Menschliche Überreste aus Kolonialzeit: Regierung übernimmt Verantwortung
Tausende Gebeine landeten durch kolonialem Raub in deutschen Museen. Nun finanziert die Regierung zwei Projekte zu ihrer Rückführung.
Es ist ein weiterer Schritt der kolonialen Aufarbeitung. Der Haushaltsausschuss will zwei Projekte finanzieren, die die Rückführung menschlicher Gebeine unterstützen. Mitgenommen als Kriegstrophäen und für rassistische Forschung liegen in Ausstellungshallen deutscher Museen, in Kisten der Depots und in Hochschulen liegen Tausende menschliche Gebeine und Schädel aus ehemaligen Kolonien.
Diese werden von Fachleuten weithin als „human remains“ bezeichnet. Wie viele genau es sind und wer diese Menschen waren, ist weitestgehend unbekannt. Die Herkunft und Namen herauszufinden, ist ein langwieriger Prozess.
Für betroffene Communitys ist es unabdingbar, ihre Vorfahren zurück in ihre Heimat zu bringen und sie dort nach ihren Traditionen zu bestatten. Europa habe viel Unheil über seine Kolonien gebracht, sagt der Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen Andreas Audretsch der taz, der den Antrag mit vorantreibt.
Unrecht aufarbeiten
Was im Unrecht genommen wurde, müsse zurückgegeben werden. Und das kostet. „Wir nehmen unsere historische Verantwortung ernst“, so Audretsch. Um die Rückführungen zu ermöglichen, solle für die nächsten 4 Jahre ein Fonds mit 2,4 Millionen Euro eingerichtet werden. Mit der Verwaltung soll das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste beauftragt werden.
Hinzu kommen soll eine weitere Viertelmillion, um eine internationale Museumsagentur zu planen. „Wir schaffen jetzt endlich eine zentrale Anlaufstelle, um den Austausch mit Angehörigen und damit die Rückgabe an die Nachkommen der Opfer zu erleichtern“, sagt die grüne Haushaltspolitikerin Jamila Schäfer.
Nachfahren sollen sich an diese wenden können, wenn sie Gebeine ihrer Vorfahren finden möchten. Die Agentur soll erstmals ein zentrales Verfahren entwickeln. Bislang verteilte sich die Verantwortung auf Museen, Institutionen, Bundesländer und die Bundesebene.
Betroffene müssen eingebunden werden
Ungeklärt ist, inwieweit Nachfahren ein Mitspracherecht haben werden. Dabei sei das wichtig, sagt Isabelle Reimann: „Menschliche Gebeine kann man nicht besitzen.“ Wie mit ihnen verfahren werde, könne nicht von den Institutionen der ehemaligen Kolonialmacht ohne Einbeziehung der Angehörigen entschieden werden. Reimann verfasste 2022 ein wissenschaftliches Gutachten zum Bestand menschlicher Überreste aus kolonialen Kontexten in Berlin, das in der Publikation „We want them back“ veröffentlicht wurde.
Darin fordert sie ein „advisory board“ aus Nachfahren und Profis für Repatriierung. Der taz sagt sie: „Zusammen mit Betroffenen müssen Verfahren entwickelt werden, wie es bereits in der Erklärung der indigenen Rechte gefordert wurde. Es ist wichtig, Angehörige miteinzubeziehen, auch darin, welche Entscheidungsstrukturen und Institutionen aufgebaut werden.“
Mit der Bereitstellung der finanziellen Mittel übernimmt der Bund größere Verantwortung für die Rückführung menschlicher Überreste. Dies könnte ein erster Schritt sein, das Versprechen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) wahrzumachen: die Schädel getöteter Widerstandskämpfer zurückzugeben. „Wir werden tun, was in unserer Macht steht“, sagt er Anfang November bei seinem Besuch in Songea im Süden Tansanias. Steinmeier entschuldigte sich dort für deutsche Kolonialverbrechen.
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