Verteilung und Versorgung Geflüchteter: Streit ums Geld

Vor dem Treffen im Kanzleramt fordern Länder und Kommunen erneut mehr Geld. Der Bund will nicht mehr zahlen, aber Abschiebungen erleichtern.

Drei Geflüchtete stehen in einem Vielbettzimmer mit Hochbetten in einer Unterkunft in Nordrhein-Westfalen

Wer soll wie viel und was bezahlen? Geflüchtete im Vielbettzimmer einer Unterkunft in Essen, NRW Foto: Roland Weihrauch/dpa

BERLIN dpa/afp/epd/taz | Vor dem für kommenden Mittwoch geplanten Flüchtlingsgipfel haben die Ministerpräsidenten der Länder den Druck auf die Bundesregierung erhöht. „Städte, Gemeinden und Landkreise brauchen deutlich mehr Geld – der Bund muss deshalb seinen Anteil von derzeit 2,75 Milliarden Euro mindestens verdoppeln“, forderte Hessens Landeschef Boris Rhein (CDU) im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Anders sind Unterbringung und Integration dauerhaft nicht zu finanzieren.“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte der Bild am Sonntag (Bams): „Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass Zuwanderung gesteuert wird. Wenn wir uns in Deutschland nicht handlungsfähig zeigen, wird das Vertrauen in unsere Demokratie mehr und mehr untergraben.“

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) forderte, Herkunftsstaaten, die ablehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen, Hilfen zu kürzen. „Wir stehen zum Grundrecht auf Asyl. Aber bei Ländern, die einer geordneten Rückführung nicht zustimmen, müssen wir künftig auch über Kürzungen bei der Entwicklungshilfe nachdenken“, sagte Söder der Zeitung.

Auch von Ministerpräsidenten der Ampel-Parteien kamen kritische Töne. „Der Bund muss seiner Verantwortung gerecht werden und darf die Länder und Kommunen mit den Mehrkosten der Flüchtlingskrise nicht alleine lassen“, sagte Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann (Grüne) der Bams. Anke Rehlinger (SPD), saarländische Ministerpräsidentin, forderte, „nicht abgerufene Mittel der Wohnraumförderung einsetzen zu können, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der zeitweise auch zur Unterbringung von Flüchtlingen dienen kann“.

Kein Geld, aber Abschiebungen

Der Bund hat inzwischen allerdings schon mehrfach klargemacht, kein weitere Geld geben zu wollen. In der vergangenen Woche machte ein inoffizielles Papier aus dem Kanzleramt die Runde, in dem aufgerechnet wird, wie viel der Bund ohnehin schon leiste. Ähnlich argumentiert er auch in einer Beschlussvorlage, aus der die ARD berichtet. Statt Geld bietet der Bund demnach offenbar die Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsländer auf Georgien an und die Erleichterung von Abschiebungen und Abschiebehaft.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekräftigte zudem ihren Vorstoß für Asylzentren an den EU-Außengrenzen. „Über Asyl für Menschen, die kaum Aussicht auf Schutz in der EU haben, muss in Zukunft schon an den Außengrenzen entschieden werden“, sagte Faeser der Bams. Wer kein Recht auf Asyl habe, müsse „von dort in seine Heimat zurückkehren“. Gleichzeitig wolle sie, dass jeder an der EU-Außengrenze registriert werde, „damit Menschen nicht unkontrolliert weiterreisen“. Es brauche eine „feire Verteilung“ Geflüchteter in Europa. Zugleich müssten aber auch die EU-Außengrenzen effektiv geschützt werden.

Die Europäische Kommission hat Unterstützung für die Pläne der Bundesregierung signalisiert. „Es ist wichtig, verpflichtende Grenzverfahren zu haben. Das ist notwendig, um irreguläre Migration zu steuern und funktionierende, schnelle, aber menschenwürdige Rückführungen sicherzustellen“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson der Welt am Sonntag.

Mit Blick auf eine gemeinsame EU-Asylpolitik zeigte sie sich zuversichtlich: „Ministerin Faeser und ich bleiben beide fokussiert und optimistisch mit Blick auf die Fortschritte, die wir beim Asyl- und Migrationspakt machen.“

Kritik von Pro Asyl

Seit der Flüchtlingskrise 2015 ist es der EU nicht gelungen, sich auf eine umfassende Reform des europäischen Asylsystems zu einigen. Faeser hatte beim Rat der EU-Innenminister*innen Anfang März schnelle Lösungen gefordert. Ziel der Bundesinnenministerin ist es, die Reform des Asylsystems noch vor der Europawahl 2024 auf den Weg zu bringen.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat Pläne für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen hingegen scharf kritisiert. „Für Pro Asyl ist das ein menschenrechtlicher Dammbruch“, sagte Europaabteilungsleiter Karl Kopp dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Es gibt keine fairen, rechtsstaatlichen Verfahren in haftähnlichen Lagern fernab an den Rändern Europas.“

Die „Blaupause“ für solche Verfahren könne man seit Jahren auf den griechischen Inseln beobachten, erklärte Kopp. „Die Vorstellung, dass es diese Entrechtung Schutzsuchender bald europaweit geben wird, ist schlimm.“ Schon jetzt sei der Druck von rechtspopulistischen Strömungen auf die Abschaffung des Asylrechts enorm.

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