonders schweren Fall von Volksverhetzung einzustufen und eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten für diejenigen vorzusehen, die gegen Israel hetzen.

Der von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachte Entschließungsantrag fordert ebenfalls unter anderem, alle direkten und indirekten Zahlungen der EU an die palästinensischen Gebiete mit Ausnahme der international abgestimmten humanitären Hilfe einzustellen, den vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Erleichterung der Einbürgerung zurückzuziehen und einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft bei strafrechtlicher Verurteilung antisemitischer Einstellungen regelt.

Auch Ampel für schärferes Vorgehen gegen Antisemitismus

Für schärfere Maßnahmen gegen Migrantinnen und Migranten plädieren auch die Ampelparteien in ihrem gemeinsam gestellten Entschließungsantrag. Sie fordert die Bundesregierung auf, Ausländerinnen und Ausländer, die antisemitische Straftaten begehen oder die Terrororganisationen Hamas und das palästinensische Netzwerk Samidoun unterstützen, auszuweisen sowie Arbeitsverbote, Leistungskürzungen und den Ausschluss des Familiennachzugs zu verhängen.

Gefordert wird unter anderem auch die Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg, die Prüfung eines Organisationsverbots von BDS in Deutschland sowie der Ausschluss von Kultureinrichtungen von der öffentlichen Förderung, die das Existenzrecht Israels infrage stellen oder mit Personen zusammenarbeiten, die das Existenzrecht Israels ablehnen.

Konstantin von Notz (Grüne) äußerte sein Bedauern darüber, dass die CDU/CSU-Fraktion „entgegen der Praxis des Hauses in der Vergangenheit nicht den Weg eines gemeinsamen Antrags der Fraktionen“ gewählt habe. „So profiliert man sich nicht, sondern so macht man sich klein und so schwächt man das Gewicht der Gemeinsamkeit“, kritisierte von Notz und forderte die Fraktion auf, „auf den gemeinsamen Weg zurückzukehren“.

Der Tagesspiegel hatte zuvor berichtet, dass die CDU/CSU-Fraktion der Ampel vorwirft, zu spät auf einen gemeinsamen Antrag reagiert zu haben. Die beiden Anträge wurden am Donnerstag an den Ausschuss für Inneres und Heimat zur Beratung überwiesen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • ...hartes Vorgehen wird gefordert ? Warum wurde jahrzehntelang lang nicht vorbeugend in Kindergärten, Schulen, in der Verwaltung & in Betrieben sozialisiert...?

  • Von der Islam gehört zu Deutschland zu Passentzug. Glaube die CDU ist auf allen Augen blind.

  • "Dobrindt plädierte dafür, Antisemitismus als besonders schweren Fall von Volksverhetzung einzustufen und eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten für diejenigen vorzusehen, die gegen Israel hetzen."

    Ist das nicht gegen das Gleichheitsprinzip? Warum ist es schlimmer einen Juden zu Hassen als irgendeinen anderen Menschen, sind andere Menschen weniger schützenswert? Finde ich mindestens fragwürdig....

  • „…sowie der Ausschluss von Kultureinrichtungen von der öffentlichen Förderung, die das Existenzrecht Israels infrage stellen oder mit Personen zusammenarbeiten, die das Existenzrecht Israels ablehnen.“

    Im Klartext: Das betrifft dann auch die Documenta, in deren Findungskommission schon wieder ein Antisemit und BDS-Anhänger aus dem "globalen Süden" sitzt.

    Dabei hatten die Veranstalter zugesagt, den Antisemitismus der letzten Schau aufzuarbeiten. Die Kommission wurde im März besetzt, aber keiner hat's bemerkt. Bis jetzt. Kulturstaatssekretärin Claudia Roth schweigt abermals, was als Billigung ausgelegt werden kann.

    Dumm nur, dass Schauen wie die Documenta eine Visitenkarte Deutschlands sein sollen. Hier die Schere anzusetzen und von fragwürdigem Mitwirken von rassistischen Beratern aus dem globalen Süden sich zu trennen und die Anerkennung von Demokratie und Menschenwürde zur Bedingung zu machen, wäre eine konkrete Umsetzung der sicher gut gemeinten Unterstützungsaussagen. Oder um es ohne weiße Iris zu sagen: Rote Linien ziehen und wo diese überschritten sind, sofortiger Geldentzug.

  • 3G
    33556 (Profil gelöscht)

    "Hartes Vorgehen".



    Das ist die Politiker-Phrase, wenn Politikern nichts mehr einfällt, als Kraftmeierei.



    Wir haben Gesetze.



    Die schränken Grundrechte, z.B. Versammlungsrecht schon weitestgehend ein,, pervertieren es, zu einem Antragsrecht:



    Bürger dürfen einen Antrag stellen - mehr nicht.



