Protest gegen Großprojekte in Mexiko: Eine Karawane des Widerstands

Unter dem Motto „El Sur resiste“ protestieren indigene Ak­ti­vis­t*in­nen im Süden Mexikos gegen Regierungsprojekte wie den „Tren Maya“ in ihren Gebieten.

protestierende Menschen

Protest gegen den „Mayazug“ im mexicanischen Playa del Carmen Foto: Paola Chiomante/reuters

OAXACA taz | Ein Touristenzug, eine Containertrasse und einige dazugehörige Industrieparks im Süden des Landes zählen zu den ambitioniertesten Projekten des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador. Wenn alles nach Plan verläuft, dürften bald zahlreiche Ur­lau­be­r*in­nen mit dem „Tren Maya“ – dem „Mayazug“ – auf der Halbinsel Yucatán von karibischen Stränden zu präkolonialen Pyramiden rauschen.

Und im Isthmus von Tehuantepec wird der „Interozeanische Korridor“ dafür sorgen, dass eine Bahn große Mengen an Gütern vom Pazifik zum Atlantik befördert. Entlang der Strecke, die den Panamakanal entlasten soll, sollen industrielle Anlagen entstehen, in denen Unternehmen steuerfrei produzieren können. 150.000 Arbeitsplätze würden dort bis 2030 geschaffen, verspricht López Obrador, und viele weitere durch den Tourismus in der Karibik. Gerade im verarmten Süden Mexikos brauche es diese Entwicklung, erklärt der Staatschef.

Doch davon sind nicht alle überzeugt. Einige indigene Gemeinden befürchten, dass durch die Megaprojekte ihre natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden. Sie sprechen von „Projekten des Todes“, die ausschließlich auf kapitalistische Verwertung ausgerichtet seien. Deshalb ziehen seit vergangener Woche mehrere Dutzend Ak­ti­vis­t*in­nen in der Karawane „El sur resiste“ – „der Süden widersteht“ – durch die betroffenen Gebiete. Am kommenden Wochenende wollen sie ihre Reise mit einem internationalen Treffen in der Stadt San Cristóbal de las Casas beenden.

Beteiligt sind zehn Organisationen, von denen die meisten im Nationalen Indigenen Kongress (CNI) eingebunden sind, und internationale Vertreter*innen, die wie der CNI den aufständischen Zapatisten aus dem Bundesstaat Chiapas nahestehen. „Die Karawane kann aufzeigen, dass es Kämpfe und Widerstände und Formen eines würdigen Lebens, Denkens sowie Fühlens und der Verbindung zu unserem Lebensraum gibt, die anders sind als das von Individualität und Konkurrenz gezeichnete kapitalistische System“, erklärt Ángel Sulub aus der Karibik-Stadt Carillo Puerto.

Die Maya-Gemeinden in Yucatán fühlen sich übergangen

Bereits in den ersten Tagen waren die Beteiligten mit den Sicherheitskräften konfrontiert. Nach dem Besuch eines Protestcamps des indigenen Mixe-Dorfs Mogoñe Viejo auf der Strecke der geplanten Containertrasse lösten Polizisten und Soldaten das Lager gewaltsam auf. Sechs Personen wurden festgenommen und zwei Tage später nach öffentlichem Druck wieder freigelassen.

Die Mixe kritisieren, dass sie nicht adäquat zu dem Vorhaben befragt und über die Umweltfolgen informiert worden seien. Versprechungen wie eine bessere Gesundheitsversorgung würden nicht umgesetzt. Solche Vorwürfe erheben auch Gemeinden, auf deren Land große Windkraftanlagen gebaut wurden. „Obwohl es in Juchitán 15 Windparks gibt, haben wir von den Unternehmen kein einziges Watt erhalten“, erklärt ein Anwohner.

Auch Maya-Gemeinden auf der Halbinsel Yucatán fühlen sich von der Regierung hintergangen. „Neun Millionen Bäume wurden gefällt, obwohl es hieß, dass kein einziger abgeholzt werde“, kritisiert eine Karawanen-Teilnehmerin. Umweltgutachten bestätigen, dass der Tren Maya den Dschungel und das umfangreiche unterirdische Wassersystem zerstören könnte. „Dieser Zug ist nicht Maya, sondern Militär“, skandierten die Ak­ti­vis­t*in­nen nicht zu Unrecht: Der Touristenzug und der „Interozeanische Korridor“ werden vom Verteidigungsministerium betrieben.

Trotz der Kritiken kann sich López Obrador sicher fühlen. Die Mehrheit der Menschen in den betroffenen Regionen steht hinter seinen Plänen. Dabei spielen sicher auch Sozialprogramme eine Rolle, mit denen sich der Präsident gezielt Zustimmung sichert. Aber vor allem hoffen viele, dass die Projekte Arbeitsplätze schaffen, um nicht von staatlichen Zahlungen und Geldern emigrierter Angehöriger abhängig zu sein. Die Vision einer in die Natur eingebundenen Subsistenzwirtschaft, wie sie manche Indigenen und ihre Un­ter­stüt­ze­r*in­nen anstreben, kann sie nicht überzeugen.

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