DFB-Elf unterliegt Österreich: Du unglückliches Deutschland!

Gegen Österreich zeigt das DFB-Team erneut eine erschreckende Leistung. Die mentale Trägheit aus der Ära Löw wird man einfach nicht los.

Thomas Müller und Sandro Wagner auf dem Weg zur deutschen Fankurve

Au Backe! Neben Assistenztrainer Sandro Wagner ringt Thomas Müller sichtlich um Fassung Foto: Christian Charisius/dpa

Es ist nicht leicht, Bundestrainer zu sein. Da ist nicht viel Zeit, um taktische Finessen, spielerische Abläufe in aller Ruhe einzustudieren; da muss das Wesentliche im Grunde schon sitzen. Für Julian Nagelsmann, den jungen Retter des deutschen Fußballs, ist das eine neue Situation: Er muss die kommenden Monate mit Grübeleien und Taktiktafeln in seinem Kämmerchen verbringen und darf höchstens mal im Stadion vorbeischauen, wenn seine Angestellten ihrem Ligaalltag nachgehen.

Ansonsten wird er „Gespräche suchen“, wie er es auf der abschließenden Pressekonferenz kurz vor Mitternacht an diesem friedlichen Wiener Novemberabend ankündigte: in der Hauptsache per Messengerdienst, per Telefon, ist anzunehmen. Denn ja, es gibt Redebedarf.

Seine Bilanz nach vier Spielen: die Hälfte verloren, ein Remis, ein Sieg. Die Nationalmannschaft ist nach der Flick-Krise nicht einen Schritt weitergekommen, scheint es nach diesem Dienstagabend im ausverkauften Wiener Ernst-Happel-Stadion. Spötter mögen jetzt schon wieder nach Rudi Völler rufen oder Thomas Tuchel als amtlichen Nachfolger handeln. Aber Julian Nagelsmann wird noch ein paar Ideen haben, er hat ja gerade erst angefangen.

Seiner Mannschaft, die im Kampf der Systeme gegen ein nerviges Österreich recht kläglich mit 0:2 (0:1) den Kürzeren zog, hat er zu später Stunde so auch noch was mitgegeben: Es ist besser, über die Arbeit zum Spiel zu finden, als umgekehrt; das harmonische Miteinander außerhalb des Platzes muss seine Umsetzung auf dem Platz finden; die Spieler sollten nicht in eine Opferrolle verfallen, weil es in den letzten Jahren nicht so lief, denn eine Opferrolle nutzt niemandem. Wahre Worte, angemessen trocken und unironisch serviert. Auch Nagelsmann selbst wird Zeit finden, in sich zu gehen, wie er versprach, und sehen, ob er zu anderen Maßnahmen greifen muss.

Ohne offensive Ideen

Denn ja: So kann es nicht weitergehen. Teilweise war das ein Offenbarungseid, was an diesem Dienstagabend von der deutschen Mannschaft zu sehen war. Die Abstimmung zwischen Abwehr und Mittelfeld stimmte überhaupt nicht, offensive Ideen gab es so gut wie keine.

Individuell ragte niemand heraus, es gab eher Ausschläge nach unten: Julian Brandt spielt teilweise noch immer wie ein talentierter 16-Jähriger; Jonathan Tah ließ sich beim Führungstreffer durch Sabitzer abkochen; Ilkay Gündogan fehlt der kreative Sparringspartner, wie er bei ManCity in Person von Kevin De Bruyne vorhanden war; Niclas Füllkrug hing meist in der Luft; etc. etc. Und Leroy Sané, der kurz nach der Pause durch seinen berechtigten Feldverweis wegen Nachtretens zur spielentscheidenden tragischen Figur wurde, rieb sich schon in Halbzeit 1 in Einzelkämpfen auf.

Aber auch taktisch schien es so, als ob niemand im DFB-Tross eine Ahnung von dem gehabt hätte, was da auf die Mannschaft zukommen würde. Dabei war sternenklar, wie das von Ralf Rangnick perfekt eingestellte Österreich spielen sollte: ständiges Pressen, nickelige Abwehrarbeit, Erarbeiten des sogenannten „zweiten Balls“, schnelles Umschaltspiel.

Allein Chancentod Gregoritsch hätte früh für eine Vorentscheidung sorgen können. So blieb es bei zwei feinen Toren, gerecht auf zwei Halbzeiten verteilt, durch die Bundesligaprofis Sabitzer und Baumgartner.

Es fehlt an Arbeitern

Der Salzburger Stil also, den Nagelsmann selbst am besten kennen sollte. Dagegen fiel dem DFB-Team erstaunlicherweise fast gar nichts ein. Der einzige Trick, den Nagelsmann bisher auf Lager hatte, der mit Kai Havertz als „falschem“ Linksverteidiger, ging wieder nicht wirklich auf – und die Begründung nahm der Trainer gleich selbst aus dem Spiel: Florian Wirtz blieb nämlich erstmal draußen, wie auch Benjamin Henrichs. Dabei hatte nur einer der Problembayern, Joshua Kimmich, sich gegen die Türken zu Recht um den Startplatz gespielt, den Serge Gnabry dann, warum auch immer, gegen Österreich erhielt.

Mental hat sich die Mannschaft noch immer nicht von der Löwschen Pomade befreit: Die Arbeit der Ebene wird nicht angenommen, es fehlt an „Workern“ (Nagelsmann), die auch mal „die Drecksarbeit“ (dito) machen. Ob da Debütant Robert Andrich oder Marvin Ducksch die richtigen Männer sind?

Am Ende wurde einmal kräftig durchgewechselt, doch Niclas Füllkrug konnte nicht mehr ins Spiel geworfen werden, denn er war vorher schon selbst ausgewechselt worden. Mit Sanés Revanchefoul war das Match im Grunde auch gelaufen – immerhin kam es zum Ende hin noch zu der einen oder anderen Tormöglichkeit (ach! Schönes Fußballdeutsch!). Österreich beließ es beim Entscheidungstreffer kurz vor Schluss, doch auch so war Ralf Rangnick an diesem Abend der einzige zufriedene Deutsche weit und breit.

Der nächste Höhepunkt steht übrigens schon am 2. Dezember an, dann wird in der Elbphilharmonie in Hamburg die Gruppenphase der Heim-EM 2024 ausgelost. Wenn der Fußballgott Laune hat, kann er den Deutschen gleich nochmal Österreich als Gegner servieren. Dazu die Schweiz. Oder, auch das ist möglich, Italien und die Niederlande, die ansonsten den nächsten Testgegner stellen, vermutlich im März. Na, Mahlzeit.

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