: Detektieren von Signalen
Wo steht das deutsche Frauen-Nationalteam vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Australienund Neuseeland? In einer Phase der Unsicherheit redet sich die Auswahl der Kickerinnen stark
Aus Herzogenaurach Frank Hellmann
So ein Media Day erinnert an ein Speed-Dating. Vor allem, wenn er so abläuft wie bei den deutschen Fußballerinnen am Montag im Gebäude „Halftime“ auf dem Adidas-Gelände in Herzogenaurach. Auf den Tischen liegen die Zettel mit den Namen der DFB-Frauen, sodass aus der Zahl der Journalisten um jede Spielerin der Stellenwert vor der WM in Australien und Neuseeland abzulesen ist. Doch stimmt das wirklich? Während Torjägerin Alexandra Popp belagert wird, sitzt Verteidigerin Marina Hegering ungefragt alleine in der Ecke.
Beide Stützen vom VfL Wolfsburg kennen es kaum anders, aber weder die eine noch die andere stört sich groß daran. In der internen Hierarchie stehen die 32-jährige Kapitänin und die 33-jährige Abwehrchefin fast auf derselben Stufe. Nicht wenige sind der Ansicht, dass der dritte WM-Titel nur gewonnen werden kann, wenn die oft verletzte Hegering mit ihrem umsichtigen Stellungs- und Aufbauspiel durchhält. Und so stimmt die mediale Strahlkraft nicht immer mit der sportlichen Bedeutung überein.
Dasselbe gilt auch für die Vorbereitung: Richtig aussagekräftig sind die Resultate für ein Turnier selten. Oder? Es besteht gerade keine Einigkeit, was das bis Mittwoch dauernde erste Trainingslager inklusive des verrutschten Tests gegen Vietnam (2:1) bedeutet. Ein Weckruf, dass der zweifache Weltmeister mal besser seine Ansprüche für die Mission in Down Under runterfährt? Oder alles halb so wild?
Klar, dass die Spielerinnen eher der zweiten These anhängen. „Wir haben einen hervorragenden Kader und ausreichend Zeit, uns vorzubereiten“, versicherte Sara Däbritz. Das ungenaue Passspiel werde man abstellen, die taktischen Dinge anpassen. „Ich mache mir keine Sorgen.“ Und ihre Kollegin Lena Lattwein sagte: „Vor der EM lief ja auch nicht alles rund.“
Im April 2022 wurde ein WM-Qualifikationsspiel in Serbien (2:3) in den Sand gesetzt, in diesem Jahr ein Testspiel gegen Brasilien (1:2). Doch vor der EM in England war das Team im Gegensatz zu diesmal komplett – und am 24. Juni vergangenen Jahres gab ein Kantersieg in Erfurt im einzigen Vorbereitungsspiel gegen die Schweiz (7:0) einen Vorgeschmack auf den famosen EM-Start gegen Dänemark (4:0). Durch die frühere Terminierung hatten die Akteure aber auch keinen wochenlangen Urlaub vorher. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kündigte wohl deshalb nun „viel Arbeit auf dem Trainingsplatz“ an. Die 55-Jährige erweckt den Eindruck, als habe sie alle Antennen ausgefahren, um die Warnsignale aufnehmen. Und sie tauscht sich auch mit Silvia Neid aus. Als die heutige Leiterin der DFB-Abteilung Trendscouting im Frauenfußball vor zehn Jahren die deutschen Fußballerinnen auf die EM 2013 in Schweden vorbereitete, wirkte noch das Aus bei der Heim-WM 2011 nach. In der Vorbereitung sagten mehrere Leistungsträgerinnen wegen Verletzung ab. Letztlich reiste ein so junges Team nach Schweden, dass bei Torhüterin Nadine Angerer fast schon Muttergefühle aufkamen. Das Resultat: EM-Heldin Angerer kehrte mit der Trophäe zurück.
Das Gegenbeispiel hatte es zwei Jahre zuvor gegeben, als der DFB glaubte, den Spielkalender auf die viel zu groß aufgeblasene WM im eigenen Land ausrichten zu müssen. Die Saison endete im März und die WM bereits im Viertelfinale. Die Vorbereitungsmaßnahmen hatten sich als falscher Ansatz entpuppt. So verwundert nicht, dass mit Neid und ihre Vorgängerin Tina Theune-Mayer optimistisch bleiben. Beide sagen, dass in Australien für Deutschland „sehr viel möglich sei“. Na denn.
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