Gemüseanbau in Berlin: Pak Choi aus Spandau

Ein Start-up nimmt den Anbau asiatischer Gemüse- und Kräutersorten selbst in die Hand. Die Massenware aus Asien gab den Anstoß.

Schön im Grünen: die Gründer*innen von Fresh Tasia Foto: André Wunstorf

Schon beim ersten Schritt in das Gewächshaus schlägt einem warme, schwüle Luft entgegen. Bei 23 Grad Cesius und einer Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent hangeln sich hier Schlangenbohnen gen Decke, man sieht kleine Pak-Choi-Pflänzchen, vietnamesischen Koriander und Wasserspinat, der mit den Wurzeln in einem Wasserbecken hängt. Das Wasser wird von einer Vegetationsheizung gewärmt. „So wie wir Menschen gern warme Füße haben, mag es der Wasserspinat auch lieber warm“, erklärt Ralf Szydlewski mit einem Grinsen. Seit April dieses Jahres betreibt er zusammen mit seiner Frau Rongrong Szydlewki ein Gewächshaus in Berlin Spandau.

Mit ihrem Start-up Fresh Tasia wollen Ralf, ehemals Elektrotechniker, und Rongrong, die eigentlich Japanisch studierte, den Mengen an importiertem Gemüse aus dem Ausland Frisches aus der Region entgegensetzen.

Seit Juni pflanzen die beiden hier asiatisches Gemüse und Kräuter an. Die Pflanzensamen kommen per Post aus China und Japan. Etwa 8.000 Pflanzen und zwölf Arten wachsen heute auf dem 1.600 Quadratmeter großen Gelände. Rongrong kommt aus China und lebt seit sieben Jahren in Deutschland. Sie habe frisches asiatisches Gemüse in Deutschland vermisst. „Der Wasserspinat, den man hier im Laden kaufen kann, hat keinen Geschmack“, meint sie. „Dann machen wir es lieber selbst.“

Blattläuse machen Freude

Etwa 2.929.000 Tonnen frisches Gemüse wurden im Jahr 2018 insgesamt nach Deutschland importiert. Das geht aus Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hervor. Zum Vergleich: Ein afrikanischer Elefantenbulle wiegt etwa 6 – 7 Tonnen. Der Großteil davon, etwa 2.728.000 Tonnen, kam aus EU28- Ländern, etwa 202.000 Tonnen von außerhalb der EU. Aus Asien wurden ca. 35.100 Tonnen frisches Gemüse importiert.

Nach Berlin kamen 2018 insgesamt 1.090 Tonnen frisches Gemüse aus Asien. Der größte Teil davon aus der Volksrepublik Laos: 108 Tonnen.

Unter den langen Transportwegen leidet nicht nur die Qualität der Produkte, sondern vor allem auch die Umwelt.

Neben dem Geschmack sei laut Ralf auch die Qualität des importierten Gemüses fragwürdig. So kam die Idee mit dem Gewächshaus. Die Verkaufsschlager sind Schlangenbohnen und Wasserspinat. Einziges Problem: Der Wasserspinat hat gerade Blattläuse, was jedoch die Kundschaft kaum stört. Rongrong sieht die Sache mit Humor: „Die Endkunden freuen sich über die Blattläuse, weil sie dann sehen, dass wir keinen chemischen Pflanzenschutz benutzen.“ Doch auch nachdem die Mitarbeiter*innen des Unternehmens die Pflanzen gewaschen und die Triebe, an denen Blattläuse saßen, abgeschnitten haben, konnte die Plage nicht eingedämmt werden. Nun soll biologischer Pflanzenschutz eingesetzt werden. „Da müssen wir reagieren. Das hat ja auch einen wirtschaftlichen Aspekt“, meint Ralf.

