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Sorgen um Gesundheit wegen LNG-Importen

Umweltschützer kritisieren, dass die Flüssiggas-Exportanlagen in den USA viele Schadstoffe freisetzen würden. Darunter litten die Menschen vor Ort

Leben neben der Baustelle eines LNG-­Terminals: Anglerin in Port Arthur, Texas Foto: Fo­to:­ Frank Rumpenhorst/dpa

Von Hansjürgen Mai

Die Bundesregierung will mit importiertem Flüssigerdgas (LNG) die Energiesicherheit des Landes gewährleisten. Die Pläne für den Bau von sogenannten LNG-Terminals an der Nord- und Ostsee schreiten spätestens seit dem Ausbruch des Ukrainekriegs und der seither ausbleibenden russischen Gaslieferungen rasch voran. Doch der Ausbau könnte nicht nur für Deutschland negative Folgen haben, auch in den USA sind die Menschen betroffen.

„Es ist vollkommen unmoralisch, eine solche Entscheidung zu treffen, ohne mit den Menschen und den Gemeinden, die davon betroffen sind, in Kontakt zu treten“, sagte Jeffrey Jacoby, der stellvertretende Direktor der Umweltschutzorganisation Texas Campaign for the Environment, der taz.

Jacoby wirft der deutschen Regierung vor, eine kurzsichtige Entscheidung getroffen zu haben, die von sozial schwachen Gemeinden in Texas und Louisiana ausgebadet werden müssen.

„Länder wie Deutschland, die die Möglichkeit haben, auf erneuerbare und emissionsfreie Energieträger zu setzen, sollten die Einwohner in sozial schwachen Gemeinden an der amerikanischen Golfküste nicht dazu verurteilen, für eine weitere Generation im Schatten von umweltschädlichen Infrastrukturprojekten zu verbringen“.

Die USA sind neben Australien und Katar eine der führenden Nationen im Bereich des LNG-Exports. Laut der US-Energiestatistikbehörde EIA gingen im vergangenen Jahr knapp 64 Prozent aller LNG-Ausfuhren nach Europa. Die Zahl ist im ersten Halbjahr dieses Jahres weiter gestiegen und das nicht zuletzt durch die Inbetriebnahme der ersten LNG-Terminals in Deutschland.

Was für die US-amerikanischen Öl- und Gaskonzerne willkommene Nachrichten sind, ist für die betroffenen Gemeinden am Golf am Mexiko eine weitere Hiobsbotschaft. „Wer glaubt, dass LNG-Anlagen sauber sind und keine großen Emissionen verursachen, der liegt absolut falsch“, sagte James Doty, ein Gutachter für Luftqualität im Gespräch mit dem Internetportal The Lens.

Wie seine in einem Bericht veröffentlichten Untersuchungen ergaben, haben zumindest drei der sieben LNG-Export-Anlagen an der US-Golfküste eine Gemeinsamkeit: „Hohe Emis­sions­werte“. Die drei untersuchten Anlagen, die sich in den US-Bundesstaaten Texas und Louisiana befinden, geben seinen Messungen zufolge im täglichen Betrieb große Mengen von Methangas unkontrolliert in die Atmosphäre ab.

Methan ist ein Treibhausgas, welches 80-mal mehr Wärme in der Atmosphäre hält als Kohlendioxid. Im Kampf gegen den Klimawandel sind diese Werte natürlich besorgniserregend. Befürworter der Technologie ignorieren diese allerdings gern und präsentieren LNG als „saubere“ Alternative. Denn es produziere bei der Verbrennung nur halb so viel CO2 wie Kohle.

Ein Bericht des Environmental Integrity Project, einer in Washington ansässigen Umweltschutzorganisation, erklärte, dass die 5 existierenden sowie die 20 in Planung befindlichen LNG-Anlagen zusammengenommen jährlich mehr als 90 Millionen Tonnen Treib­haus­gase produzieren würden. Dies entspräche dem Emissionsausstoß von etwa 18 Millionen Pkws, wenn diese für ein gesamtes Jahr durchlaufen würden, so die Organisation. Generell werden bei der LNG-Produktion giftige Emissionen wie Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Form­alde­hyd und Benzol freigesetzt, die zu Atemwegsbeschwerden, Hautirritationen und anderen Krankheiten führen können.

Hinzu kommen die von Jaco­by angesprochenen sozio-­öko­nomischen Probleme. Die überwiegende Mehrheit der LNG-Anlagen befindet sich in Gebieten, die seit Jahrzehnten die Hochburg der US-Petrochemie darstellen.

„Die Ballung dieser Indus­trien hat in der Vergangenheit zur Dezimierung von ganzen Gemeinden beigetragen. Betroffen waren dabei vor allem nichtweiße Gemeinden. Es hat auch dazu geführt, dass diese Gemeinden oftmals mit höheren Raten an Krebserkrankungen und anderen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben“, sagte Jacoby.

Von den wirtschaftlichen Einschränkungen ganz zu schweigen. Wer nicht in einem der petrochemischen Betriebe eine Anstellung findet, der wird feststellen, dass die traditionellen Berufe des Fischers und Krabbenfängers in diesen Regionen so gut wie nicht mehr existieren. Mit dem Bau von LNG-Terminals im Golf wird diese ohnehin schon schwache wirtschaftliche Grundlage weiter eingeschränkt.

„LNG allein hat verheerende Folgen für das Leben und den Lebensunterhalt von Texanern und den Menschen in Loui­sia­na. Betrachtet man dies und die umweltschädlichen Folgen, dann ergibt sich daraus eine Ungerechtigkeit und wenn europäische Länder Flüssigerdgas aus den USA beziehen, dann tragen sie zu dieser Ungerechtigkeit bei“, erklärte Jacob.

US-Präsident Joe Biden und dessen Regierung hält trotz dieser Kritik am Ausbau von LNG-Terminals fest.

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