piwik no script img

Prozess nach Massenselbstmord in KeniaSektenführer droht mit Hungerstreik

Ein Sektenführer in Kenia predigte den Hungertod als Weg, Jesus zu treffen. Über 400 Menschen starben. Vor Gericht inszeniert er sich als Opfer.

Opfer eines christlichen Sektenkults: Ein exhumierter Körper wird im Juni von der Polizei geborgen Foto: ap

Kampala taz | Es sind dramatische Szenen, die sich derzeit in einem Gerichtssaal in Kenias Küstenstadt Mombasa abspielen. Dort wird derzeit der grausamste Massenselbstmord in der jüngeren Geschichte des Kontinents behandelt.

Mehr als 400 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, haben sich auf Geheiß ihres Sektenführers in einem abgelegenen Waldgebiet entlang der Küste zu Tode gefastet. Paul Mackenzie, Vorsteher der „Good News International“-Freikirche, hatte ihnen gepredigt, dass die Welt untergehen werde und nur diejenigen von Gott erlöst würden, die sich zu Tode hungern.

Im April hatten Kenias Polizeieinheiten auf einen Tipp aus der lokalen Bevölkerung hin das undurchdringliche Waldgebiet namens „Shakahola“ gestürmt und dort Hunderte Leichen sowie zahlreiche abgemagerte Menschen entdeckt. Sektenführer Mackenzie und 27 weitere Mitstreiter wurden festgenommen und sitzen seitdem in Untersuchungshaft.

Diese Woche wurde der charismatische Prediger nun erneut dem Haftrichter vorgeführt. Eine Anklage konnte noch nicht erhoben werden, weil die polizeilichen Ermittlungen noch immer nicht abgeschlossen sind. Der Grund: Die Forensiker graben immer noch weitere Leichen aus. Im Juli wurde sogar bekannt, dass zahlreiche gerade erst Verstorbene entdeckt wurden. Sprich: Einige von Mackenzies Mitstreitern sind noch immer auf freiem Fuß und praktizieren den Kult weiter.

Nicht der erste Hungerstreick

Im Vorfeld der Haftprüfung hat Mackenzie Beschwerde eingelegt. Er kritisierte die Haftbedingungen: „Ich werde in einer dunklen Zelle festgehalten und alle meine Forderungen nach mindestens einer Stunde Ausgang im Sonnenlicht wurden verwehrt“, so Mackenzie.

In rosafarbenem Poloshirt gekleidet steht der Sektenführer im Gerichtssaal und droht mit Konsequenzen: „Meine Mitstreiter und ich haben entschieden, dass wir dazu bereit sind, zum Yala-Fluss gebracht zu werden“, wetterte er.

Der Yala-Fluss ist einer von Kenias längsten Flüssen. Übersetzt bedeutet „Yala“: „Du wirst wiederauferstehen.“ Es sei bereits der zweite Tag, an welchem er alle Nahrung verweigere, erklärt er und wettert gegen den Ankläger: „Wir werden alle sterben, und Sie, Herr Staatsanwalt, werden auch eines Tages sterben – es gibt keinen Ort, an den jemand fliehen kann, um dem Tod zu entkommen.“

Bereits im Juni hatten Mackenzie und seine 27 Mitgefangenen aus Protest gegen die Haft jegliche Nahrung verweigert, dabei war ein Sektenmitglied gestorben. Das Gericht hatte daraufhin die Zwangsernährung angeordnet und Mackenzie in Einzelhaft gesperrt, damit er seine Anhänger nicht weiter manipulieren könne.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!