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Hamburger AmoktatInnenbehörde stellt sich Ausschuss

Abgeordnete befragen Polizei und Behörde zu den tödlichen Schüssen auf Zeugen Jehovas. Beamte müssen Nebentätigkeit in Schießklub aufgeben.

Beschäftigt noch immer die Hamburger Politik: Erinnerung an den Amoklauf von Alsterdorf Foto: Jonas Walzberg / dpa

Hamburg taz | Die Hamburger Innenbehörde hat erste Konsequenzen aus der Amoktat Anfang März im Stadtteil Alsterdorf gezogen. Dabei waren am Ende einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas sechs Menschen erschossen worden – darunter eine Frau mit einem ungeborenen Kind. Der Täter erschoss sich selbst. Wie sich schnell herausstellte, hatte die Hamburger Waffenbehörde zwar einen Hinweis auf den Täter, diesem aber nicht seine Waffe abgenommen.

Wie im Innenausschuss am Donnerstagabend bekannt wurde, übten mehrere Polizisten im Schießstand des Amokläufers Nebentätigkeiten aus. Das hat ihnen die Behörde inzwischen untersagt. Um solche Interessenkonflikte künftig zu vermeiden, erwägt die Behörde ein Compliance-System einzuführen.

Dass der Amokläufer Philipp F. gefährlich sein könnte, darauf hatte ein anonymes Schreiben hingewiesen, das den Behörden vorlag. Aufgrund dieses Schreibens besuchten Beamte der Waffenbehörde wenige Wochen vor der Tat Philipp F., um zu überprüfen, ob er die Waffen ordnungsgemäß verwahrt hatte. Die Kontrolle verlief im Wesentlichen ohne Beanstandungen.

Für eine Sicherstellung der Waffe hätten wesentliche Hinweise gefehlt, sagte einer der Polizisten, die im Innenausschuss vortrugen. Diese seien in dem Schreiben eher allgemein gehalten gewesen. Der Bürgerschaftsabgeordnete Deniz Celik (Die Linke) forderte Einblick in dieses Schreiben. Das sei eventuell möglich, müsse aber erst geprüft werden, sagte Innensenator Andy Grote (SPD).

Unzureichend informert

Fatal für die Abläufe in der Waffenbehörde war das Verhalten eines Mitarbeiters der Waffenbehörde. Er soll ein Schreiben aus dem familiären Umfeld des Amokläufers, das Ende Januar bei der Behörde eingegangen war, nicht ordnungsgemäß bearbeitet haben. Insbesondere habe er verschwiegen, dass er selbst einen anonymen Hinweis vorgeschlagen habe, obwohl er den Urheber und den Hintergrund des Schreibens kannte.

Die Folge: Der zuständige Sachgebietsleiter der Waffenbehörde ordnete „nur eine unangekündigte Aufbewahrungskontrolle für die im Besitz von Philipp F. befindliche Schusswaffe an, anstatt sich gezielt weitere Informationen zu verschaffen und die Schusswaffe nebst Munition sodann umgehend sicherzustellen“, wie die Staatsanwaltschaft schreibt.

Eben weil er möglicherweise Informationen zurückhielt, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Mitarbeiter, der das anonyme Schreiben weiterleitete. Es bestehe der Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung in sechs Fällen sowie der fahrlässigen Körperverletzung im Amt in 14 Fällen.

Wie Philipp F. war der Beamte der Waffenbehörde Mitglied im Hanseatic Gun Club. Dort soll er einen Nebenjob gehabt haben – so wie zwei weitere Hamburger Polizisten, wie Markus Fiebiger, der Leiter der Prüfgruppe zur Untersuchung der Amoktat, mitteilte. Diese urspünglich genehmigte Tätigkeit sei ihnen untersagt worden: Es bestehe die Gefahr, dass die Bevölkerung das Vertrauen in die Polizei verliere und das Ansehen der Verwaltung Schaden nehme.

Compliance–System geplant

Beamte müssen ihre Nebentätigkeiten ihren Vorgesetzten anzeigen. Festgeschriebene Standards bei einem Wechsel der Dienststelle gebe es allerdings nicht, Mitarbeitende hätten keine Mitteilungspflicht, sagte Fiebiger. In der Praxis werde dies aber so gehandhabt. „Wir beschäftigen uns intensiv mit Nebentätigkeiten“, versicherte Grote. Insbesondere die Arbeit in der Waffenbehörde sei mit einer Nebentätigkeit in einem Schießklub unvereinbar.

Fiebiger stellte ein mögliches Compliance-System für die Waffenbehörde vor, das das Bewusstsein der Mitarbeitenden für ihre besondere Verantwortung in der Waffenbehörde schärfen soll. Dabei werde unter anderm daran gedacht, künftige Mitarbeiter nach ihren Hobbys zu fragen. Ob das verbindlich gemacht werden könnte, werde geprüft.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen den Prüfungsausschuss des Hanseatic Gun Clubs: Dieser hätte Philipp F. keine Waffenbesitzkarte erteilen dürfen, weil dieser bei der entsprechenden Prüfung durchgefallen war. Die Ausschuss–Mitglieder könnten sich wegen Falschbeurkundung im Amt strafbar gemacht haben. Auch in weiteren Fällen besteht laut Staatsanwaltschaft der Verdacht, dass der Gun Club unzutreffende Sachkundezeugnisse ausgestellt hat.

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