Jenni Zylka
Cultural Appreciation
: Es geht nur gemeinsam

Foto: privat

Es gab eine Zeit, in der galten das „Ah, oh!“ und „Winke, winke!“ der Teletubbies als antipädagogisch. Eltern sorgten sich, dass ihre Kleinen durch die wortschatzarmen, enervierend niedlichen Knuffelfiguren nicht genügend „echte“ Sprache mitbekämen.

Heute freut man sich, wenn Kinder überhaupt mal in den übersichtlich programmierten, von Ju­gend­schüt­zer:in­nen kontrollierten Fernseher gucken, anstatt sich von der Social-Media-Welt traumatisieren zu lassen.

Vielleicht sollte man diese Großmut auch Barbie gegenüber gelten lassen. Immerhin ist sie eine analoge Puppe, eine Erwachsenenfigur gar, die Mädchen, wie es Greta Gerwig ihrem umstrittenen Film voranstellte, erstmalig die Möglichkeit bot, kreativ etwas anderes als eine Mutter zu spielen. (Abgesehen davon, dass es durchaus auch Mütter von jungen, normativ-überperfekt geformtem Frauen mit klitzekleinen Ballettfüßchen geben muss. Die sich dann wahrscheinlich ärgern, weil ihre Töchter sich nur für Äußerlichkeiten interessieren, anstatt zu Feminismusdemos zu gehen.)

Überhaupt stecken in der Barbenheimer-Diskussion, die beiden Filmen wahlweise bestätigt, das Kino zu retten oder seinen Untergang einzuleiten, jede Menge Genderaspekte: Nicht nur auf den Feminismus, den Barbie nach Ansicht vieler verrät beziehungsweise Greta Gerwig nicht ernst genug nimmt, lohnt ein detaillierter Blick, sondern auch auf den latenten Macho-Vibe, den man zunächst in den Daten rund um „Oppenheimer“ wahrnehmen könnte, wenn man möchte. Also Achtung, Damen, aufgepasst, meiner ist drei Stunden lang: Es handelt sich wie gesagt um einen sehr, sehr langen 70-mm-Film, dessen sehr, sehr lange (17 Kilometer) Imax-3D-Rollen so schwer sind (272 Kilo), dass manche Kinos sie nicht spielen können. Der Film hat den vermutlich längsten … Score, den je ein langer Film hatte – der Komponist Ludwig Göransson lässt nur wenige Pausen.

Die Heldenreise des Films stellt einen Mann in den Mittelpunkt – und macht ihn damit zum Helden –, der die dickste Waffe baut, die je gebaut wurde. Die dramaturgische Entwicklung der Hauptfigur fußt darauf, dass jener Bombenbauer nach dem Abwurf der Bomben und dem Tod von mindestens 230.000 Menschen doch tatsächlich ins Zweifeln gerät und er sich für die Kontrolle der Kernenergie einsetzt. Nebenbei ist er ein echter Stecher, wie man in seinen Sexerinnerungen, die ihm ausgerechnet bei der Anhörung bildhaft in den Sinn kommen, schnell sieht.

Jenni Zylka, freie Autorin, lebt in Berlin.

Aber abgesehen davon sind beides gute Filme, und das meine ich komplett unironisch. Denn neben der formalen Spiel-, Technik- und Inszenierungsfreude zeigen sie, dass die Welt weder schöner ist, wenn Barbies sie regieren, noch, wenn Oppenheimers das tun. Es geht nur gemeinsam. Das ist die versöhnliche Botschaft, die sowohl am Ende von „Barbie“ deutlich und ebenfalls recht unironisch verkündet wird als auch das Ende von „Oppenheimer“ bestimmt, das geprägt ist von den persönlichen und globalen Konsequenzen seiner Arbeit.

Man könnte in den Daten rund um „Oppenheimer“ einen latenten Macho-Vibe wahrnehmen

Großmut ist also the key. Und wen der neue Kinohype kaltlässt – nicht nur der „Oppenheimer“- und „Barbie“-Ticketverkauf erfreut momentan die Lichtspielhäuser, auch politisch unbedenkliche Independentproduktionen wie „Talk to Me“ profitieren laut Variety vom Barbenheimer-Effekt – oder wer befürchtet, dass die Mattel-Merchandisingverkäufe mit dem Filmstart in unfassbare Höhen schnellen und die Großkonzernbonzen noch reicher machen, der sei etwas besänftigt: Bislang konnte die Barbie die aus bekannten Gründen (Krise, Digitalisierung etc.) seit Jahren einbrechenden Mattel-Profite noch nicht retten, laut Medienberichten kaufen die Kon­su­ment:in­nen nach wie vor immer weniger echtes Spielzeug, Margot Robbie hin oder her. Aber Mattel sitzt bestimmt schon an einem Oppenheimer-Ken. Inklusive langer, dicker und schwerer Bombe.