Ein Bio-Zertifikat bekommt das Gemüse aus Spandau nicht. Es werden zwar keine chemischen Pestizide benutzt, auf mineralischen Dünger, der in größeren Mengen schädlich für die Umwelt ist und deshalb für zertifizierte Bioprodukte nicht zugelassen ist, wollen Ralf und Rongrong jedoch nicht verzichten. Wichtiger sei den beiden, dass die Produkte regional seien. „Die Kunden wollen das Regionale. Da bringen mir Biosiegel und Qualitätszertifikate gar nichts“, erklärt Ralf.

Ralf Szydlewski

„So wie wir Menschen gerne warme Füße haben, mag es der Wasserspinat auch lieber warm“

Verkauft werden die Produkte aus dem Gewächshaus nur an Privatkunden und Restaurants. Gegen den Verkauf an Großhändler haben sich die beiden bewusst entschieden: „Wir wollen weder von Subventionen leben, wie es der klassische Landwirt tun muss, noch Bittsteller vom Großhandel sein“, erklärt Ralf. „Wir wollen uns so entwickeln, wie es der Markt braucht, und nicht, wie es mir ein Großhändler vorschreibt.“ Da viele in Deutschland die Produkte nicht kennen, müsse man die Kunden auch ein bisschen „an die Hand nehmen und Rezeptideen geben“. Das könnten Großhändler nicht machen.

Ein Bund ­Schlangenbohnen, also etwa 270 Gramm, kostet hier 4,90 Euro. Damit Kund*innen jedoch nicht bis nach Spandau fahren müssen, um das Gemüse zu kaufen, gibt es neben dem Verkauf vor Ort insgesamt vier Abholstellen in Berlin und Falkensee.

Eine davon ist der Berliner Fruitshop in Wilmersdorf. Hier können Liebhaber*innen asiatischer Küche das Spandauer Gemüse auf Bestellung kaufen. „Die Bittermelone habe ich auch mal probiert. Das muss man schon mögen. Das ist ja nicht so für den europäischen Geschmack“, erzählt Markus Butschke, Chef des Ladens. Pro Monat kaufe er etwa 2 bis 3 Kilogramm Gemüse aus dem etwa 20 Kilometer entfernten Gewächshaus. Abnehmer seien Privatpersonen, die mit dem Gemüse zu Hause kochen.

Rezeptideen on top

Vor der Zusammenarbeit mit Fresh Tasia wurde das asiatische Gemüse im Laden vom Großmarkt gekauft. Hier kamen die Produkte vor allem aus anderen europäischen Ländern wie Frankreich. Einige wenige Produkte seien auch aus Asien importiert gewesen. „Durch den langen Transport war die Qualität dann oft schlecht“, meint Butschke. Deshalb sei er vom Konzept aus Spandau schnell überzeugt gewesen. Finanziell würde sich im Vergleich zum Kauf beim Großmarkt nicht viel für den Laden verändern, so Butschke.

Neben dem bepflanzten Gewächshaus in Spandau steht noch ein weiteres Glashaus, indem zwischen Betonplatten ein paar vereinzelte Pflanzen in der Erde liegen. Ende März findet hier ein Street Food Festival statt, zu dem asiatische Restaurants zum Kochen eingeladen werden. Langfristig soll hier ein Fine-Dining-Restaurant entstehen. „Wir planen, Bittermelonen als Raumtrenner zu pflanzen, dann bleibt auch die Gewächshausatmosphäre“, erzählt Ralf und lässt den Blick über die bislang noch eher nach Baustelle aussehende Halle schweifen.

Am Rand des Gewächshauses hängt eine einsame Schwammgurke. „Das ist ein Experiment meiner Frau“, sagt Ralf und lacht. Die beiden planen, insgesamt 15 Kulturen anzubauen. Auf dem Weg dorthin probieren sie noch viel aus.

Verlässt man dann wieder das warme Gewächshaus, weht einem kalte Novemberluft entgegen. Kein Wunder also, dass sich die asiatischen Pflanzen im Gewächshaus so wohl fühlen.

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