    Die Administration entscheidet dann, ob ein Grundrecht wahrgenommen werden darf. Und setzt ihre Entscheidung mithilfe der Polizei durch.



    Ob das ganze rechtsmäßig war, entscheiden hinterher "die Gerichte".



    Die aber sind zahnlose Tiger, weil Konsequenzen gegen die Entscheider immer ausbleiben.



    Oder soll das geändert werden?



    Ist das die Härte, die gefordert wird?



    Wer ein Grundrecht zu Unrecht einschränkt, nach Feststellung des Gerichts entlassen.



    Das wär's doch mal!

  • Irgendwie wirken die Anträge so auf mich, dass Antisemiten jetzt "die Anderen" und "die Anderen" mal wieder "die Muslime" sind.



    Vergessen ist der Mörder von Halle, der die dortige jüdische Gemeinde auslöschen wollte. Vergessen ist der Mörder von Hanau, der ebenfalls radikaler Antisemit war.

    Antisemitismus ist ein soziales Problem, das man nicht mit Arbeitsverboten, Passentzug und Abschiebungen lösen kann - Maßnahmen die den Großteil der Antisemiten in Deutschland gar nicht erst treffen.

    • @Piratenpunk:

      Völlig richtig!

      Aber was kann besser getan werden?

      Und jetzt bitte nicht wieder sagen, die 'runtergerockten Schulen sollen mehr tun!

      Es braucht jetzt mal ein paar ernstgemeinte, gesamtgesellschaftliche Vorschläge.

    • @Piratenpunk:

      Wäre ganz in meinem Sinn, - ALLE abzuschieben, die biodeutschen Nazis zuerst. Aber welches Land nimmt sie auf?



      Vielleicht wäre das "importierte" Hassgeschrei auf unseren Straßen jetzt nicht so laut, wenn Deutschland durchgängig hart und konsequent gegen Hetze und Rassismus vorgegangen wäre. Stattdessen hat man oft agiert, als sei man auf dem rechten Auge blind.

      • @Woodbine:

        "Biodeutsch" ist ein Synonym von "arisch", falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist.

        • @cazzimma:

          "Das Attribut biodeutsch bezeichnet seit den 1990er Jahren ethnische Deutsche. Gemeint sind deutsche Staatsangehörige ohne nach außen hin erkennbaren Migrationshintergrund. Der Begriff wurde zunächst von Menschen mit Migrationshintergrund als scherzhafte Fremdbeschreibung, später auch im Sinne eines Geusenworts als (selbst-)ironische Bezeichnung von und für Menschen ohne Migrationshintergrund verwendet. "

      • @Woodbine:

        Könnte dieses blinde rechte Auge vielleicht sogar ein so genannter "Pull-Faktor" für Hasserfüllte aus aller Welt sein?

  • Sehr gute Entscheidung! Hat gerade die Union und Kanzlerpartei SPD Jahre lang ignoriert, dass laut Polizeistatistik etwa 80% der antisemitischen Straftaten aus dem RECHTEN Lager kommt.



    Gibt es muslimischen Antisemitismus? Ja klar und zwar zuhauf! Habe ich den Verdacht, dass man jetzt diese Debatte führt und den Elefanten im Raum (80%) gar nicht ansprechen wird? Jap, auch das ;-)

    • @nici1992:

      Man muss das alles klar ansprechen!

    • @nici1992:

      Die Gegenüberstellung prozentualer Anteile ist Aber-Rhetorik und per se linker Antisemitismus, der en Antisemitismus in den eigenen Reihen nicht wahrhaben will.

      Es ist übelster Whataboutism. Es ist an der Zeit vor der eigenen Türe zu kehren und die postkoloniale Linke auf ihre inneren Widersprüche, Inkohärenzen und verrutschte Koordinaten hinzuweisen.

    • @nici1992:

      Größte rechts extreme Vereinigung sind die grauen Wölfe, muslimische Blut und Boden Nationalisten. Rechts heißt nicht immer gleich Nazi aus Mecklenburg-Vorpommern

    • @nici1992:

      Das hat aber viel zu tun damit wie diese Straftaten erfasst werden, schmiert ein Islamist hackenkreuze an eine Synagoge zählt das trotzdem als rechte Straftat.

  • > „Wir arbeiten an weiteren Verboten“, kündigte die Ministerin an.

    Ja, sehr gut, Frau Faeser. Ist damit auch die AfD gemeint, bevor es völlig aus dem Fokus verschwindet, dass wir genügend Antisemiten haben, die leider nicht ausgewiesen werden können, die sich jetzt freuen, dass ihnen ausgerechnet Muslime die Arbeit abnehmen, und sie nachher auf die auch noch pauschal mit dem Finger zeigen können?