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Nach der Flut in LibyenDie Eliten greifen nach den Hilfen

Nach der Flut erfährt Libyen große Solidarität. Doch Ak­ti­vis­t*innen warnen: Milizen und Machthaber wollen sich an den Hilfsgeldern bereichern.

Von den Fluten zerstörte Autobahn zwischen Darna und Sousse Foto: Ibrahim Hadia al-Majbri/Xinhua/imago

Tunis taz | Eine Woche ist die Katastrophe nun her: Eine 12 Meter hohe Flutwelle zerstörte den östlichen Teil der libyschen Hafenstadt Darna, über 13.000 Tote wurden bisher gezählt, Zehntausende werden noch immer vermisst. Aus dem ganzen Land sind nun Hilfskonvois auf dem Weg in das Katastrophengebiet. Ak­ti­vis­t:in­nen der Zivilgesellschaft aus dem gesamten Land haben eine nie da gewesene Welle der Solidarität begründet.

Während Suchtrupps aus der Türkei, Italien, Jordanien und weiteren Staaten in den teils meterhohen Bergen aus Metall, Beton und Möbeln nach Überlebenden suchen, treffen über die Serpentinenstraße der Berge rund um Darna im Stundentakt Lastwagen mit Matratzen, Zelten und Wasser ein. Landungsboote der italienische Marine lieferten der 220.000-Einwohner-Stadt Zelte und Geräte zur Ortung Verschütteter. Diese werden dringen benötigt – denn die Zahl der Vermissten dürfte doppelt so hoch sein wie die der bisher Geborgenen, sagen Vertreter der Hilfsorganisation Roter Halbmond der taz.

In den seit dem Ende des Krieges zwischen dem Islamischen Staat und der Armee im Herbst 2020 explosionsartig gewachsenen Armenvierteln am Hafen lebten viele unregistrierte Migranten aus Subsahara-Afrika.

„Neben der Gefahr eines Choleraausbruchs sind die bald kommenden Herbststürme eine Gefahr“, sagt Amaal Elhajm die Mitgründerin der Initiative „Vereinigung libyscher Frauen“. „Die Trümmerlandschaft ist mit Minen aus dem Krieg kontaminiert, noch voller Leichen und ist bei den rund um Darna reichhaltigen Regenfällen instabil.“ Elhaj vermittelt die Flutopfer an Hausbesitzern aus allen drei Provinzen Libyens, die Unterkünfte an Familien aus Darna kostenlos zur Verfügung stellen.

Die Behörden gelten als inkompetent und korrupt

Zu den Behörden gehen freiwillige Helfer wie etwa Elhaj bewusst auf Distanz: „Sie haben keine Erfahrung mit einer solchen Notlage.“ Und: Libyen zerfiel nach den Aufständen 2011 gegen den Diktator Muammar al-Gaddafi und seinem anschließenden Tod in Ost- und West, die von unterschiedlichen Fraktionen und Milizen beherrscht werden. Diese hätten, so Elhaj, „von der Gemeindeverwaltung bis in die Regierung, Positionen mit loyalen Freunden oder Familienmitgliedern besetzt, nicht mit Fachleuten“.

Die Wartungsarbeiten an den Dämme oberhalb von Derna wurden im Jahr 2013 zwar bezahlt – die Arbeiten aber nie durchgeführt

Konflikte zwischen den Bürgern und den wegen ihrer Korruption und Inkompetenz unbeliebten Behörden und Politikern sind vorprogrammiert. Schockiert reagierten viele in Darna auf eine Ansprache des Parlamentspräsidenten Aguila Saleh, der sich in seiner ersten Rede nach dem Bruch der Dämme jegliche Fragen nach der Ursache verbeten hatte. „Das ist eine von Gott gewollte Naturkatas­trophe“, so Saleh. Von der Regierung in Tripolis forderte er 100 Millionen Dinar Wiederaufbauhilfe für Darna. Verwalten soll sie das seit 2016 ohne Mandat tagende Parlament – also letztlich Saleh selbst.

Das in den sozialen Medien im ganzen Land mit Empörung kommentierte Auftreten Salehs zeigt, dass die Herrschenden in Ost und West sich bewusst sind, dass diese Katastrophe sie ihre Ämter kosten kann. Ein nun öffentlich gewordener Bericht einer Prüfagentur beklagt, dass die Wartungsarbeiten an den Dämme oberhalb von Darna im Jahr 2013 zwar bezahlt, die Arbeiten aber nie durchgeführt wurden.

Die Herrschenden schießen wiederum zurück: Saddam Hafter, Sohn des Kommandeurs der in Ostlibyen tonangebenden Libyschen Armee, behauptete im Fernsehen, die Bürger Darnas hätten die Evakuierungsaufforderung seines Vaters ignoriert.

„Hilfe darf nicht von Machthabern verwaltet werden“

„Die nun ankommende massive materielle und finanzielle Hilfe darf nicht von den jetzigen Machthabern verwaltet werden“, sagt Amaal Eljhaj. „Auch zivilgesellschaftliche Gruppen wie unsere Initiative sind nicht sicher. Wir könnten das Ziel bewaffneter Milizen werden.“

Auch andere, lieber anonym auftretende Vertreter der Zivilgesellschaft fordern, dass die Hilfen für Darna von einer internationalen Organisation verteilt oder zumindest überwacht werden. „Die derzeitige landesweite eigenmächtige Mobilisierung der Bürger ist auch eine Kritik an allen, die das Land in den letzten Jahren ausgebeutet haben“, sagt einer und appelliert: „Ich hoffe, dass uns die internationale Gemeinschaft zumindest jetzt ernsthaft gegen diese schon vor Jahren abgewählte Elite zur Seite steht.“

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1 Kommentar

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  • Im Nachhinein war Muammar al-Gaddafi wohl das kleinere Übel für die Menschen dort.



    Aber der Westen wusste angeblich mal wieder alles besser.