Neue Komödie „Quiz Lady“: Awkwafina und ihre Stimme

Au­ßen­sei­te­r:in­nen haben den besten emotionalen Kompass. Awkwafina zeigt das wie keine andere. Und dann wäre da noch ihre Stimme. Ein Fanbrief.

Eine Frau steht in einem Raum voller Schleifen

Awkwafina in Quiz Lady Foto: Everett Collection/imago

Seit Eartha Kitt hat es keine Stimme mehr gegeben, in die man sich so hineinschmiegen kann wie in die raspy voice von Awkwafina. Als ich letztes Jahr ganz unschuldig den Animationsfilm „Raya und der letzte Drache“ eingeschaltet habe, bin ich fast ausgerastet. Da war sie wieder, diese anziehende, tiefe, in die länge gezogene Betonung der Wörter. Dieses fragende, beobachtende Auf- und Abfahren auf den Stimmbändern.

Ich weiß auch nicht, wie Awkwafina es immer schafft, in Komödien mitzuspielen, die emotional so intelligent und herausfordernd sind, dass man danach so erschöpft und gleichzeitig erleichtert ist wie nach einer Therapiestunde, in der sich ein fetter Brocken von der Seele gelöst hat.

Das kann zum Beispiel ein Comedy-Drama wie Lulu Wangs „The Farewell“ sein, das fragt, wem die Trauer über eine tödliche Krankheit gehört: der Person, die gehen muss, oder den Personen, die bleiben?

Mehr Angst vor Komödien als Horrorfilmen

Wie sehr ein Enkelkind lieben kann, macht Awkwafina in ihrer Rolle als Außenseiterin der Familie so spürbar, dass es unheimlich ist. Vielleicht hat mein Sweetheart also doch recht, wenn sie sagt, dass man vor Komödien eigentlich viel mehr Angst haben muss als vor ihrem persönlichen Lieblingsunterhaltungsgenre, dem Horrorfilm.

In „Quiz Lady“, Awkwafinas neuer Komödie an der Seite von Sandra Oh, gibt es zwar keine creepy Wohnung voller Katzen, dafür aber brave Strickjäckchen, einen heiligen Hund, Endlosflure voller Krawattenschleifen und eine sadistische Telefonistin aus dem Pflegeheim. Diese ruft Anne (Awkwafina) auf der Arbeit an, um ihr zu verkünden, ihre Mutter sei nun „von uns gegangen“.

Was eigentlich nur heißt, dass sie sich abgesetzt und ihren beiden Töchtern Anne und Jenny (Sandra Oh) einen Haufen Spielschulden hinterlassen hat. Die Gangster entführen also Annes Hund Mr. Linguini, den sie nicht etwa quälen, sondern mit weichen Deckchen verwöhnen, damit er nie mehr zurück zu Anne will.

Wie kriegen die beiden jetzt die Kohle zusammen, um Mr. Linguini aus den Klauen des ultimativen Hundesalons zu befreien? Jenny, die gerade in ihrem Auto lebt, aber – oder vielleicht gerade deswegen – das Zeug zum Lifecoach hat, schnallt eines Abends, dass Annes Obsession mit der Game Show “Can’t Stop the Quiz“, die sie jeden Abend schaut, seit sie klein ist, das Ticket zum Lösegeld sein könnte.

Eskapismusstrategien fürs Überleben

Dass Anne tatsächlich jede Antwort kennt, ist unheimlich zufriedenstellend. Einmal, weil eine zurückgezogene Figur aus eigener Kraft extrem intelligent ist. Zum anderen, weil der Film anerkennt, wie wichtig Eskapismusstrategien für das Überleben sein können. Dass Anne den Showhost aus Versehen „Dad“ nennt, ist da kein Zufall.

Und für Fans von Akwafinas Stimme ist „Quiz Lady“ der ultimative Film, denn sie wartet genüsslich, bis sie ihre Klangrange voll einsetzt. Schön langsam steigert sie sie im Verlauf des Films, bis sie schließlich vor dem Fernseher eine Antwort nach der anderen raushaut, noch bevor die Teilnehmenden den Buzzer gedrückt haben. Endlich auf dem Set der Show, listet sie einsilbige Wörter ohne Reimwörter auf und Gemüse aus der Kreuzwurzel-Familie wie Pak Choi oder Grünkohl.

Ich kannte das Wort „Kreuzwurzel“ nicht. Als Bild für all das, was uns trägt und zum Einstürzen bringt, für das, was wir neu aufbauen, kann ich es aber sehr deutlich erkennen.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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