Film „Sophia, der Tod und ich“: Märchen vom Aufschub
Charly Hübner hat den Roman von Thees Uhlmann in einer liebenswerten Komödie verfilmt. Sie handelt vom Abschiednehmen.
Den Tod zu verwalten, ist kein leichtes Geschäft. Doch Erzengel Michael hat sein Schwert abgelegt und agiert nun in Gestalt von Michaela (Lina Beckmann) mit der Gelassenheit einer Amtschefin, die schon alles gesehen hat und die Ruhe nicht verliert.
Das Unglaubliche wie das Alltägliche zu erzählen, und mythische Figuren mit wenigen Pinselstrichen in glaubwürdige Charaktere zu verwandeln: das gelingt Charly Hübner, als Schauspieler schon lang bekannt, gut in seinem ersten Spielfilm als Regisseur. Wüsste man nicht, dass „Sophia, der Tod und ich“ die Verfilmung eines Romans von Thees Uhlmann ist, könnte man glauben, die Rollen seien eigens für diese Schauspieler entwickelt, von denen die meisten, wie Hübner, von der Bühne kommen.
Der Tod in seinem Element
Marc Hosemann, der immer ein bisschen neben der Spur wirkt und wie erstaunt, über die Sätze, die er sagen muss, ist als Tod in seinem Element. Ein Tod, der sich vom mitleidlosen Funktionär in einen mitfühlenden Freund verwandelt. Auch dank seines ersten Alkoholrausches unter den Sterblichen.
Dimitrij Schad spielt Reiner, den jungen Mann, den der Tod abholen soll, mit leicht verpeilter Liebenswürdigkeit. Er ist einer, der mit sympathischer Unentschlossenheit durch sein Leben und seine Beziehungen gurkt und was ihm wichtig ist, erst merkt, als es zu spät ist. Die Begegnung mit dem Tod wird für Reiner zum Beschleuniger der Erkenntnis.
Schon der Roman von Thees Uhlmann erzählt dies als Roadtrip, Reiners Ex-Freundin Sophia (Anna Maria Mühe) schnappt ihn zunächst dem Tod weg und bringt ihn zu seiner Mutter (Johanna Gastdorf). Der Tod, der noch immer einen Auftrag zu erledigen hat, reist mit, muss sich als Freund tarnen, trinkt das erste Mal Alkohol, betrunken schlägt das Trio bei der Mutter auf. Bald jagt ein konkurrierender Todesbote alle vier.
In einigen Szenen spürt man die Lust am Genrekino. Das Duell der beiden Todesboten im Garten der Mutter zum Beispiel lässt in seiner stilistischen Verfremdung Gedanken an Tarantino-Filme aufblitzen; aber dann ist es immer auch ein Unterlaufen der großen Action und der Special Effects. Mit dem Stampfen der Flamencotänzer treten die Kontrahenten gegeneinander an.
Ironische Abwehr statt Gefühle
Charly Hübner spielte lange den Rostocker Kommissar Buckow in der Reihe „Polizeiruf 110“. Ein Mann, für den es schwieriger war, sich über seine Gefühle klar zu werden, als einen Mafiaring auszuhebeln. Diese Furcht vor dem Sentiment, die schnelle ironische Abwehr, die hat er auch den Protagonisten seines Films in die Knochen gepackt. Damit machen sie es sich selber schwer. Nur Sophia scheint klug genug, das zu durchschauen.
„Sophia, der Tod und ich“. Regie: Charly Hübner. Mit Dimitrij Schaad, Anna Sophia Mühe u. a. Deutschland 2023, 98 Min.
Der Film lebt auch von der Schlagkräftigkeit der Dialoge, die, weil allegorische Figuren mitspielen, oft eine Doppeldeutigkeit haben, die den Sprechenden zwar nicht, dem Zuschauenden aber wohl bewusst ist. Man hat ihn ja längst akzeptiert, den personalisierten Auftritt des Todes und ist damit den noch im Wust der Verwirrung gefangenen Personen einen Schritt voraus. Das lässt die Komödie gut funktionieren.
Eigentlich hätte man es die ganze Zeit wissen können und merkt es doch erst am Ende: Dass es in dieser mit scheinbar leichter Hand erzählten Geschichte um Abschied und Versöhnung, um das Aushalten von Verlust und Schmerz geht. Es ist ein Märchen vom Aufschub, dass sich am Ende das Wichtigste doch noch erledigen lässt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!