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Grabenkampf um Russlands Einfluss in Afrika

Wenige Stunden vor dem Flugzeugabsturz soll der Wagner-Chef erst aus Mali zurückgekehrt sein. Ein Zufall? Vieles spricht dagegen

Von Simone Schlindwein, Kampala

Erst am Mittwochmorgen soll Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin aus Afrika nach Russland zurückgekehrt sein. Abends stürzte dann das Flugzeug, mutmaßlich mit ihm an Bord, unweit der russischen Stadt Twer ab. Am Tag zuvor hatte ein Handyvideo in den sozialen Medien die Runde gemacht. Darin sieht man den Wagner-Chef in voller Kampfuniform in einer sandigen Wüste, im Hintergrund ein Pick-up. „Hier sind Temperaturen von über 50 Grad“, sagt der Söldnerchef darin. Er werde nun die Wagner-Operationen überall auf dem Kontinent ausweiten, um die afrikanischen Völker „freier“ zu machen, so Prigoschin weiter.

Verschiedene Quellen vermuten, dass das Video in Mali entstanden ist. Sicher ist das nicht, auch das Aufnahmedatum ist unklar. Das Flugzeug, mit dem die Wagner-Crew nun in Russland abgestürzt sein soll, war nach Angaben von Flight-Trackern am 18. August in Moskau gestartet und via die syrische Hauptstadt Damaskus zunächst nach Mali geflogen. Angeblich war Prigoschin in dem westafrikanischen Staat, um weitere lokale Milizen als Verbündete im Kampf gegen den Terror zu gewinnen. Auf den Wagner-nahen Kanälen beim Nachrichtendienst Telegram zirkulierten Handyfotos: Darauf zu sehen sind angeblich drei Kämpfer der malischen Dozo-Miliz. Dazwischen steht ein weißer Soldat in Kampfuniform. Solch eine Uniform trägt auch Prigoschin in dem Wüsten-Video.

Doch dann musste der Wagner-Chef Mali anscheinend überhastet verlassen. Der Grund: Auf den Wagner-Kanälen bei Telegram wurden Gerüchte laut, dass Russlands Verteidigungsministerium und der russische Militärgeheimdienst GRU das Wagner-Engagement in Afrika beenden wollten. Ein Indiz dafür war ein Rekrutierungsaufruf der privaten russischen Sicherheitsfirma Redut, die nun auch Kämpfer und Übersetzer für Afrika und den Nahen Osten sucht. Die Firma ist eng verbandelt mit dem GRU sowie dem staatlichen Erdgaskonzern Gazprom – also mit dem Kreml. Auf den Telegram-Kanälen wurden schnell Vermutungen laut, Russlands Verteidigungsministerium wolle nun bald Ressourcen umleiten und andere kremlnahe Sicherheitsfirmen stünden bereits in den Startlöchern, um Wagner nun auch in Afrika zu ersetzen.

Konkret wurden Pläne laut, dass GRU-Vizedirektor Andrei Awerjanow, verantwortlich für geheime Spezialoperationen, eine 20.000 Mann starke Truppe aufstellen wolle, um die bisher von Wagner-Truppen durchgeführten Operationen in Afrika zu übernehmen. Prigoschin wollte dies verhindern – offenbar vergeblich. Nicht einmal eine Stunde nach dem Flugzeugabsturz in Twer hob eine Maschine des russischen Katastrophenschutzministeriums in Moskau ab, flog zunächst nach Damaskus und dann weiter nach Mali: dieselbe Flugroute, die Prigoschin am vergangenen Wochenende genommen haben soll. Zufall? Wohl kaum.

Einige afrikanische Milizenführer und Putschisten dürften sich nun Sorgen machen, wie es um ihre Beziehungen nach Moskau steht und welche Folgen dies für ihren eigenen Machterhalt hat. Ein Beispiel ist der sudanesische General Mohamed Hamdan Daglo, genannt „Hemeti“, Anführer der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF). Seit Beginn des sudanesischen Bürgerkriegs im Frühjahr haben diese mehrfach Waffenlieferungen aus Russland erhalten. Diese wurden über Wagner-Kontakte und deren Stützpunkt im südlichen Nachbarland Zentralafrikanische Republik in den Sudan geliefert. Mit an Bord des abgestürzten Flugzeugs soll auch Alexander Totmin gewesen sein, einer von Prigoschins engen Leibwächtern, stationiert im Sudan.

Auch der Investigativjournalist Christo Grozev ist überzeugt, dass der mutmaßliche Tod Prigoschins im Zusammenhang mit Russlands Interessen auf dem afrikanischen Kontinent steht. „In der letzten Woche sahen wir die Eskalation eines tiefen Grabenkampfes zwischen dem Verteidigungsministerium sowie dem Kreml auf der einen und Prigoschin auf der anderen Seite“, sagt Grozev vom nichtstaatlichen Recherchenetzwerk Bellingcat. Dabei sei es um die Kontrolle über einige sehr lukrative Märkte in Afrika gegangen. Der Journalist glaubt, dass Prigoschin in den vergangenen Tagen in Mali war, um dort nicht die Kontrolle zu verlieren. „Und ich denke, es ist diese Eskalation des Streits um die Interessen Russlands in Afrika, die nun zu diesen Aktio­nen gegen Prigoschin geführt haben.“