Nach dem Sicherheitsgipfel in Berlin: „Senat betreibt hier Symbolpolitik“
Friedrichshain-Kreuzberg liege kein Konzept vor, was der Senat im Görlitzer Park vorhat, sagt Bürgermeisterin Clara Hermann (Grüne).
taz: Frau Herrmann, Innensenatorin Iris Spranger hat angekündigt, einen Zaun um den Görlitzer Park zu bauen und das Areal nachts abzuschließen. Was sagen Sie als Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg dazu?
Clara Herrmann: Wir haben am Freitag bei der Pressekonferenz des Senats Dinge vernommen, die beim Sicherheitsgipfel selbst überhaupt nicht Thema waren. Das hat uns überrascht.
Der Zaun und die nächtliche Zugangssperre?
Ich hatte bei dem Sicherheitsgipfel sehr deutlich gemacht, dass eine dauerhafte nächtliche Schließung des Görlitzer Parks keine Lösung für die Probleme der Kreuzbergerinnen und Kreuzberger ist, sondern eine Verlagerung ins Wohngebiet mit sich zieht.
Clara Herrmann (38) ist seit Dezember 2021 Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Vorher war die Grüne Stadträtin und saß für ihre Partei im Abgeordnetenhaus.
Mit einer Verstärkung der Sozialarbeit und einem Ausbau der Drogenkonsumräume soll die Situation an Brennpunkten wie dem Görlitzer Park und dem Leopoldplatz verbessert werden. Darauf hat sich der „Sicherheitsgipfel“ verständigt, der am Freitag auf Einladung des Regierenden Bürgermeisters stattfand.
Der Senat kündigte auch an, der Görlitzer Park solle umfriedet werden, um nachts „temporäre Schließungen“ zu ermöglichen. Videoüberwachung sei geplant. Büsche und Bäume sollen zurückgeschnitten, Mauern entfernt, Gebäude saniert werden. (taz, dpa)
Geht der Senat damit auf Konfrontation mit dem Bezirk?
Positiv ist, dass die Sozialthemen auf die Agenda des Sicherheitsgipfels gekommen sind. Ohne meine Kollegin Stefanie Remlinger …
… die grüne Bezirksbürgermeisterin von Mitte…
… und mich wäre das in dieser Form nicht passiert. Es ist schade, dass der Wille zu pragmatischen Lösungen an diesem Punkt den Gipfel nicht überdauert. Hier betreibt der Senat leider Symbolpolitik.
Können Sie verhindern, dass der Park nachts abgesperrt wird?
Wir als Bezirk, aber auch die Polizeipräsidentin haben bei dem Gipfel deutlich gemacht, dass die Situation im Görlitzer Park nicht isoliert betrachtet werden darf von der Situation in den angrenzenden Wohngebieten. Der Bezirk hat ein großes Interesse daran, weiterhin in einem engen Austausch mit dem Senat zu bleiben, was nachhaltige Lösungen betrifft. Zum Zaun und einem dauerhaften nächtlichen Abschließen bleiben viele Fragen offen. Dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg liegt bis heute kein Konzept vor, was genau der Senat hierzu an unserem Park plant.
Haben Sie als Bezirk denn Möglichkeiten, das nächtliche Absperren des Parks zu verhindern?
Bei der Pressekonferenz nach dem Gipfel gab es ja sogar Aussagen, dass Teile der Mauer um den Park herum abgerissen werden sollen. All das wurde bisher nie mit uns besprochen. Gänzlich ungeklärt ist zudem auch noch, wie das Ganze finanziert werden soll. Deshalb sehe ich das Ganze skeptisch. Wir brauchen dringend nachhaltige Lösungen. Die Angebote für Suchtkranke und die Übernachtungsmöglichkeiten für Obdachlose müssen ausgebaut werden. Auch hier haben wir noch keine Finanzierungszusage bekommen. Ich bin enttäuscht, dass nur der Punkt herausgegriffen wird, der reine Symbolpolitik ist. Ob für die wirklich nützlichen Maßnahmen genug Gelder zur Verfügung stehen, bleibt unklar. Deutlicher kann der Senat die Kreuzberger*innen nicht allein lassen.
Angenommen, der Senat zieht das Vorhaben durch. Wird es am Ende die Polizei sein, die nachts aufpassen muss, dass niemand in den Park geht?
Uns liegen hierzu wie gesagt keine Details vor.
Würde sich die Kreuzberger Bevölkerung gefallen lassen, nachts nicht mehr in den Görli zu können?
Wie immer gibt es gibt zu dieser Frage nicht nur die eine einzelne Kreuzberger Position. Was aber sehr deutlich gespiegelt wird, ist, dass eine Verlagerung der Probleme durch die nächtliche Schließung des Parks für die Anwohnerinnen und Anwohner nicht in Frage kommt. Zu Recht werden nachhaltige Lösungen von Bezirk und Land erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind