Die Wahrheit: Peinliche Momente
Tagebuch einer Abwesenden: Nicht nur zu Hause, besonders gern auch auf Reisen gibt es diese wundersamen Momente fataler Missgeschicke.
K ürzlich kam bei einer Party das Gespräch auf peinliche Momente. Darin bin ich Expertin. Meine Palette reicht von landläufigen Namensverwechslungen bis zur Karaokedarbietung in einer Bar in Tokio, in der die whiskeytrunkenen Gäste mitbekommen hatten, dass ich Deutsche bin und lautstark eine Darbietung unseres schönen Heimatlieds „Edelweiß“ forderten.
In Japan ist die Verwendung des Worts „Nein“ so häufig wie die Wahrscheinlichkeit gering, dem Kaiser persönlich vorgestellt zu werden; ich unterwarf mich also der Landeskultur und bin bis heute dankbar, dass mein Auftritt vor der Erfindung des Smartphones stattfand.
Unvergessen ist auch der erinnerungswürdige Moment, als ich auf einer Klassenfahrt aus einem fahrenden Skisessellift fiel. Leider bestand meine Klasse nicht aus achtsamen und empathischen Mitschülern, sondern aus spaßbesessenen Teenagern, deren mitleidsbefreite „Haha, wie lustig“-Kommentare ich bei der Zurschaustellung meiner Blutergüsse zähneknirschend mitbelachte.
Als vor zwei Wochen das Schicksal beschloss, es müsse unbedingt ein Rohr in meiner Wohnung platzen lassen, war ich zur Abwechslung mal schuldlos und bedankte mich artig, dass es netterweise vor meiner USA-Reise zuschlug und mich die Nachricht, meinem Nachbarn sei seine Badezimmerdecke auf den Kopf gefallen, nicht ein paar Tage später in der New Yorker Subway erwischte.
Ich fühlte mich schon ziemlich stoned von den durch Manhattan schwebenden gewaltigen Pot-Wolken, während ich eines Abends im vollbesetzten C-Train Richtung Norden ratterte und an der 72. Straße ein klappriges älteres Paar zustieg. Mein bereits etwas schläfriges Helfersyndrom erwachte; in bester Absicht sprang ich eilfertig auf, um meinen Platz anzubieten und taumelte direkt in die auf dem Boden abgestellten Reste des Restaurantdinners meines Sitznachbarn. Mit einem hässlichen Knirschen perforierte mein Absatz die Tüte und den Deckel des Stanniolbehälters, bevor ich in dem Essensmatsch ausrutschte und unter dem ehrfürchtigen Staunen der Subway-Gesellschaft und den Flüchen des Geschädigten auf dem Hintern durch den Wagen schlitterte.
Es gibt Situationen, in denen nicht einmal Selbstverhöhnung weiterhilft. Beim nächsten Stopp floh ich nach draußen, den braunen Soßenfleck auf meiner weißen Hose bemerkte ich dann zu Hause. Es wurde trotzdem noch ein sehr schöner Aufenthalt.
Bis zum Rückflug. Nach der Sicherheitskontrolle durfte ich endlich meine acht Kilo Handgepäck wieder einräumen, warf mir schwungvoll den Rucksack über die Schulter und fällte damit den Mann in der Schlange hinter mir. Die gute Nachricht ist, er hat überlebt, so wie alle meine Mitreisenden. Sie hatten Glück, es war ein Nachtflug, und ich schlief friedlich.
Seit heute freut sich Berlin über meine Rückkehr.
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