: Journalismus und Propaganda
Streit über Pressefreiheit: Haftbefehl gegen Yücel und Durchsuchungen bei türkischen Journalisten
Vor der Stichwahl in der Türkei prägt das Thema Pressefreiheit die deutschtürkischen Beziehungen. Am Mittwoch haben die Staatsanwaltschaft Darmstadt und die Polizei im hessischen Mörfelden-Walldorf Privatwohngen zweier Journalisten der regierungsnahen türkischen Zeitung Sabah durchsucht. Nach Angaben der Ermittler bestehe der Verdacht eines „gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten“, wie in Paragraf 126a des Strafgesetzbuches geregelt. Es seien Speichermedien und andere Beweismittel sichergestellt worden. Die Türkei bestellte daraufhin den deutschen Botschafter ein. Das türkische Außenministerium sprach von einer „unbegründeten Festnahme“, die zuständige Staatsanwaltschaft sagte der dpa, es habe keine Festnahmen gegeben. Die Zeitung Sabah gehört zur Turkuvaz Media Group, die enge Beziehungen zu Präsident Erdoğans Familie unterhält.
Am Donnerstag teilte der Anwalt Veysel Ok mit, dass ein türkisches Gericht Haftbefehl gegen den deutschtürkischen Welt-Journalisten Deniz Yücel verhängt habe. Die Entscheidung sei in einem Verfahren gefallen, in dem Yücel Beleidigung des Präsidenten sowie Verunglimpfung des türkischen Staates und der Justiz vorgeworfen werden, so Yücels Anwalt Ok. Laut der Anwaltsvereinigung MLSA geht es dabei um Inhalte aus Yücels Artikeln. Der Prozess in Istanbul soll am 17. Oktober fortgesetzt werden. Yücel war von Februar 2017 bis Februar 2018 ohne Anklageschrift im türkischen Hochsicherheitsgefängnis Silivri inhaftiert. Das türkische Verfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatten Yücels einjährige Untersuchungshaft für rechtswidrig befunden und festgestellt, dass seine journalistischen Veröffentlichungen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.
Im Fall der Sabah-Journalisten wurde in den sozialen Medien vereinzelt auch auf das Grundrecht der Pressefreiheit verwiesen. „Pressefreiheit gilt für alle und überall. Deshalb ist es inakzeptabel, dass Journalisten von ‚Sabah Avrupa‘ festgenommen und ihre Arbeitsmaterialien beschlagnahmt wurden. Was in der Türkei und sonst wo falsch ist, ist auch in Deutschland falsch“, twitterte Gökay Sofuoğlu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland. „Pressefreiheit gilt für alle und überall. Aber das mutmaßliche ‚gefährdende Verbreiten personenbezogener Daten‘ (§ 126a StGB) über oppos. Journalisten im Exil fällt nicht unter die vom GG garantierte Pressefreiheit“, entgegnete Jörg Reichel, Geschäftsführer der Journalistengewerkschaft dju in Berlin-Brandenburg.
„In einem Bericht der Sabah wurde der Exiljournalist Cevheri Güven als ‚Terrorist‘ bezeichnet und seine private Adresse in Hessen veröffentlicht, auf der Titelseite der Zeitung abgebildet. Güven gilt als einer der schärfsten Kritiker Erdoğans“, erläuterte Reichel.
Der türkische Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun bezeichnete Güven in einem Statement als „registriertes Mitglied der Fetullahistischen Terrororganisation“, wie die Türkei die Organisation des Sektenführers Fetullah Gülen nennt. Die Hausdurchsuchungen seien eine „offensichtliche Verletzung der Pressefreiheit“. Die Türkei sieht die islamistische Gülen-Organisation als verantwortlich für den Putschversuch im Juli 2016 an.
(vag, mit dpa, afp)
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