Neue Ausstellung „The Great Repair“: Reparieren statt neu bauen
Die Ausstellung „The Great Repair“ in der AdK Berlin plädiert für die sozial-ökologische Revolution im Städtebau. Ein Schlüssel dafür: mehr Reparatur.
Mit dieser Ausstellung habe man die altehrwürdige Institution aufgemischt, sagt Anh-Linh Ngo, Redaktionsleiter der in Berlin erscheinenden Architekturzeitschrift Arch+ und einer der Kuratoren der Ausstellung „The Great Repair“ („Die große Reparatur“). Gemeint ist die 1696 gegründete Akademie der Künste (AdK) – und die Ausstellung, die Ngo gemeinsam mit fünf weiteren Expert:innen aus dem Bereich der Architektur und Stadtforschung in deren Ausstellungshallen am Hanseatenweg kuratiert hat, gibt sich gleich eingangs Mühe, diesem Anspruch gerecht zu werden. Statt wie sonst üblich den Zugang über die Haupttreppe zu führen, gelangt man in die Hallen im ersten Stock nun quasi über die Hinterbühne – über ein funktionales und keinesfalls repräsentatives Treppenhaus, sonst nur Mitarbeitenden der AdK zugänglich.
Mit diesem kuratorischen Kniff richtet sich der Blick statt auf die Architektur des Gebäudes auf dessen Bausubstanz, denn unversehens trifft man hier auf die Beschriftung zu einem Exponat, auf dem man bereits steht: „Der Boden entspricht nicht den heutigen DIN-Normen, aufgrund ihrer Robustheit ist die Konstruktion aber gut gealtert und zeigt keine erheblichen Schäden. Ein Eingriff ist nicht notwendig.“
„The Great Repair“ ist eine von einem Vermittlungsprogramm und zwei Arch+-Ausgaben gesäumte Ausstellung, die den Versuch wagt, das große Projekt dringend anstehender gesellschaftlicher Transformationen aus bereits existierenden (architektonischen, stadtplanerischen, restauratorischen etc.) Praktiken abzuleiten.
Fallbeispiel AdK: Für die in den 2000er Jahren nötig gewordene Sanierung des von Werner Düttmann und Sabine Schumann entworfenen, 1960 fertiggestellten und unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes galt dem Berliner Büro „Brenne Architekten“ die Prämisse, trotz notwendiger technischer Eingriffe so wenig wie möglich an dessen Materialsubstanz zu verändern. Einige Beispiele, wie dies „kreativ“ gelöst wurde, werden hier im Treppenhaus gezeigt.
Der Bezug zur AdK endet für die Ausstellung damit aber auch schon weitgehend. Vielmehr ist die Sanierung der Akademie nur ein Beispiel von vielen in den anschließenden Ausstellungshallen, in denen es, angesichts von Ressourcenverschwendung und den insbesondere im Baugewerbe exorbitant hohen CO2-Emissionen, ums vor allem bauliche Umdenken, Anknüpfen, Umbauen, Innehalten geht, mal künstlerischer, mal dokumentierender.
„The Great Repair“. Akademie der Künste am Hanseatenweg, bis 14. Januar 2024
Die sozialökologische Revolution, so die These der Ausstellung, wird durch Reparatur gelingen, jenseits grüner Wachstumsideen. Arbeiten und Exponate von rund 40 Beteiligten – Architekturbüros, Künstler:innen, Universitätsinstitute – sollen dabei nicht die Dringlichkeit notwendiger systemischer Veränderungen illustrieren, sondern sind stets schon einen Schritt weiter, probieren aus, erforschen, ermitteln, realisieren.
Kontinuierliche Instandsetzung
Da ist das Modell eines Hauses in Tokio, das die Architekt:innen Fuminori Nousaku und Mio Tsuneyama im Sinn einer „kontinuierlichen Instandsetzung“ bewohnen und es so vor dem eigentlich programmierten Abriss retteten – mit der Konsequenz, dass es für die einen wie eine Dauerbaustelle aussehen mag, für andere ein Vorbild des Erhaltens und ressourcensparenden Lebens darstellt.
Da ist das Beispiel der „Triemli-Türme“ in Zürich, dreier noch stehender Hochhäuser aus den 1960er Jahren, deren Abrissbeschluss vor 20 Jahren mittlerweile von der „Zürcher Arbeitsgruppe für Städtebau“ mit konkreten Vorschlägen für eine Um- und Weiternutzung erfolgreich hinterfragt und der Abriss zunächst aufgeschoben wurde.
Da ist das Video „Cars into Bicycles“ des Berliner Künstlerduos Folke Köbberling & Martin Kaltwasser, das den Umbau eines kaputten Autos in ein funktionierendes Lastenfahrrad dokumentiert. Wie dies mit Stadtplanung zusammenhängen kann, zeigt ein Projekt der Universität Luxemburg, bei dem es um Ideen für die Umnutzung eines großen Gewerbegebiets geht, dessen Bodenversiegelung nicht unwesentlich durch Parkplätze bewirkt wird.
Radikaler Ausdruck der Selbstreparatur
Dass dies alles Transformationsideen sind, die das Systemische des Problems – den „warenförmigen Zustand von Architektur“ – nur punktuell angehen können, ist der Ausstellung durchweg bewusst. Ein Plakat mit dem Text des „Global Moratorium on New Construction“ (2020), ein Aufruf der Architektin Charlotte Malterre-Barthes zum weltweiten Unterlassen jeglicher Neubautätigkeiten, legt hier als „radikalster Ausdruck der Selbstreparatur“ die Latte des Visionären am höchsten.
Das von dem Architekturhistoriker Alexander Stumm 2022 initiierte „Abriss-Moratorium“, das den Erhalt oder Umbau aller nach erfolgreicher sozialökologischer Prüfung erfasster Bestandsgebäude fordert, bringt den gestaltungspolitischen Geist der Ausstellung da schon eher auf den Punkt. Am Ende des Parcours kann man es sich zudem zur weiteren Verteilung mitnehmen, indem man es – diesen Witz darf man den Kurator:innen durchgehen lassen – von einem Block abreißt.
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