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Polnisch-belarussische GrenzeWahlkampf mit Wagner-Gefahr

Angeblich planen rund 100 Wagner-Söldner an der belarussisch-polnischen Grenze eine Provokation. Das behauptet die Regierung Polens.

Ein Foto des belarussischen Verteidigungsministeriums zeigt reguläre Soldaten und Wagner-Kämpfer Foto: Belarus' Defense Ministry/ap/dpa

WARSCHAU taz | In Polen geht die Angst um: Die russischen Wagner-Söldner in Belarus könnten Polen angreifen. Und die Nato-Staaten würden Polen dann nur zögernd verteidigen, wenn überhaupt. Im Zweiten Weltkrieg hatten Polens Garantiemächte Frankreich und Großbritannien auch nicht eingegriffen, als die deutsche Wehrmacht und Sowjetrussland Polen am 1. und am 17. September 1939 überfallen hatten.

Es sind diese Ängste, welche die Rechtspopulisten der in Warschau regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) derzeit schüren. Denn je mehr sich die polnischen Wähler und Wählerinnen fürchten, so das Kalkül, desto eher werden sie bei den Parlamentswahlen im Herbst ihr Kreuzchen bei derjenigen Partei machen, die für Sicherheit und Ordnung eintritt.

Als Premier Mateusz Morawiecki von der PiS am Wochenende auf seiner Wahlkampftour im Osten des Landes unterwegs war, warnte er: „Uns liegen Informationen vor, dass über hundert Wagner-Söldner sich auf die Suwalki-Lücke zubewegen. Dies ist mit Sicherheit ein weiterer Schritt zu einer hybriden Attacke auf das polnische Territorium.“ Die Suwalki-Lücke ist die knapp 100 Kilometer lange Grenze zwischen Polen und Litauen. Im Norden der Grenze liegt die russische Exklave Kaliningrad, im Süden das von Machthaber Lukaschenko regierte Belarus.

Sollten russische und belarussische Truppen die polnisch-litauische Grenze von beiden Seiten angreifen und die Suwalki-Lücke schließen, wären die drei baltischen Republiken Litauen, Lettland und Estland von Polen und dem Rest der Nato-Staaten abgeschnitten. In Nato-Manövern wurde das schon durchgespielt. Das ernüchternde Ergebnis vor ein paar Jahren: Polen würde sich gerade mal vier Tage allein verteidigen können. Das Problem war – und ist bis heute – die fehlende Infrastruktur für den Nachschub, aber auch für schwere Panzer und gepanzerte Fahrzeuge. Die auf vier Spuren angelegte Via Baltica sowie die Sanierung der zahlreichen Brücken wird aber wohl erst 2025 oder 2026 fertig werden.

Wagner-Söldner als getarnte Immigranten?

Die Wagner-Söldner, so Morawiecki weiter, „werden sich als belarussische Grenzschützer verkleiden und illegalen Migranten dabei helfen, auf polnischen Boden vorzudringen“. Noch schlimmer sei, dass sie wahrscheinlich selbst, „getarnt als illegale Immigranten“, ins Land eindringen würden, was „ein zusätzliches Risiko darstellen“ würde.

Im oberschlesischen Gliwice (Gleiwitz) verwies Morawiecki auf die für die PiS notorisch Schuldigen: auf Donald Tusk, den Vorsitzenden der liberal-konservativen Oppositionspartei Bürgerplattform (PO), und auf die Deutschen „Sie (die PO, Anm. der Red.) waren einverstanden mit diesem deutsch-russischen Bündnis, das sich auf Gas stützte und auf eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit.“

Inzwischen gebe es aber auch in Deutschland viele Stimmen, die zugeben würden, dass genau diese deutsch-russische Zusammenarbeit zum russischen Krieg in der Ukraine geführt habe – und zu den heute gigantischen Gefahren für ganz Europa.

Auch PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński jagte Tausenden Gästen auf einem „Sonntags-Familienpicknick“ im großpolnischen Polajewo bei Posen einen gehörigen Schrecken ein, als er „vor einer großen neuen Gefahr“ warnte. Die Wagner-Söldner planten eine Provokation an der belarussisch-polnischen Grenze, so Kaczyński. Scheinbar beruhigend setzte er hinzu: „Aber sie werden die demokratischen Prozesse in Polen nicht aufhalten. Die Wahlen finden pünktlich statt.“ Doch dann setzte er nach einer kurzen Pause hinzu: „Es sei denn, der Krieg bricht aus.“

Experte sieht Propaganda-Spielchen

Das renommierte Rechercheportal Oko.Press fragte Kamil Kłysiński, einen Experten vom Warschauer Zentrum für Ost-Studien (OSW), ob von rund 100 Wagner-Söldnern an der polnisch-belarussischen Grenze bei Grodno wirklich eine so große Gefahr für Polen ausgehen könne. Der Experte antwortete: „Das sind unbestätigte Informationen aus Telegram-Kanälen.“ Kłysiński kann sich auch nicht vorstellen, dass die Wagner-Söldner sich als belarussische Grenzschützer oder gar als Migranten „verkleiden“ würden, um die polnische Seite zu provozieren. „Das sind Propaganda-Spielchen, um Angst und Schrecken zu verbreiten.“

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